Berliner Fußballplätze – Tasmania 1973 Berlin

Bei Tasmania Berlin

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Bei Tasmania Berlin

Auf der einen Seite ist Neukölln, auf der anderen das Tempelhofer Feld. Dazwischen liegt der Werner-Seelenbinder-Sportpark, auf dessen Gelände Tasmania 1973 seine drei Plätze hat. Wo einst 30.000 Zuschauer Platz hatten, ist heute nur noch für 3500 Platz. Der Rasenplatz liegt zwischen zwei höher liegenden Kunstrasenplätzen. Von der Eisbahn nebenan schallt Musik herüber. Dafür gibt es keinen Fluglärm mehr, seit der alte Zentralflughafen in Tempelhof geschlossen ist.

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Das Opfer ist das erstaunliche Debüt von George Tabori

George Tabori: Das OpferGeorge Tabori war gerade 30 Jahre alt, als er seinen Debüt-Roman veröffentlichte. Geboren in Budapest als Jude, für den Ungarisch und Deutsch die Sprachen seiner Kindheit waren, dann als Jugendlicher in Berlin, um unter anderem im Adlon eine Ausbildung im Hotelfach zu machen, dann 1935 nach England zu seinem Bruder emigriert, war für ihn Sprache das Mittel, um zu Leben. In London konnte er als Journalist arbeiten und zwischen 1941 und 1943 dann als Auslandskorrespondent in Sophia und Istanbul. Hier sammelte er auch die Erfahrungen, die er in „Das Opfer“ verarbeitete.

Tabori nimmt die Perspektive eines Majors der Wehrmacht ein, der für den Geheimdienst arbeitet. Auf dem Balkan im Haus des Schwiegervaters ist er, als ein Engländer, der in ziviler Kleidung mit dem Fallschirm abgesprungen ist, von seinen Soldaten aufgegriffen wird. Diese beiden Männer sind der Kern, des kammerspielartigen Romanaufbaus. Ein Geheimdienstoffizier und die Frau des Majors sind die weiteren Figuren, die in den wenigen Stunden vom Nachmittag des Aufgriffs bis zum nächsten Morgen handeln. Alles andere sind Erinnerungen des Majors und des Geheimdienstmannes, der den Engländer schon lange beobachtet hat. Er vor allem erzählt dessen Geschichte.

Und die spielt an den Orten, die auch George Tabori erlebt und gekannt hat. Vor allem in Ungarn und in Istanbul. In Ungarn hat der Engländer seine große Liebe kennengelernt. Mit einem Schiff, das mit jüdischen Flüchtlingen völlig überfüllt ist, versucht sie über das Schwarze Meer zu ihm nach Istanbul zu fliehen. Aber hier darf das Schiff nicht anlegen. Die Menschen müssen an Bord bleiben, werden abgewiesen und schließlich sinkt das Schiff kurz nach der Ausfahrt aus dem Bosporus. George Tabori hat ein solches Schiff in Istanbul tatsächlich gesehen, er war sogar an Bord, sah die miserablen Zustände an Bord. Und hat in seinem Roman diese Eindrücke erdrückend beschrieben.

Auf nur 260 Seiten schildert er erstaunlich zurückhaltend all die Zwänge und Hoffnungen, in denen sich der Major, der Engländer, deren Frauen und die vielen Opfer des Krieges befinden. Dabei vermeidet er es, zu urteilen. Das überlässt er dem Leser. Und macht ihn damit zum Komplizen. Dass das weder der amerikanischen noch der englischen Kritik 1944 sonderlich gefiel, ist nachzuvollziehen. Doch das macht den Text nur noch besser. Denn Tabori hat keinen Bekenntnisroman wie etwas Anna Seghers mit ihrem „Siebten Kreuz“ geschrieben, sondern ein packendes Psychogramm, das noch dazu mit einem überraschenden Ende eine große Hoffnung zu Ausdruck bringt.

Der Steidl Verlag hat den Roman als ersten Band der Gesammelten Werke Taboris veröffentlicht.

Sabine Rennefanz sucht das Dunkle in der Familiengeschichte

Sabine Rennefanz: Die Mutter meiner MutterSabine Rennefanz wurde 1974 in Beeskow geboren. Aufgewachsen ist sie in Eisenhüttenstadt. In ihrem Buch „Eisenkinder“ hat sie davon schon viel erzählt. In ihrem neuen Buch „Die Mutter meiner Mutter“ spielt die Heimat der jetzigen Berlinerin in Ostbrandenburg erneut eine ganz wichtige Rolle. Links der Oder kommt ihre Großmutter Anna mit Stiefmutter und zwei Brüdern in einem Dorf nach der Vertreibung aus dem jetzigen Westpolen an, um nach dem Krieg ein neues Leben zu beginnen.

Wie schwierig dieses Leben für Anna tatsächlich war, ahnt Sabine Rennefanz ganz lange nicht. In ihrem autobiografischen Text nähert sie sich ihrer Familie an, ergründet, weshalb Anna immer so abweisend war. Weshalb sie Berührungen und Herzlichkeit vermied und immer so anders war, als die Großmütter ihrer Freunde. Sie sucht nach den Gründen, weshalb auch ihre Mutter und deren Schwestern seelische Narben haben, die auch ihnen das Leben erschweren. Der Text, der dabei entsteht, liest sich wie ein Roman, ist aber ein Blick in die historische Wahrheit und die Gedanken- und Seelenwelt von Sabine Rennefanz.

Großmutter Anna arbeitet in dem ostbrandenburgischen Dorf als Magd auf dem Hof eines kinderlosen Ehepaars als Magd. Bald schon ist sie mehr als nur eine Bedienstete. Die Wendlers schließen sie ins Herz, werden eine Art Ersatzeltern. 1949 kommt Friedrich aus russischer Gefangenschaft zurück. Er gehört auch ins Umfeld der Wendlers, hat am Ende des Krieges seine Frau verloren. An einem Schlachttag vergewaltigt er Anna, die sich daraufhin umbringen will. Die Wendlers bringen Friedrich dazu, Anna zu heiraten. Mit ihm bekommt sie noch zwei weitere Kinder. Aber sie schläft immer in einem anderen Zimmer und zieht sich immer weiter zurück. Selbst auf die Straße in dem kleinen Dorf geht sie kaum.

So einfach, so brutal ist die eigentliche Geschichte. Aber die kennen die Kinder und Enkel gar nicht. Denn sie wird verschwiegen. Sie kennen Friedrich nur als liebevollen Vater und Großvater. Erst nach seinem Tod im November 1989 kommt die Geschichte heraus, weil sich die einzige damalige Freundin, der sich Anna damals anvertraut hatte, gegenüber Sabine Rennefanz Mutter verplappert. In der Folge beginnt sich die Autorin immer wieder mit dem schwarzen Fleck in der Familiengeschichte zu beschäftigen. Ihre Gedanken kreisen um das Thema, bis sie sich zum vorliegenden Text formen. Dabei wird aus der eigenen Familiengeschichte dann doch eine Art Roman, der immer wieder an Oskar Maria Grafs „Aus dem Leben meiner Mutter“ erinnert. Denn Rennefanz bindet das Geschehen auch in die Geschichte ein. Die Vergewaltigung geschieht zeitgleich mit der Gründung der DDR. Der Vergewaltiger stirbt, als die DDR im November 1989 untergeht. Als die Bürger der DDR die Lügen der Autoritäten nicht mehr ertragen, endet die Autorität des Vaters.

Es macht die besondere Qualität des Buches von Sabine Rennefanz aus, dass solche Parallelitäten nicht aufgesetzt wirken, sondern schlüssig sind. Denn wesentlicher Teil der Dorf- und Familiengeschichte ist es ja auch, dass Wahrheiten generell nicht ausgesprochen wurden. Und wenn doch, dann haben sie negative Konsequenzen. Wie für Mutter Monika, die sich in der Schule positiv zum Prager Frühling äußert und dafür beim Fahnenappell vorgeführt und gedemütigt wird. Und so erzählt Sabine Rennefanz de facto eine furchtbare Heimatgeschichte, sich über Generationen auswirkt und die Seelen mehrerer Generationen belastet und krank macht.

Richard Wagner lockt nach Habsburg – in Bibliothek einer verlorenen Bibliothek

Richard Wagner: HabsburgAlles, was sich mit Habsburg verbindet, ist Erinnerung. Die vor knapp 100 Jahren untergegangene Doppelmonarchie hat statt eines riesigen Vielvölkerstaates nur einen Rumpf namens Österreich und eine Reihe anderer Staaten hinterlassen. Und Erinnerungen in Büchern, in Steinen und Gebäuden, in Gerichten und Kaffeehauskultur. Habsburg lebt also weiter. Richard Wagner, der Banat-Deutsche Schriftsteller, der in Berlin lebt, hat eine „Bibliothek einer verlorenen Welt“ erfunden – und Habsburg damit ein literarisches Denkmal aus Essais, Gedankensplittern und realen Büchern aus der untergegangen Welt erdacht.

Ein bisschen erinnert das Buch an Walter Mehrings Autobiografie „Die verlorene Bibliothek„, in der anhand der beschlagnahmten Bibliothek des Vaters eine Kulturgeschichte seiner Zeit erinnerte. Ganz ähnlich geht Wagner vor. Anhand von realen Büchern und einem enormen historischen Wissen begeht er die literarischen Räume der Vergangenheit. Dabei stellt er uns natürlich Franz Kafka und Joseph Roth vor. Aber auch Leo Perutz, Karl Emil Franzos und vor allem auch Bücher und Autoren, die in den anderen Sprachen des Vielvölkerstaates schrieben. So entsteht – in Kombination mit Rezepten typischer Gerichte, die es in abgewandelter Form in allen Kaffeehäusern des ehemaligen Reiches noch heute gibt – ein sinnliches und literarisches Gesamtbild dieses Habsburgs.

Richard Wagner gelingt es, viele Traditionsstränge bis in die Gegenwart zu ziehen. Seine oft kurzen Texte sind Gedankenblitze, die das Gesamtbild erhellen und beleuchten. Von besonderem Interesse sind die Verweise, die auf die Nationen verweisen, die neben den Deutschen in der Doppelmonarchie lebten. Nur bei den Ukrainern verlässt Wagner der kritische Geist. Ihnen spricht er eine nationale Eigenständigkeit ab. Er betont den Beginn der russischen Geschichte mit dem Kiewer Rus – und damit das Recht Moskaus noch heute über die Ukraine herrschen zu wollen. Das aber ist erstaunlich unhistorisch in diesem so historischen Buch. Mit einer ähnlichen Begründung müsste Kaliningrad schleunigst wieder deutsche werden. Immerhin ist Königsberg der Ausgangspunkt des preußischen Königtums. Oder große Teile Russlands müssten Litauen zugeschlagen werden, denn die Herrschaft der Litauer reichte einst bis weit über Weißrussland und die Ukraine hinaus. Richard Wagner konterkariert mit dem Teil über die Ukraine den Ansatz seines ganzen Buches. Da ist doppelt ärgerlich. Zum einen, weil es schlicht falsch ist. Zum anderen, weil der Rest des Buches wunderbar ist.

Kurz nach Sonnenaufgang auf dem Zeuthener See

In der Morgensonne

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Kurz nach Sonnenaufgang ist das Wasser richtig ruhig. Das Kajak gleitet ganz ruhig über den Zeuthener See. Ein, zwei Stunden später sorgen die Motorboote für einen steten, leichten Wellengang. Aber jetzt, da stimmt der alte Satz: „Still ruht der See.“ Das Licht strahlt in warmen Farben am westlichen Ufer. Die Bootshäuser, Villen und Segelvereine strahlen eine friedliche Ruhe aus. Auf dem glatten See spiegeln sie sich, wie sonst nie. Nur jetzt steht das Licht so, dass dies möglich ist. Aber von Kilometer zu Kilometer Richtung Wildau wird das Wasser unruhiger. Die ersten Motorboote stören nicht nur die plane Wasseroberfläche, sondern auch die Ruhe.

Jurij Wynnytschuk entführt uns nach Lemberg

Jurij Wynnytschuk: Im Schatten der MohnblüteDer Krieg in der Ukraine hat das Land zwischen Polen und Russland buchstäblich ins europäische Bewusstsein geschossen. Je länger die russische Aggression währt, umso mehr beschäftigen sich Öffentlichkeit und Medien, aber auch die Wissenschaft mit der Geschichte des Landes. Und umso klarer schält sich heraus, dass die Ukraine eine eigenständige Kultur, eine eigene Sprache, ein eigenes Nationalbewusstsein hat, das sich klar gegen Russland abgrenzt. Ein wunderbares Beispiel für die ukrainische Literatur ist der kürzlich erschienene Roman „Im Schatten der Mohnblüte“ von Jurij Wynnytschuk.

Im Mittelpunkt des Buches die Freundschaft von vier jungen Lembergern. Ein Pole, ein Ukrainer, ein Jude und ein Deutscher bilden das Quartett, das in den 1930er-Jahren in der damals polnischen Stadt unzertrennlich sind. Jurij Wynnytschuk schildert die multikulturelle Stadt aus der Sicht der dort lebenden Nationalitäten bis in die 1940er-Jahre hinein. Der Roman handelt also von Krieg und Frieden. Er schildert die Besetzung der Stadt durch die Rote Armee in Folge des Hitler-Stalin-Paktes und fast zwei Jahre später durch die Wehrmacht. Wynnytschuk erzählt vom Wüten des NKWD und davon, wie die gleichen Foltergefängnisse dann von der Gestapo genutzt wurden, um nach dem Fall Lembergs 1944 wieder vom NKWD in Besitz genommen zu werden.

Im Grauen, das die Stadt erlebte, fehlt natürlich auch nicht der Untergang und die Vernichtung der Juden durch die Deutschen. Eine furchtbare Rolle dabei muss der jüdische Freund übernehmen. Er muss bei den Exekutionen zusammen mit anderen Juden in einem Orchester musizieren. Dabei spielt er einen ganz speziellen Tango so, dass er kaum gehört werden kann. Aber dessen Melodie hat eine ganz wichtige Funktion: Wer sie beim Sterben hört, erhält die Chance zur Seelenwanderung in einen anderen Menschen, der dann zwei Seelen in sich trägt. Eine gewagte Geschichte, die Jurij Wynnytschuk aber wunderbar erzählt. Diese Seelenwanderung ermöglicht es den Menschen, vertraute Seelen wiederzufinden. Und so finden auch die Freunde wieder – und zwar in der von der Sowjetunion befreiten Ukraine.

„Im Schatten der Mohnblüte“ vereinigt alles, was gute Literatur ausmacht. Es strotzt vor Fabulierfreude, es öffnet den Kopf für phantastische Gedanken, die sich trotz allem irgendwie wahr anfühlen. Denn wer kennt sie nicht, die Situationen, in denen man sich fremden Menschen verbunden fühlt oder sich in einer fremden Stadt auskennt, als sei man schon dort gewesen. Jurij Wynnytschuk verzaubert den Leser, der sich auf das Gedankenexperiment einlässt. Und er zeigt in seinem Lemberg-Roman ganz deutlich, weshalb die Ukraine kein Wurmfortsatz Russlands ist, sondern eigenständig.

Wassererzählungen: John von Düffel schwimmt wieder

John von Düffel: WassererzählungenNiemand schreibt so gut über das Schwimmen wie John von Düffel. In seinen Romanen hat er die Bewegung im Wasser, das Gleiten in der Schwerelosigkeit, die Anstrengung der Armzüge, das Ausatmen unter Wasser, die meditative Kraft der sich auflösenden Gedanken beim Bahnenziehen beschrieben, dass die Lust auf einen Sprung ins Becken von Seite zu Seite wuchs. In seinen „Wassererzählungen“ gelingt ihm das auch wieder. Doch würde es den elf Texten nicht gerecht, reduzierte man sie darauf.

Holz am Dachstein

Holz am Dachstein

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Sie säumen fast jeden Weg. Holzstapel sind an der Südseite des Dachsteins ein prägender Teil der Wanderwege. Das geschnittene Holz zeigt sich in einer erstaunlichen Farbenpracht von Rostrot über Gelb bis hin zu bräunlichem Grau. Beim genauen Blick zeigen sich abstrakt-geometrische Skulpturen und Reliefs.

Norbert Gstrein sucht den Anfang des Gerüchts

Norbert Gstrein: Eine Ahnung vom AnfangAm Anfang ist nur ein Gerücht. Und doch kann dieses Gerücht das ganze Leben des Lehrers, aus dessen Perspektive Norbert Gstreins „Eine Ahnung vom Anfang“ geschrieben ist, in Frage stellen. Tatsächlich wird auf dem Bahnhof der österreichischen Provinzstadt eine Bombe gefunden. Aber wer sie deponiert hat, ist keinesfalls bekannt. Nur Erinnerungen an einen ehemaligen Schüler, der anders war als die anderen Schüler. Genau deshalb trauen ihm viele im Ort die Tat – die letztlich nicht ausgeführt wird – zu.

Die absonderliche Brautschau von Fürst Pückler in England

Peter James Bowman: Ein Glücksritter - Die englischen Jahre von Fürst Pückler-MuskauDie Idee klingt absurd. Da lässt sich ein Paar scheiden, weil der Mann sich auf die Suche nach einer neuen Frau machen soll. Die soll dann mit der Ex unter einem Dach leben, weil sich das Scheidungspaar noch immer liebt. Die neue Frau soll das aber erst erfahren, wenn sie wirklich mit der Ex im gleichen Haus lebt. Einzige Voraussetzung: Die Neue muss eine Mitgift bekommen, die zur Tilgung der Schulden genügt.