Orhan Pamuk langweilt mit seinen Erinnerungen an Istanbul

Es gibt Bücher, die soll man lesen. Viele Kritiker behaupten das von Orhan Pamuks „Istanbul“. Es ist ja das erste Buch, das auf Deutsch erschienen ist, seit der Mann aus Istanbul Literaturnobelpreis-Träger ist. Aber wie im richtigen Leben, so ist es auch hier: Nicht alles, was man soll, ist auch sinnvoll.

Die knapp 400 Seiten hätten ohne Probleme auch auf 250 bis 300 gepasst. Die strenge Chronologie entlang Pamuks autobiografischen Verlaufs sorgt für stete Wiederholungen. Und mit Verlaub: Das langweilige Leben des wohlhabenden Orhan Pamuk ist auch kein Stoff für dicke Bücher. Insgesamt ist das schade. Denn Pamuk kann schreiben – und Istanbul ist eigentlich eine spannende Stadt.

Orhan Pamuk: ISTANBUL – ERINNERUNGEN AN EINE STADT. HANSER VERLAG. 25,90 EURO.

T.C. Boyle ist in Talk Talk auf Identitätssuche

Datenschutz ist ein großes Thema, das leider kaum jemanden interessiert. T.C. Boyle (57) hat mit seinem neuen Roman ein spannendes Plädoyer für einen sorgsamen Umgang mit den eigenen Daten vorgelegt: einen Thriller um Identitäten.

Dana Halter wird auf dem Weg zum Zahnarzt festgenommen. Die taube Lehrerin versteht die Welt nicht mehr. Denn sie wird übers Wochenende nicht freigelassen. Sie sitzt in einem Bezirksgefängnis mit Nutten und Verbrecherinnen. Ihr Problem: Es gibt eine Reihe von
Haftbefehlen gegen Dana Halter aus den verschiedensten US-amerikanischen Bundesstaaten.

Ihr wird langsam klar, dass sich ein anderer ihrer Identität bedient, um auf ihre Kosten zu leben, in ihrem Namen Geld zu hinterziehen, kurz: in ihren Namen ein süßes Leben zu führen. Dana und ihrem Freund Bridger glaubt zunächst niemand. Zu eindeutig ist die Beweislage auf dem Papier. Doch die beiden machen sich auf die Suche nach dem Menschen, der sich als Dana Halter ausgibt. Und tatsächlich können sie ihn ausfindig machen. Doch der Mann, der den Namen der Frau angenommen hat, begibt sich auf
die Flucht. Dana und Bridger folgen ihm durch die ganze USA.

T.C. Boyle hat schon wieder einen Roman geschrieben, den man nicht aus der Hand legen will. Talk Talk ist das englische Wort für Gebärdensprache. Mit ihr verständigen sich Dana und Bridger. Auf einer anderen Ebene erschließen sie den Talk Talk des Identitätsdiebes
mit den Kreditkartenanstalten, die ihm sein luxuriöses Leben auf Kosten ganz anderer Menschen ermöglichen. Immer abwechselnd lässt Boyle Dana und Bridger und den Dieb
auftreten. Auf einer übergeordneten Ebene kommunizieren sie über den Leser miteinander. Der Leser selbst rutscht in die Rolle eines Mittlers, der immer tiefer ins Geschehen verstrickt wird, weil er sowohl die Sicht der Dinge aus der Perspektive der einen und des anderen kennt.

T.C. Boyle hat ein packendes Buch über ein aktuelles Thema geschrieben. Er hat ein Gespür für Themen – und vor allem die Gabe fürs Erzählen. Auch ohne Mord und
Totschlag erzeugt er mit einfachen, aber effektiven erzählerischen Mitteln Spannung, die angesichts des Umgangs mit Daten im Internet-Zeitalter echte Beklemmung auslöst.

Ein Krimi über die Genies der Welt

Simon Singh: Big Bang
Simon Singh: Big Bang

Entweder die Naturwissenschaften haben einen gepackt oder man traut sich nicht an sie heran. Schon in der Schule gibt es diese klare Aufteilung: Auf der einen Seite die Schüler mit dem Hang zu Mathe, Physik und Co., auf der anderen die, denen Rechnen suspekt bleibt. Aber auch die werden von Simon Singhs neuem Buch gepackt.

In den USA gibt es Bundesstaaten und Landkreise, in denen die Evolutionstheorie nicht in der Schule gelehrt wird. Dort gilt das Wort Gottes aus der Bibel als die unumstößliche Wahrheit. Die Fortschritte der Naturwissenschaften werden glatt geleugnet. Simon Singh (41) hat in seinem Buch „Big Bang “ die Geschichte dieser Fortschritte aufgerollt. Und erzählt uns Heutigen, dass auch hier in Europa vor 100 Jahren noch viele Wissenschaftler an die Existenz des Äthers und andere eher religös inspirierte Erklärungsmuster der Welt glaubten.

Dabei gelingt es Singh, wie schon in „Fermats letzter Satz“, die komplexen Gesetze der Naturwissenschaften gut verständlich zu erklären. Große Vorkenntnisse sind dazu nicht nötig. Nur ein kleines bisschen von der Neugier, die die alten Griechen, die Keplers, Galileis oder Einsteins dieser Welt hatten, sollte der Leser schon mitbringen. Dann nimmt ihn Singh an die Hand und arbeitet sich durch die Geschichte der Erklärung des Weltalls. Das liest sich mitunter wie ein Krimi. Ergänzt wird der Text stets durch Grafiken, die wichtige Fortschritte in der Erforschung der Welt erklären. Da können die ganz Begeisterten auch schon mal nachrechnen. Eigentlich ist es sehr erstaunlich, wie wenig die meisten Menschen auch heute noch über dieses Kapitel Geschichte wissen. Selbst das Einstein gewidmete vergangene Jahr konnte nicht so viel zur Aufklärung beitragen.

Singh berichtet von den Fortschritten, dem Genie einiger und der Skepsis der Masse. Dieses Spannungsfeld existiert auch heute noch. Nur wird die Zahl derer, die etwas verstehen, immer kleiner. Es sei denn, ganz viele lesen Simon Singh.

SIMON SINGH: BIG BANG – DER URSPRUNG DES KOSMOS UND DIE ERFINDUNG DER NATURWISSENSCHAFT. HANSER. 24,90 EURO