Düster ist der Gesamteindruck an diesem Krafreitag in der Staatsoper. Im Rahmen der Festtage wird der „Parsifal“ in der Inszenierung von Dmitri Tcherniakow aus dem Jahr 2015 gegeben. Geprägt ist sie von der Konzentration auf den Stoff in einer sehr gedämpften, getragenen, düsteren und eher hoffnungslosen Interpretation. Daniel Barenboim und seine Staatskapelle intonieren das monströse Werk von Richard Wagner dynamisch und dramatisch.
Kategorie: Musik
Anne-Sophie Mutter nimmt es mit jedem Huster auf
Ein ganz zarter Strich über die Saiten ihrer Violine, ein Hauch von einem Ton, der sich in der ganzen Berliner Philharmonie ausbreitet, ein winziges akustisches Funkeln – und direkt danach ein Aufschrei! Auch der kommt aus der Violine von Anne-Sophie Mutter. Sie erzeugt Kontraste mit ihrem Instrument, wie es nur ganz wenige können. Varianz, Intensität, Melancholie und Freude. Wer sie bei den Festtagen mit der Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim erlebt, weiß instinktiv, wie außerordentlich dieses Konzert ist.
Der Tannhäuser von Sasha Waltz überwältigt
Am Anfang ist dieser Trichter. Ein weißer Trichter und sonst nichts. Nur die wunderbar zarten Töne der Tannhäuser-Ouvertüre sind noch im Raum. Aber der Blick ist auf diesen Trichter gerichtet, der an das Innere eines Auges erinnert. Was aber ist hinter der Öffnung? Doch diese Frage stellt sich nicht lange. Dann beginnt sich der Trichter zu füllen. Und zu beleben mit (fast) nackten Leibern, die sich anzüglich und lüstern bewegen. Das hier ist die Liebeshöhle, in der Venus die Lust lebt. In der Tannhäuser sieben Jahre die Wonnen der leiblichen Liebe (er)lebt. Die Ouvertüre wird bei Sasha Waltz schon ein ganz besonderer Tanz voller Bezüge und Andeutungen, die in den folgenden fast vier Stunden immer wieder in Erinnerung gerufen werden.
Bei Matthus sehnen sich „Luthers Träume“ nach Brüsten, Bier und Essen
Die Konstellation hat es in sich: Ein ehemaliger DDR-Staatskünstler schreibt eine musikalische Vision über den Protestanten Luther, das bei der Welturaufführung auch vor polnischen Katholiken intoniert wird. Da ist theologisch und weltanschaulich „Musike drin“. Auf jeden Fall stellt sich sofort die Frage, ob es künstlerisch gelingt, den Text so in Musik zu setzen, dass sich der Sinn der Worte vermittelt, selbst wenn man sie nicht verstehen kann.
Rainald Grebe seziert in Schwedt die Provinz
Schwedt ist Provinz. Niemand, der das behauptet, wird damit den Schwedtern auf die Füße treten. Wenn Rainald Grebe das sagen würde, wären sie ihm zumindest nicht böse. Seit er in seinem Brandenburg-Lied das Autohaus in Schwedt besungen hat, sind Grebe und Schwedt fast schon ein Begriffspaar. und darauf kann dann auch der Schwedter stolz sein. Denn das ist ja auch ein Merkmal von Provinz: Auch wenn man veräppelt wird, freut man sich über die überregionale Wahrnehmung. Und wenn der Scherz zu Lasten des Provinzlers mit der eigenen Erfahrung übereinstimmt, dann passt das schon.
Howard Griffiths und das BSOF machen Kino im Kopf
Wenn es ein akustisches Signal für Film und Kino gibt, dann ist es die Fanfare der 20th Century Fox. Sie ertönt vor allen Filmen des weltberühmten Studios – und zum Auftakt einer neuen CD des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt. „Music from the motion pictures“ heißt das gelungene Album.
Mehrforte begeistert wieder beim Rosenfestkonzert
Die Konzerte des Eichwalder Chores Mehrforte beim Rosenfest sind eine schöne Tradition. Jedes Jahr treten die Laien, die von Chorleiter Thomas Merfort zu immer neuen Leistungen geführt werden, in der Eichwalder Kirche auf. Die Mischung von Klassikern der Pop-Musik bis hin zu Mozart und schwedischem Volkslied hat wieder viel Spaß gemacht.
Viele Worte muss man dazu gar nicht verlieren. Besser ist einfach zuzuhören!
„Faust I und II“ als pralle Musical-Oper am Berliner Ensemble
Es dröhnt beim Betreten des Zuschauerraums am BE. Mit lauter Musik – einer Mischung aus Techno und Rock – begrüßt das Berliner Ensemble das Publikum. Die Bühne ist nackt. Die Kabel und die Notleitern sind zu sehen. Und ein Ensemble, das wild durcheinander auf der Bühne tanzt. Schon dieser erste Eindruck macht klar, dass hier kein klassischer Faust-Abend droht. Stattdessen Schauspieler in Bewegung, die bis zur Selbstaufgabe Bilder zu Musik formen und dabei mit ihren Stimmen den alten Goethe als Lied mit voller Wucht vor dem Verstummen in Reclam-Heftchen oder repräsentativen Klassiker-Ausgaben bewahren.
Max Raabe verzaubert bei einer Nacht in Berlin
Das Publikum im Admiralspalast ist schon sehr silbrig. „Eine Nacht in Berlin“ mit Max Raabe und dem Palast Orchester ist unter der Woche vor allem ein Ereignis für Senioren. Man selbst senkt den Altersdurchschnitt radikal. Und das, obwohl die Musik von Raabe und Co, deutlich mehr als Senioren-Unterhaltung ist. Sie ist witzig. Sie ist abwechslungsreich. Sie ist erstaunlich jung, obwohl die meisten Stücke in den kommenden 15 Jahren ihren 100. Geburtstag feiern könnten.
Das liegt vor allem am Palast Orchester. Max Raabe singt zwar gut. Aber seine Reduktion auf die den steifen, fast unbeweglichen Entertainer, raubt ihm Gestaltungsraum. Das Steife ermöglicht zwar mit jeder Bewegung einen besonderen Effekt, aber sie ist über die Dauer des Konzerts dann doch ermüdend. Ganz anders sind da die großartigen Musiker (und die einzige Frau des Orchesters). Sie sorgen für Bewegung, für den Wechsel von Kraft und Gefühl. Sie singen, sie spielen Soli und sie harmonieren aufs Vortrefflichste als Orchester. Und so bringen sie das auf die Bühne, was ein Konzert ausmacht.
Max Raabe bleibt in seiner Rolle. Er singt die wunderbaren alten Lieder und seine neuen. Das macht er souverän. Seine wenigen Zwischenmoderationen sind lakonisch und amüsant. Aber sie verstärken nur die Wirkung des Steifen. Angesichts der humorvollen und geistvollen Lieder ist das schade. Und dennoch ist der Abend kein ärgerlicher. Im Gegenteil. Max Raabe und seine Musiker sorgen für humorvolle Unterhaltung, für einen angenehmen Abend voller Amüsement und trefflich komischer Momente.
Vielleicht war das Publikum ja so silbrig, weil an einem Dienstagabend viele jüngere Menschen keine Zeit haben. Schön wäre es, wenn das der Grund wäre.
Der Rienzi der Deutschen Oper besticht durch Optik
In der Deutschen Oper ist Rienzi durch und durch ein Faschist. Die gesamte Inszenierung ist in schwarz-weiß gehalten, ganz so, wie wir die Bilder vom italienischen und spanischen Faschismus kennen – und natürlich von den deutschen Nationalsozialisten. Regisseur Philipp Stölzl hat Hitlers Lieblingsoper zur Parabel über dessen Aufstieg und Fall gemacht. Ein gewagtes Unterfangen, das Richard Wagner nicht unbedingt gerecht wird. Und dennoch überzeugt das gesamte Stück in Stölzls Interpretation, wenn man es nur für sich anschaut und sich vollkommen darauf einlässt.