Wählen macht glücklich

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Manche sind aufgeregt. Andere ganz souverän. Und die nächsten sind unsicher, wollen gern erklärt bekommen, wie das mit den drei Stimmen bei den Kommunalwahlen funktioniert. Die Wähler im Wahllokal II in Eichwalde sind ganz unterschiedlich. Sie kommen mit Kindern oder alleine. Sie begleiten ihre Eltern oder als Ehepaar sich selbst. Sie tragen kurze Hosen mit weißen Socken und Sandalen oder hohe Absätze zum engen Rock. Sie bilden tatsächlich die Vielfalt der Menschen des Ortes ab. Aber bei aller Verschiedenheit eint sie doch etwas: eine gewisse Ernsthaftigkeit.

Der Ratssaal der Gemeinde ist an diesem Sonntag zum Wahllokal umgestellt worden. Europawahlen, Kreistagswahlen und Gemeinderatswahlen finden statt. Das Wetter ist schön, im Laufe der Stunden wird es in ihm auch immer wärmer. Und die Wähler lassen sich Zeit. Sie lesen sich die Namen auf den Listen durch. Sie wollen von der Möglichkeit, unterschiedliche Kandidaten wählen zu können, Gebrauch machen. Wenn sie die Wahlkabine verlassen, sind die meisten noch immer etwas angespannt. Wenn sie die Stimmzettel, dann noch ein weiteres Mal gefaltet haben, damit sie durch den Schlitz der Wahlurne passen, entspannen sie sich etwas. Und wenn die Stimmzettel dann alle drei in die richtige Urne gesteckt wurden, dann macht sich ein Lächeln in ihren Gesichtern breit. Alle, wirklich alle Wähler dieses Wahllokals II lächeln nach der Stimmabgabe. Alle spüren offenbar vor der Stimmabgabe eine gewisse Ernsthaftigkeit, die sich mit der Stimmabgabe in Zufriedenheit auflöst. Oder sogar in so etwas wie Glück. Zumindest für einen Moment.

Warum wählst Du?

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„Was machst Du da?“
„Kreuze. Heue darf ich sieben machen.“
„Warum machst Du Kreuze?“
„Weil ich wähle.“
„Warum wählst Du?“
„Weil wir mitbestimmen dürfen.“
„Aber Du bestimmst doch immer alles.“
„Es geht nicht um zuhause. Es geht um die Gemeinde und um Europa.“
„Was ist Europa?“
„Das sind ganz viele Länder. Und die gehören alle zusammen. Und die Erwachsenen in den Ländern dürfen alle wählen, um zu bestimmen, was in Europa passieren soll.“
„Hm. Dann will ich auch bestimmen.“
(Dialog von Vater und dreijährigem Sohn im Wahllokal)

Feuchte Hände im Wahllokal

Bei einer Wahl ist das ganze Volk zu besichtigen. In der Loge sitzen die Wahlhelfer. An ihren Tischen flanieren Mitbürger vorbei, die das ganze Jahr nicht zu sehen waren. Aber für die meisten Menschen ist das Ereignis weit mehr als das Einwerfen eines Stück Papiers in einen Plastik­behälter.

Da ist der Erstwähler, der cool seinen Ausweis zückt, um sich fürs erste Mal zu registrieren. Doch als er den Wahlzettel in die Urne stecken will, knickt der um, will einfach nicht rein. Mit jedem Versuch, den Stimmzettel durch den Schlitz zu bugsieren, verfärbt sich sein Gesicht stärker ins Rot. Ist ja auch zu dumm, wenn man beim ersten Mal auf Ratschläge eines väterlichen Typs hören muss.

Oder das alte Ehepaar. „Vati, hast auch Deine Brille dabei?“ Schon steht eine ältere Dame hinter ihm in der Wahlkabine. Auf den Hinweis, dass die Wahl auch für Ehepartner geheim ist, folgt: „Da hast Du es Mutti. Ich kann das allein.“ Auch wenn er nicht allein an die Brille denken kann. Denn die braucht der alte Herr doch von seiner Frau.

Seit 15 Minuten sitzt der Mittvierziger auf dem kleinen Schulstuhl hinter der Sichtblende. Eigentlich muss er doch nur vier Kreuze machen. Warum dauert das so lang? „Ist jetzt die Erst- oder die Zweitstimme die wichtige?“, tönt es auf einmal aus der Kabine. Und als die Kreuze gemacht sind, sind seine Hände ganz feucht. So viele Parteien, so viele Kandidaten – und so viele Jahre, bis die Entscheidung korrigiert werden kann.

Das Problem hat die Mutter mit Baby nicht. Bei ihr muss es schnell gehen, denn als sie sich hinsetzt, fängt das Kleine an zu schreien. Während für sie die Wahl ganz wichtig ist, erzeugt die Politik bei ihm Verdruss. Aber für die meisten ist das Wählen etwas Besonderes. Viele sind schick angezogen. Andere unterbrechen die Radtour. Allen gemein ist ein Gefühl für den außergewöhnlichen Moment, in dem sie zum Souverän werden, der entscheiden darf.