Dieser Tomatensalat mit Stangensellerie, Koriander, Petersilie und etwas Minze. Er schmeckt wie in den Lokalen in der Türkei. Die Kellner in schwarzem Hemd und schwarzer Hose bewegen sich wie ihre Kollegen in der Türkei. Der Chef, so um die vierzig, mit schwarzer Hose und weißem Hemd, plaudert, kassiert und gibt Anweisungen wie in der Türkei. Alles im „Urfa Sofrasi“ in Hannover ist wirklich so, wie in den trubeligen Restaurants in Anatolien. Die Gäste und die Kellner sprechen alle Türkisch, selbst die Speisekarte ist wie jene für Touristen: erst Türkisch und dann in kleineren Buchstaben Deutsch – mit Bildern, die zeigen, was man nach der Bestellung auf dem Teller haben wird.
Der Mann, der mir am Tisch gegenüber sitzt, zieht beim Bezahlen die Scheine aus der Hosentasche, als würde sich die Szene in der Türkei abspielen. Und die Frauen sind teils mit und teils ohne Kopftuch, so wie es in Urfa wohl auch wäre. Alle essen mit Freude, parlieren mit Lautstärke, zeigen sich Bilder auf ihren Handys und trinken Tee, Ayran oder Cola – aber kein Bier. Mit dem Schritt in das „Urfa Sofrasi“ wechselt man von Hannover in die Türkei.
Ich fühle mich so in die Türkei versetzt, dass ich fast erschrecke, als ich auf Deutsch angesprochen werden. Als man wissen will, was ich von Erdogan und den Demonstranten halte? Ob es mir schmeckt? Ob ich schon einmal in der Türkei war? Und wo? All das wurde ich auch in der Türkei schon viele Male gefragt. Und so bin ich hier Mitten in Hannover doch in der Türkei. Und genieße das Essen, freue mich über die Gastfreundschaft und denke an Lokale in der Türkei, die ich alleine, zu zweit oder in Begleitung ganzer türkischer Familien besucht habe. Spüre Erinnerungen nach und frage mich, wie es denn jetzt in Istanbul wäre, am Taksim oder in dessen Nähe? Und was all die Schüler und Lehrer wohl davon halten, wie die Regierung Erdogan im ganzen Land die Jugend niederknüppeln lässt?