Kurban Said schrammt die Kitsch-Grenze

Kurban Said: Das Mädchen vom Goldenen Horn
Kurban Said: Das Mädchen vom Goldenen Horn

Er steckt an, dieser Kurban Said alias Essad Bey alias Lew Noussimbaum.Wer seine Biografie kennt und das bekannteste Buch von ihm, „Ali und Nino“ gelesen hat, will mehr von ihm lesen. Und mehr über ihn wissen. „Das Mädchen vom Goldenen Horn“ ist ein weiterer Liebesroman, der sich mit den unterschiedlichen Vorstellungswelten in Orient und Okzident auseinandersetzt.

Der Roman spielt nach dem Untergang des Osmanischen Reiches. Asiadeh ist die Tochter eines vormaligen Ministers. Sie lebt mit ihrem Vater in Berlin und studiert die Sprachen, die im einstigen Großreich des Goldenen Halbmonds gesprochen wurden. Vater und Tochter trauern Istanbul nach. Aber Asiadeh lässt sich dennoch auf einen jungen Arzt aus Wien ein, der ihr den Hof macht und sie schließlich heiratet. Das geht für die junge Frau aber erst, nachdem sie der Mann, dem sie einst versprochen worden war, freigibt.

Der lebt als Drehbuchautor in New York und ist eigentlich ein türkischer Prinz. Spätestens jetzt wird klar, dass der Roman erhebliches Kitsch-Potenzial enthält. Doch wie so oft liegt es am Autor, ob der Kitsch zu einer klebrigen Soße wird, oder ob aus dem Kitsch ehrliche Gefühle und etliche kluge Gedanken destilliert werden. Kurban Said beherrscht das Destillieren. Das liegt an seiner klaren Sprache. Er hat es nicht nötig Gefühle durch Adverbien zu erzeugen. Seine Sätze sind Beobachtungen der Figuren, die diese nachvollziehbar beschreiben. Seine intimen – in diesem Fall trifft dieser Begriff es wirklich – Kenntnisse von Orient und Okzident verblüffen den Leser immer wieder mit ihren modernen und nach wie vor gültigen Erklärungsmustern. Bei Kurban Said taucht man in einen Orient ein, den es so nicht mehr gibt, dessen mentale Grundlagen aber auch heute noch vielfach anzutreffen sind.

Natürlich begreift der Prinz irgendwann, dass sein Leben voller Alkohol und Filmen leer ist. Diese Leerstelle soll Asiadeh füllen. Da ist viel vorhersehbar. Und dennoch legt man das Buch am Ende zur Seite und bereut die Lektüre nicht. Als das Buch Ende der 1930er-Jahre erschien, hatte Lew Noussimbaum schon etliche Jahre in Berlin, Wien und New York verbracht. Seine Beobachtungen des Lebens und der Lebenslügen der Menschen sind das Nachhaltige. Und die Modernität. Zwar werden noch keine SMS verschickt, aber Telegramme können die gleiche Wirkung entfalten.