Erich Kästner hat nicht nur viele Jahre in Berlin gelebt. Er hat Berlin auch zum Ort einiger seiner Romane gemacht. „Emil und die Detektive“ spielt in der Hauptstadt, „Pünktchen und Anton“ und der Roman „Fabian“ machen die Stadt nicht nur zum Handlungsort, sondern fast schon zu einem Akteur. Der Berliner Publizist Michael Bienert, der sich selbst „Berlinologe“ nennt, weil er schon viel über die Hauptstadt geschrieben hat, macht sich in seinem neuen Buch auf Spurensuche. Er hat seinen Kästner genau gelesen – und zeigt dem Leser jetzt, was der mit Berlin zu tun hat.
Bienerts Trick ist es, Kästners Texten sehr viel Raum zu geben. Wir lesen Auszüge aus den Romanen, aus Briefen und journalistischen Texten. Und wir werden von Bienert an die Hand genommen, um die dort beschriebenen Orte quasi besichtigen zu können. Uns werden Fotos gezeigt, die uns den Ort zu Kästners Zeit und in der Gegenwart zeigen. Das allein lohnt sich schon sehr. Vor allem, weil es Bienert gelingt, Kästners Texte mit viel Wissen um das Berlin der 1920er-Jahre anzureichern. Es entsteht ein organischer Text aus Zitaten und Einordnungen. Wunderbar ist beispielsweise die Schilderung der Verfolgungsjagd von Emil durch Berlin. Bienert beschreibt diese wunderbar packend und eindringlich – und mit seinen Bildquellen wie den Fotos von der Litfaßsäule, die auch auf dem berühmten Buchcover abgebildet ist, auch enorm anschaulich.
Jedes Kapitel des Buches endet mit einem alten Stadtplan Berlins, in dem die zuvor anhand Kästners Texten beschriebenen Ort eingezeichnet sind. Insofern kann man das Buch auch nutzen, um sich auf thematische Stadterkundungstouren zu begeben. Schön ist etwa die Tour durch das alte Presseviertel Berlins. In diesem Titel werden nicht so bekannte Texte Kästners zitiert. Etliche Zeitungsbeiträge, Gedichte und Briefe Kästners an seine Mutter beleuchten Aspekte seines Lebens, die in den Romanen keine Rolle spielen. Insofern lädt das Buch Bienerts nicht nur dazu ein, Berlin anders zu entdecken, sondern auch, den Kästner aus dem Bücherregal zu holen und neu zu lesen. Das lohnt sich auch. Und zwar immer.