So modern ist Ankara. Und so rückständig. Ein Fußmarsch durch die Stadt führt von den großen Einkaufsstraßen, den weltoffenen Kneipenvierteln bis hinauf auf die Zitadelle. Da wo, der Tourist den Rummel, der allerorten um ihn gemacht wird, am ehesten erwartet, findet er Anatolien: Niedrige, kleine Häuser. Enge Gassen und spielende Kinder. Kopftücher allerorten und frisch gewaschene Unterwäsche gleich unter der türkischen Fahne, die den höchsten Punkt der Zitadelle krönt.
Der Abstieg die vielen hundert Stufen oder die Straßen hinab entscheidet, ob man nach Europa oder nach Kleinasien gelangt. Wer die Treppen wählt, kommt zwar auch in einen alten Stadtteil, der nicht europäisch wirkt. Aber hier passiert etwas Neues. Handwerker sanieren und restaurieren Altbauten. Hier wird nicht mehr weggerissen, was aus Lehm und Holz gebaut wurde, sondern es wird bewahrt. Vielleicht gibt es genau hier in einigen Jahren das, was wir Europäer so lieben: eine malerische Altstadt, die seit Beginn der jeweiligen Stadtgeschichte nie so farbig und aufgeräumt und geruchsneutral war.
Erstaunlich ist auch der Atatürk-Kulturpalast. In ihm wuselt es vor Menschen. Sie alle sind auf der Suche nach echten türkischen Waren. Denn heute ist hier ein Handwerkermarkt. Alles hat Tradition. Von den Lebensmitteln über die handgewebten Schals bis hin zu Ohrringen mit türkischem Türkis oder traditioneller Keramik aus Kütahya. Und alles ist günstig. Das fachkundige Publikum prüft, riecht, fühlt. Ganz so, wie es sich für einen Basar gehört.
Schräg gegenüber spielt Genclerbirligi Ankara in der Süperlig. Der Jubel der Fans ist weihin hörbar. Aber leider gibt es keinen Zugang zum Stadion. Hier kommt man nur mit Ticket weiter. Dafür fluten die Fans anschließend die U-Bahn. Überall Gesang. Alles voll latenter Agression und verschmitzter Freude. Kein Wunder: Das Durchschnittsalter ist unter 20. So wie überhaupt vor allem junge Gesichter auf den Straßen sind. Diese Stadt ist zwar riesig und in sich zerrissen. Aber die Jugendlichkeit der Bewohner eint sie.