Rainald Grebe hat es schwer. Der Erfolg, den er in seinem Song „Oben“ so schön beschreibt, macht es ihm schwer, das Publikum mit neuen Stücken zu begeistern. Im Berliner Admiralspalast ist das derzeit wieder zu beobachten. Grebe hat sich ein neues Programm ausgedacht, das die „Berliner Republik“ begutachtet. Die hört sich das Publikum mal mit mehr, mal mit weniger Begeisterung an. Aber richtig ekstatisch wird die Stimmung erst bei den Zugaben. Wenn Grebe „Prenzlauer Berg“ anstimmt. Und natürlich bei seinem Lied der Lieder, bei „Brandenburg“. Da rasten die Berliner jedesmal wieder in der Selbstgewissheit aus, dass sie ja da leben, wo alle leben wollen: „Berlin. Halleluja Berlin, halleluja Berlin,
alle wollen da hin, deshalb will ich das aaaaaauch…“
Natürlich ist Brandenburg ein wunderbares Stück. Aber so, wie es im Admiralspalast gefeiert wird, erinnert es doch arg an diese Situationen bei Konzerten großer Stars, von denen niemand ein neues Lied hören will, sondern alle nur bei den alten Hits mitgrölen wollen. Für den auf der Bühne ist das etwas peinlich. Und für das Publikum, das vor allem nach Selbstbestätigung und dem Erinnern an alte Glücksmomente interessiert ist, ist es nicht nur etwas peinlich. Für ein solches Publikum ist es richtig peinlich. Denn gerade hier im Admiralspalast hat Rainald Grebe wieder ein Programm vorgestellt, das in seiner Mischung aus Liedern, Monologen und szenischen Bildern überzeugt (und noch mehr überzeugen könnte, wenn Grebes Gesang nicht so übersteuert wäre).
Wobei selbst dieser Effekt zur überdrehten, überspannten Berliner Republik passt. Aber der Effekt geht zu sehr zu Lasten des Zuhörens, als dass er als Stilmittel überzeugen könnte. Grebe hat die gesellschaftlichen Veränderungen in der Berliner Republik genau beobachtet. Ob Hartz IV oder fehlender Mindestlohn, ob die Verachtung von Armut oder der arrogante Blick auf die Provinz – Rainald Grebe bringt das alles zur Sprache, formt mit seinem Sprachwitz böse Pointen und musiziert mit seinem Orchester der Versöhnung abwechslungsreich. Die ersten 90 Minuten seines Programms hätten es verdient gehabt, genauso gefeiert zu werden, wie seine Zugaben.
Wie sehr ihm das Publikum in Erwartung seiner großartigen Hits verfallen ist, wird schon in der ersten Minute klar. Als Grebe die Bühne betritt brandet der Applaus hoch. Grebe deutet mit der Hand an, die Lautstärke zu mindern. Das Publikum gehorcht. Auch als er die Hand hebt und mehr Lautstärke fordert. Vom ersten Moment an dirigiert er den vollen Saal. Und genau deshalb bleibt ihm nichts anderes übrig, als am Ende die großen Hits zu spielen. Und das Publikum heiter beschwingt und nicht nachdenklich verwirrt in die Weihnachtsfeiertage zu entlassen.