Einen besseren Zeitpunkt zum Erscheinen dieses Buches kann es gar nicht geben. „Bad News“ von Bruno Ziauddin ist ein Schlüsselroman über den Rechtsruck der Zürcher „Weltwoche“. Es ist ein Roman über deren Chefredakteur Roger Köppel, der auch in deutschen Talkshows seinen verbrämten Rechtspopulismus gerne äußern darf. Und vor allem ist es ein hoch aktuelles Buch darüber, wie das sich das rechte Gift des Rassismus als vermeintlicher Tabubruch unter dem Motto „man wird ja noch sagen dürfen“ um sich greift. Ein Buch also, das es in sich hat.
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„Nullnummer“ von Umberto Eco ist ein Ärgernis
Bislang habe ich mich auf jeden Roman von Umberto Eco gefreut. Als ich von „Nullnummer“ hörte, war ich neugierig und voller erfreuter Anspannung. Aber jetzt, nachdem ich den Roman gelesen habe, bin ich richtig enttäuscht. Zum einen ist das Buch mit seinem Plot nicht wirklich gut. Vor allem aber ist die Botschaft des Textes ein echtes Ärgernis. Umberto Eco liefert eine Anleitung, mit der alle Pegidisten und sonstigen Demokratiefeinde ihre „Lügenpresse“-Rufe begründen können. Denn im Kern sind Zeitungen ein Mittel, um mit Lügen politische, ökonomische oder kulturelle Akteure erpressen zu können. Wahrheit oder kritischer Dialog in einer pluralistischen Öffentlichkeit spielen dabei keine Rolle.
Umberto Eco erzählt die Geschichte einer Zeitungsredaktion, die ein Jahr Zeit hat, um an Nullnummern zu arbeiten. Diese will der Eigentümer verwenden, um auf Verantwortliche in Politik und Verwaltung Druck aufzubauen. Denen will er mit den Nullnummern zeigen, was er bewirken könnte, wenn er eine Zeitung hätte. Und deshalb ist die Zeitung darauf aus, mehr zu erzählen, als in den Abendnachrichten schon bekannt war. Das lässt sich mit Nullnummern natürlich gut machen. Vor allem, wenn diese nicht aktuell produziert werden, sondern nachträglich. Aber die Methoden dafür sind dennoch nicht redlich. Ziel des Chefredakteurs ist es, Menschen bloß zu stellen und das Vertrauen in sie zu erschüttern. Mit den Mitteln des Boulevards ist das kein Problem. Das alles wäre als Plot ganz nett, wenn nicht der Eindruck erweckt würde, letztendlich arbeiten alle Zeitungen so. Ganz so, wie es sich die rechten Demokratiefeinde mit ihren Rufen von der „Lügenpresse“ zu meinen glauben.
Die zweite Geschichte, die Umberto Eco erzählt, ist die des Fortlebens faschistischer Strukturen in Italien nach dem 2. Weltkrieg. Es geht dabei um die Loge P2 und die Geheimdienstaktionen von Gladio. Eco behandelt die Frage, ob Mussolini doch überlebt hat und mit Hilfe der Kirche nach Argentinien entkommen konnte. Das alles ist nichts Neues. Alles hat er schon in seinen Kolumnen behandelt. Und andere italienische Schriftsteller haben den Stoff der Nachkriegs-Verstrickungen auch schon behandelt. Insofern findet sich in „Nullnummer“ auch nicht Überraschendes.
Vielleicht mag all das für den heimischen, italienischen Lesemarkt von Interesse sein. Da verfangen auch die Analogien zum Presseimperium Silvio Berlusconis. Aber – und das ist wirklich ärgerlich – Umberto Eco entwirft ein ganz und gar miserables Bild von Medien, Gesellschaft und Politik. Nur im privaten Glück zweier am Projekt Nullnummer beteiligten Journalisten scheint etwas Positives auf. Zweisamkeit also als Ausflucht aus einer vollständig korrumpierten Welt, in der es nicht den Hauch einer funktionierenden Presse, eines gesellschaftlich sinnvollen politischen Engagements gibt. Das ist allerdings arg wenig. Die recht logische Konstruktion des Buches, in dem mit Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünften gespielt wird, wiegt das Ärgernis über Second-Hand-Verarbeitung des Nachkriegsstoffes und die grundsätzlich fatalistische Gesamtaussage nicht auf – auch wenn Burkhart Kroeber einen guten deutschen Text erzeugt hat.
Fund nach 80 Jahren: Der Roman Ullstein von Stefan Großmann
„Wir können warten“. So lautet der Titel eines außergewöhnlichen Romans. Aber der Autor konnte gar nicht warten. Die Zeit ist über das Manuskript hinweg gegangen. 1935 war das Manuskript in einem Zustand, der noch eine weitere Überarbeitung erfordert hätte. Aber Stefan Großmann starb in Wien. Im Exil in seiner ursprünglichen Heimatstadt, nachdem er Berlin verlassen hatte. Jetzt, fast 80 Jahre später ist sein Roman erschienen. Und wenn man ihn gelesen hat, dann stellt man fest: Eigentlich konnten wir auf diesen Schlüsselroman nicht warten. Zu gut, zu packend ist die Geschichte vom Niedergang des Pressehauses Ullstein in den 1930er-Jahren.
Der Bedeutungsverlust der Zeitungen in Brandenburg
Die Zeitung gehört dazu. Jeden Morgen wird sie aus dem Briefkasten geholt, geteilt und gelesen. Ein Start in den Tag ohne sie, ist ein schlechter Tagesbeginn.
Die Haushalte, in denen der Tag so beginnt, werden immer weniger. Das ist nun keine neue Erkenntnis. Aber wenn man mal wieder einen Blick auf die Auflagenzahlen wirft, ist das Ergebnis erschreckend. Die Auflage der Märkischen Allgemeinen, deren Lokalteil für Königs Wusterhausen Dahme Kurier heißt, ist seit dem vierten Quartal 1998 von 214.913 auf 134.261 im letzten Quartal gesunken. Das sind nur noch 62 Prozent! Und das in 15 Jahren. Und das in einer Region, in der inzwischen deutlich mehr Menschen leben als damals.
Bei der Lausitzer Rundschau sieht es noch dramatischer aus. 88.858 Exemplare verkaufte sie im vierten Quartal 2012. 1998 waren es noch 172.945. Das ist fast eine Halbierung. Und bei der Märkischen Oderzeitung sieht es wie folgt aus: 137.507 im Jahr 1998 und jetzt nur noch 84.959. Damit bewegt sie sich auf einem ähnlichen Verlust-Niveau wie die MAZ.
Im Kern ist das ein dramatsicher Bedeutungsverlust. In der Lausitz wird das durch den dramatischen Bevölkerungsrückgang verstärkt, bei der MOZ – und in viel stärkerem Ausmaß – und bei der MAZ fängt der wachsende Speckgürtel die Bevölkerungsverluste in den Regionen, die weit weg von Berlin sind, auf.
Fundstück im Antiquariat (2): Ludwig Börnes Verhaftung
Dieses Stück Papier ist eine fast 200 Jahre alte Zeitung. Ich habe sie heute gefunden und musste sie kaufen. Die wenigen Euro wären es schon wert gewesen, nur um so eine alte Zeitung zu besitzen. Richtig spannend ist aber, dass in ihr von der Verhaftung und Entlassung Ludwig Börnes berichtet wird. Der war 1820 im ständigen Kampf mit der Zensur. Nach Verabschiedung der Karlsbader Beschlüsse 1819 machte sich auch in Frankfurt/Main die Zensur wieder breit. Seine Zeitung „Die Waage“ fiel dem Zensor zum Opfer. Er selbst arbeitete danach als Redakteur der „Zeitung der Freien Stadt Frankfurt“. Das erregte die Behörden allerdings so sehr, dass der Liberale entlassen werden musste. Im März 1820 war Börne dann in Paris, wo er später bis zu seinem Tod genauso wie Heinrich Heine im Exil bleiben sollte. Ein Student wurde mit verbotenen Flugblättern aufgegriffen. Als Hersteller gab es Börne an. Das tat er, weil er den Schriftsteller und Journalisten noch in Frankreich wähnte. Doch er war schon wieder daheim. Und so sperrten ihn Polizei und Zensor ein. Es dauerte einige Tage, bis er verhört wurde und sich alles aufklärte.
Für Börne war die Verhaftung ein Einschnitt in sein Leben. Von da an orientierte er sich endgültig weg aus Frankfurt, wo er in der furchtbaren Judengasse geboren und aufgewachsen war und nach seinem Studium, das für den Juden nur dank der Besatzung durch Napoleon möglich war, als Journalist arbeitete. Es ist heute wirklich nicht mehr vorstellbar, was Deutsche einst auf sich nehmen mussten, nur weil sie eine eigene Meinung hatten. Besonders absurd war es, dass sich die DDR auf Börne als liberalen Vorläufer der kommunistischen Denker auch auf ihn bezog. Wie es überhaupt seltsam ist, dass sich eine auf Exilanten bezieht. Auf Menschen also, die für den aufrechten Gang und ihre Überzeugung lieber die Heimat hinter sich ließen als in Demut vor der Obrigkeit zu buckeln. Insofern ist dieses Stück altes Papier ein kleines Lehrstück für die Wirrnisse des Lebens. Und eine Mahnung, dass wir uns immer gegen die engagieren, die uns den Mund verbieten wollen. Denn Demokratie und Freiheit sind nicht selbstverständlich. Ein Blick in die Bücher und Schriften Börnes lohnt sich auch deshalb immer. Er hat über den Vorfall auch eine herrliche Satire geschrieben. Außerdem sind seine Reportagen und Feuilletons stilistisch ein Genuss.
Weitere Fundstücke im Antiquariat:
Walter Mehrings Autograph
Ludwig Börnes Verhaftung
Kostbarkeiten bei Alfred Polgar
Ein Theaterzettel von 1931
Die Verlustanzeige von Karl Frucht
Andreas Oppermann erinnert 1860 an Palermo