Melancholie durchzieht jede Seite dieses dünnen Bandes. Bora Cosic teilt dieses Gefühl mit seinen Lesern. In „Eine kurze Kindheit in Agram“ erinnert er an die Stadt, die bei seiner Geburt 1932 noch nicht Zagreb war. Er lässt sich noch einmal ein auf diese Stadt, in der das untergegangene Reich der Habsburger noch immer lebt, obwohl die Stadt seit 14 Jahren Teil Jugoslawiens war.
Autor: Andreas
„Faust I und II“ als pralle Musical-Oper am Berliner Ensemble
Es dröhnt beim Betreten des Zuschauerraums am BE. Mit lauter Musik – einer Mischung aus Techno und Rock – begrüßt das Berliner Ensemble das Publikum. Die Bühne ist nackt. Die Kabel und die Notleitern sind zu sehen. Und ein Ensemble, das wild durcheinander auf der Bühne tanzt. Schon dieser erste Eindruck macht klar, dass hier kein klassischer Faust-Abend droht. Stattdessen Schauspieler in Bewegung, die bis zur Selbstaufgabe Bilder zu Musik formen und dabei mit ihren Stimmen den alten Goethe als Lied mit voller Wucht vor dem Verstummen in Reclam-Heftchen oder repräsentativen Klassiker-Ausgaben bewahren.
Max Raabe verzaubert bei einer Nacht in Berlin
Das Publikum im Admiralspalast ist schon sehr silbrig. „Eine Nacht in Berlin“ mit Max Raabe und dem Palast Orchester ist unter der Woche vor allem ein Ereignis für Senioren. Man selbst senkt den Altersdurchschnitt radikal. Und das, obwohl die Musik von Raabe und Co, deutlich mehr als Senioren-Unterhaltung ist. Sie ist witzig. Sie ist abwechslungsreich. Sie ist erstaunlich jung, obwohl die meisten Stücke in den kommenden 15 Jahren ihren 100. Geburtstag feiern könnten.
Das liegt vor allem am Palast Orchester. Max Raabe singt zwar gut. Aber seine Reduktion auf die den steifen, fast unbeweglichen Entertainer, raubt ihm Gestaltungsraum. Das Steife ermöglicht zwar mit jeder Bewegung einen besonderen Effekt, aber sie ist über die Dauer des Konzerts dann doch ermüdend. Ganz anders sind da die großartigen Musiker (und die einzige Frau des Orchesters). Sie sorgen für Bewegung, für den Wechsel von Kraft und Gefühl. Sie singen, sie spielen Soli und sie harmonieren aufs Vortrefflichste als Orchester. Und so bringen sie das auf die Bühne, was ein Konzert ausmacht.
Max Raabe bleibt in seiner Rolle. Er singt die wunderbaren alten Lieder und seine neuen. Das macht er souverän. Seine wenigen Zwischenmoderationen sind lakonisch und amüsant. Aber sie verstärken nur die Wirkung des Steifen. Angesichts der humorvollen und geistvollen Lieder ist das schade. Und dennoch ist der Abend kein ärgerlicher. Im Gegenteil. Max Raabe und seine Musiker sorgen für humorvolle Unterhaltung, für einen angenehmen Abend voller Amüsement und trefflich komischer Momente.
Vielleicht war das Publikum ja so silbrig, weil an einem Dienstagabend viele jüngere Menschen keine Zeit haben. Schön wäre es, wenn das der Grund wäre.
Bruno Ziauddin seziert Roger Köppel und den Rechtsruck der „Weltwoche“
Einen besseren Zeitpunkt zum Erscheinen dieses Buches kann es gar nicht geben. „Bad News“ von Bruno Ziauddin ist ein Schlüsselroman über den Rechtsruck der Zürcher „Weltwoche“. Es ist ein Roman über deren Chefredakteur Roger Köppel, der auch in deutschen Talkshows seinen verbrämten Rechtspopulismus gerne äußern darf. Und vor allem ist es ein hoch aktuelles Buch darüber, wie das sich das rechte Gift des Rassismus als vermeintlicher Tabubruch unter dem Motto „man wird ja noch sagen dürfen“ um sich greift. Ein Buch also, das es in sich hat.
Roland Schimmelpfennig und der „lonesome wolf“ in Berlin und Brandenburg
Roland Schimmelpfennig hat sich als Dramatiker einen enormen Ruf erworben. Das ist seinem ersten Roman anzumerken. Dramatischer und knapper lässt sich ein Tableau von Personen kaum denken, das noch dazu so konsequent der Idee des Buches folgt. Alles, was Romane ausmacht, findet man in „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ nicht. Weder lange innere Monologe, intensive Landschaftbeschreibungen oder sich weit verästelnde Erzählstränge bietet Schimmelpfennig seinen Lesern an. Stattdessen: Kürze, Prägnanz, durchsichtige Konstruktion eines Beziehungsgeflechts.
Der Rienzi der Deutschen Oper besticht durch Optik
In der Deutschen Oper ist Rienzi durch und durch ein Faschist. Die gesamte Inszenierung ist in schwarz-weiß gehalten, ganz so, wie wir die Bilder vom italienischen und spanischen Faschismus kennen – und natürlich von den deutschen Nationalsozialisten. Regisseur Philipp Stölzl hat Hitlers Lieblingsoper zur Parabel über dessen Aufstieg und Fall gemacht. Ein gewagtes Unterfangen, das Richard Wagner nicht unbedingt gerecht wird. Und dennoch überzeugt das gesamte Stück in Stölzls Interpretation, wenn man es nur für sich anschaut und sich vollkommen darauf einlässt.
BigBand des BSOF feiert Astor Piazolla in Zielona Gora
Eigentlich sollte das Konzert im kleinen Saal der Philharmonie von Zielona Gora (Grünberg) stattfinden. Aber dann waren die 200 Karten schnell weg. Die BigBand des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt lockte mit einem Konzert zum 95. Geburtstag von Astor Piazolla. Das war offenbar eine gute Idee, denn auch der große Saal war fast voll.
Unter der Leitung von Norbert Nagel und mit Unterstützung von Rainer Volkenborn am Bandeon ging es um Kontraste – ganz im Sinne des Mottos der Musikfesttage an der Oder. Wenn Volkenborn sein Bandeon erklingen ließ, war der Saal voller Melancholie. Und wenn die Musiker der BigBand zu ihren Soli anhoben, dann konnte sich niemand der Spielfreude entziehen. Wenn das kleine Bandeon seine leisen Töne verströmte, dann ging das ans Herz. Und wenn die BigBand ihre ganze Kraft entfaltete, dann rumpelte es im vegetativen Nervensystem der Grünberger.
Die Begeisterung, mit der die Musiker sich über ihre Musik freuten, nahm das Publikum sofort gefangen. Auch wenn sich etliche unter Astor Piazolla wohl etwas ruhigeres erwartet hatten. Doch die kraftvoll-dramatische Interpretation des Zwiegesprächs zwischen Bandeon und BigBand begeisterte. Und so wurde der Auftritt der deutschen Musiker vor polnischem Publikum zu genau dem, was dieses Festival erreichen will: Ein musikalischer Brückenschlag über die Oder – diesmal auf einer argentinischen Brücke.
Mehr von den 61. Deutsch-Polnischen Musikfesttagen:
Deutsch-Polnische Musikfesttage starten mit Fazil Say
BigBand des BSOF feiert Astor Piazolla in Zielona Gora
Jan Beißen macht das Frankenderby zum Regionalkrimi
Wenn der Club gegen Fürth spielt, dann ist das sehr viel mehr, als ein normales Fußballspiel. Es ist das traditionsreichste Derby schlechthin, auch wenn die Spiele nur noch in der 2. Liga stattfinden. Früher aber wurde bei diesen Spielen die Deutsche Meisterschaft entschieden. Und zeitweise bestand die Deutsche Nationalmannschaft nur aus Spielern dieser beiden Vereine. Insofern bietet ein solches Spiel tatsächlich einen sehr guten Rahmen für einen Krimi.
Deutsch-Polnische Musikfesttage starten mit Fazil Say
„Kontraste“ ist das Motto der diesjährigen Deutsch-Polnischen Musikfesttage an der Oder. Schon das erste Konzert lebte dieses Motto intensiv aus. Erst ein Violinkonzert von Fazil Say und dann die orientalischen Phantasien von Nikolai Rimsky-Korsakow, die „Scheherazade“. Jenes leicht, luftig und voller Rhythmus, das andere schwer, fast schwül und voller Pathos.
Howard Griffiths ist mit der Türkei fest verbunden. Jahrelang lebte er dort. Fazil Say hat er in dieser Zeit kennen und schätzen gelernt. Und zum Glück für die Konzertbesucher in Frankfurt hat er dessen Komposition nun auch zu Gehör gebracht. Iskandar Widjaja spielte die Solovioline facettenreich und voll menschlicher Wärme und Aykut Köselerli sein Schlagzeug als emotionaler Taktgeber bei dem abwechslungsreichen und voller Spannungen und Wechseln in Dynamik und Rhythmik reichen Violinkonzert. Zusammen mit dem BSOF schufen sie einen akustischen Raum mit zauberhaften, verwunschenen und kraftvollen Momenten.
Nach der Pause drückte der schwere Rimsky-Korsakow mit seinem russisch-imperialen Träumen vom Orient die Leichtigkeit und Vielfalt Fazil Says weg. Wer ich in dessen Melodien verloren hatte, der wurde auf dramatische Weise in eine andere Welt gestoßen. Musikalisch war auch das überzeugend. Aber der Zauber ging etwas verloren. Natürlich passt das wunderbar unters Motto „Kontraste“. Viel verschiedener kann die musikalische Aneignung des Orients kaum sein. Zumindest für ein Orchester. Und auch nicht viel erfüllender.
Mehr von den 61. Deutsch-Polnischen Musikfesttagen:
Deutsch-Polnische Musikfesttage starten mit Fazil Say
BigBand des BSOF feiert Astor Piazolla in Zielona Gora
Günter de Bruyn erzählt von der verhängnisvollen Altersliebe des Staatskanzlers Hardenberg
Günter de Bruyn ist inzwischen 89 Jahre alt. Er lebt in der Nähe von Beeskow und schreibt noch immer. Gerade ist sein neues Buch erschienen: „Die Somnambule oder Des Staatskanzlers Tod“. In ihm geht es um einen alten Mann, der sich noch einmal in eine junge Frau verliebt. Auch, weil er es nicht erträgt, alt zu werden. Ein Stoff, der in einer älter werdenden Gesellschaft sicherlich nicht außergewöhnlich ist. Aber weil es sich um eine wahre Geschichte handelt, hat sie einen ganz besonderen Reiz.