Er heißt nur der Krutzler. Niemand spricht anders von dem Mann, der die Wiener Unterwelt zusammen mit seinen Freunden in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg beherrscht. Der Krutzler ist der, um den sich alles dreht. Er selbst hat so schwere Knochen, dass Leichtigkeit gar nicht zu ihm passt. Deshalb ist er auch im Zentrum – und seine Freunde, seine Geschäfte, seine Opfer drehen sich alle um ihn. Der Krutzler hat zwar Menschen auf dem Gewissen, aber vom Mordvorwurf wird er immer frei gesprochen. Denn er handelt nur aus Notwehr – selbst wenn die Notwehr gar keine ist.
Schlagwort: Österreich
Eine Neuübersetzung bringt uns den guten Soldaten Svejk noch näher
Fast 900 Seiten hat die Neuübersetzung des Svejk. 900 Seiten Schelmenroman aus der Zeit des 1. Weltkriegs. Eine unglaubliche Fülle an Absurditäten aus der Welt der Habsburger Doppelmonarchie. Jaroslav Hasek, der freundliche Trinker aus Prag, hat in diesem Roman die Absurdität des Krieges und der Bürokratie beschrieben. Als subversiver Akt des Widerstandes gegen die österreichischen Herrscher und die Obrigkeitsgläubigkeit eines Apparates, der ohne Befehl und Gehorsam nicht auskommt, wohl aber ohne gesunden Menschenverstand.
Karl-Markus Gauß zeigt uns sein Leben und Denken im Alltag der Welt
Karl-Markus Gauß denkt weiter. Und er schreibt seine Gedanken weiter auf. „Der Alltag der Welt“ ist schon das fünfte Buch, das weder eine Sammlung von Essais, noch eine Autobiographie ist. Vielmehr ist es beides und noch viel mehr. Eine Sammlung seiner Gedanken über den Alltag und das Leben, über die Politik und das Denken.
Richard Wagner lockt nach Habsburg – in Bibliothek einer verlorenen Bibliothek
Alles, was sich mit Habsburg verbindet, ist Erinnerung. Die vor knapp 100 Jahren untergegangene Doppelmonarchie hat statt eines riesigen Vielvölkerstaates nur einen Rumpf namens Österreich und eine Reihe anderer Staaten hinterlassen. Und Erinnerungen in Büchern, in Steinen und Gebäuden, in Gerichten und Kaffeehauskultur. Habsburg lebt also weiter. Richard Wagner, der Banat-Deutsche Schriftsteller, der in Berlin lebt, hat eine „Bibliothek einer verlorenen Welt“ erfunden – und Habsburg damit ein literarisches Denkmal aus Essais, Gedankensplittern und realen Büchern aus der untergegangen Welt erdacht.
Ein bisschen erinnert das Buch an Walter Mehrings Autobiografie „Die verlorene Bibliothek„, in der anhand der beschlagnahmten Bibliothek des Vaters eine Kulturgeschichte seiner Zeit erinnerte. Ganz ähnlich geht Wagner vor. Anhand von realen Büchern und einem enormen historischen Wissen begeht er die literarischen Räume der Vergangenheit. Dabei stellt er uns natürlich Franz Kafka und Joseph Roth vor. Aber auch Leo Perutz, Karl Emil Franzos und vor allem auch Bücher und Autoren, die in den anderen Sprachen des Vielvölkerstaates schrieben. So entsteht – in Kombination mit Rezepten typischer Gerichte, die es in abgewandelter Form in allen Kaffeehäusern des ehemaligen Reiches noch heute gibt – ein sinnliches und literarisches Gesamtbild dieses Habsburgs.
Richard Wagner gelingt es, viele Traditionsstränge bis in die Gegenwart zu ziehen. Seine oft kurzen Texte sind Gedankenblitze, die das Gesamtbild erhellen und beleuchten. Von besonderem Interesse sind die Verweise, die auf die Nationen verweisen, die neben den Deutschen in der Doppelmonarchie lebten. Nur bei den Ukrainern verlässt Wagner der kritische Geist. Ihnen spricht er eine nationale Eigenständigkeit ab. Er betont den Beginn der russischen Geschichte mit dem Kiewer Rus – und damit das Recht Moskaus noch heute über die Ukraine herrschen zu wollen. Das aber ist erstaunlich unhistorisch in diesem so historischen Buch. Mit einer ähnlichen Begründung müsste Kaliningrad schleunigst wieder deutsche werden. Immerhin ist Königsberg der Ausgangspunkt des preußischen Königtums. Oder große Teile Russlands müssten Litauen zugeschlagen werden, denn die Herrschaft der Litauer reichte einst bis weit über Weißrussland und die Ukraine hinaus. Richard Wagner konterkariert mit dem Teil über die Ukraine den Ansatz seines ganzen Buches. Da ist doppelt ärgerlich. Zum einen, weil es schlicht falsch ist. Zum anderen, weil der Rest des Buches wunderbar ist.
Norbert Gstrein sucht den Anfang des Gerüchts
Am Anfang ist nur ein Gerücht. Und doch kann dieses Gerücht das ganze Leben des Lehrers, aus dessen Perspektive Norbert Gstreins „Eine Ahnung vom Anfang“ geschrieben ist, in Frage stellen. Tatsächlich wird auf dem Bahnhof der österreichischen Provinzstadt eine Bombe gefunden. Aber wer sie deponiert hat, ist keinesfalls bekannt. Nur Erinnerungen an einen ehemaligen Schüler, der anders war als die anderen Schüler. Genau deshalb trauen ihm viele im Ort die Tat – die letztlich nicht ausgeführt wird – zu.
Bei Wolf Haas ist auch die Missionarsstellung aufregend
Die Missionarsstellung zählt ja nicht gerade zu den aufregendsten Möglichkeiten der Kopulation. Aber wenn sie mit Durchbrennen oder Fremdgehen verbunden ist, kann sich das wohl ändern. Und wenn Wolf Haas, der österreichische Autor, der vor allem für seinen Kommissar Brenner bekannt ist, darüber schreibt, dann klingt schon der Titel „Verteidigung der Missionarsstellung“ vor allem nach Ironie und doppeltem Boden.
Wasser im Salzburger Land
In den Alpen ist das Wasser mindestens genauso faszinierend wie die Berge mit ihren schroffen Gesteinsormationen. Vom Schmelzwasser am Gletscher, deren Rinnsale anfangs unter dem Schnee fließen, dann immer größer und breiter werden, ganze Felsen mit einem dünnen Wasserfilm bedecken, um dann zu Bächen und Flüssen zu werden. Davor fließen sie an manchen Bergen in Tümpel und Seen, in Stauseen oder direkt durch eine schmale Klamm ins Tal. Das Wasser in all seinen Formen ist das beste Argument, um Kinder zum Bergwandern zu animieren. Es bietet Abwechslung und Abkühlung. Und in all seinen Ausformungen will es ständig angesehen und irgendwie auch bewundert werden. So wie diese Bilder aus dem Salzburger Land, von den Hohen Tauern, den Krimmler Wasserfällen, der Salzach oder der Klamm in Kaprun.
Das Kraftwerk Kaprun fasziniert mit Natur und Technik
70 Meter ist Staumauer des Mooserbodenseess an der Basis dick. 107 Meter ist die fast 500 Meter lange Staumauer hoch. Ein gewaltiges Bauwerk mitten in den Bergen, das sich einfügt, als gehöre es hier her. Um zum Moserbodensee zu kommen, fährt man kilometerweit durch Tunnel mit dem Bus. Allein diese fast halbstündige Fahrt lohnt den Ausflug in Österreichs Technikgeschichte schon. Denn die Tunnel werden durch grandiose Ausblicke abgelöst, wenn der Bus ins Freie kommt. Etwa an der Staumauer des Limbergsees, der unterhalb des Moserbodens liegt. Beide zusammen bilden ein gigantisches Pumpspeicherkraftwerk.
Geplant wurde die grandiose Anlage schon in den 1930er-Jahren. Angefangen wurde sie von den Nazis, Dutzende Zwangsarbeiter starben dabei. Fertig gestellt wurde das Kraftwerk Kaprun dann nach dem 2. Weltkrieg mit Mitteln des Marschall-Fonds. Damals produzierte es so viel Strom, dass fast ganz Österreich damit versorgt werden konnte. Heute ist es nur eines von vielen Wasserkraftwerken, die aus Schmelzwasser gespeist werden. Was in den 1950er-Jahren genügte, um ein Land zu versorgen, ist heute angesichts unseres Stromverbrauchs nur ein kleiner Baustein zur Versorgungssicherheit.
Während man auf der Staumauer vor allem von der großartigen Natur gefesselt ist, bekommt man im Innern einen ganz eigenen Eindruck von der Wucht des Bauwerks. Der Gang zieht sich im engen Stollen, der Blick in die Tiefe der Mauer in einem Leiterweg nach unten findet keinen Halt. So tief ist die Basis. Selbst die Beleuchtung wird auf dem Weg nach unten verschluckt.
Der Stausee selbst ist schön. Auch die Mauer ist ein gelungener Eingriff in die Natur. Beides ist zwar gewaltig, aber angesichts anderer Formen Energie zu erzeugen, eine fast schon harmonische Veränderung. Im Vergleich zu den Tagebaulöchern, die irgendwann auch mit Wasser gefüllt sein werden, zeugt die Idee der Stauseen von Nachhaltigkeit. Sie füllen sich jedes Jahr wieder mit Schmelzwasser, das ins Tal fließt. Solange es noch Winter und Schnee und Gletscher gibt, wird das funktionieren. Der Mann von den Verbundwerken, der uns durch die Mauer führte, geht davon aus, dass dies noch gut 100 Jahre klappen könnte. Dann gibt es keine Gletscher mehr. Schuld daran ist nicht die Wasserkraft, sondern die Kohlenverfeuerung, das Verbrennen (russischen) Erdgases oder (arabischen) Öls.
Steinstapel am Medelzkopf
Der Medelzkopf am Weißsee Gletscher ist ein gigantischer Geröllhaufen. Andere Gipfel sind ein einziger Felsblock. Der Medelzkopf ist wie eine Aufschüttung von großen und kleinen Steinen. Das inspiriert die vielen Besucher, die von der Seilbahn und dem Sessellift in die Höhe gebracht werden. Und so stapeln sie überall Steine zu kleinen Haufen oder zu filigranen Gebäuden. Pyramiden und Skulpturen ziehen die Blicke der Kletterer, Wanderer und Seilbahn-Touristen an. Eine ganz eigene Kommunikation zwischen den natürlich aufgehäuften und den von Menschen gestapelten Steinen und Felsen entsteht so, der man sich nicht entziehen kann. Weil man ganz automatisch Teil dieser Zwiegespräche wird.
Salzburger Land – ein inzwischen kulinarisch ödes Land
Denk ich an Österreichs Küche, fließt mir das im Mund zusammen. All die verschiedenen Knödel, die wunderbaren Braten, die köstlichen Süßspeisen. Wenn ich aber im Salzburger Land nach Wirtschaften suche, dann finde ich nur noch wenige. Und die bieten nicht viel an. Und das, was sie anbieten, ist vor allem kurz Gebratenes mit Pommes. Zu einem guten Schnitzel mag das ja noch gehen – wobei feine Petersilienkartoffeln die besser Alternative wären. Aber warum muss die immer gleiche Beilage auch bei den anderen Gerichten serviert werden?
Die Speisekarten richten sich offensichtlich am Publikum aus. Und das will Pommes. Und keine Selchknödel mit Kraut und Soße. Oder Schweinsbraten mit Semmelknödel. Auch den Tafelspitz scheint es nicht zu mögen. Das ist traurig. Und für mich eine echte Enttäuschung. Zum Urlaub gehört auch die kulinarische Entdeckungsreise dazu. Wenn es aber nur Pommes gibt, dann reduziert sich der Genuss dramatisch. Oder er konzentriert sich auf die Süßspeisen, wenn es einen guten Kaiserschmarrn oder einen Strudel gibt.
Vielleicht hängt der verhängnisvolle Trend zu eintönigen Speisekarten aber nicht nur an den vielen Touristen aus Holland und Dänemark, sondern auch an den Wirten selbst. Die werden nämlich immer weniger. Die Kinder wollen die Betriebe oftmals nicht mehr übernehmen. Dann werden die Wirtshäuser verkauft, aus dem Saal werden Fremdenzimmer und der neue Eigentümer kommt am Ende auch von weit her. Dann fehlt ihm natürlich der Bezug zur regionalen Küche und ihren Köstlichkeiten. Mit viel Glück sorgen die Köche noch für Pinzgauer Kasnocken oder ein Tiroler Geröstl, aber alles, was mehr Aufwand kostet, können oder wollen sie nicht durchsetzen.
Es ist nicht im ganzen Pinzgau, wie oben beschrieben. Aber die Tendenz geht ganz klar in diese Richtung. Inzwischen gibt es Orte wie Piesendorf, in denen die einheimische Bevölkerung nicht einmal mehr eine Hochzeit feiern kann. Die Säle sind in Fremdenzimmer umgewandelt, andere Wirtschaften stehen leer und der Rest ist so auf Tourismus eingestellt, dass für eine Hochzeitsgesellschaft kein Platz mehr ist. Und so stirbt in einer Region, die vom Tourismus lebt, der Kern der alten Gastlichkeit so langsam aus. Was bleibt ist das Wiener Schnitzel, das es überall gibt. Aber nur mit Pommes. Und ganz oft auch fritiert. Wie furchtbar.