Kaminer und Rotfront machen Literatur nach Tönen

Kaminer und Rotfront im Festsaal Neukölln
Kaminer und Rotfront im Festsaal Neukölln

Rotfront und Bestuhlung, das ist ungefähr so wie Eisern Union im Maßanzug. Im Festsaal Neukölln stehen Stühle. Und Rotfront ist angekündigt. Normalerweise heizt die Band mit dem ersten, spätestens dem zweiten Song so sehr ein, dass der ganze Saal in Bewegung, ja in Wallung kommt. Und spätestens nachdem vierten Lied der Schweiß fließt. Aber hier in Neukölln stehen Stühle, soll man sich setzen, um Rotfront zu hören.

Jochen Arbeit lädt zum Träumen ein

Jochen Arbeit: Arbeit
Jochen Arbeit: Arbeit

Kammermusik für Rock-Instrumente könnte als  Untertitel unter Jochen Arbeits Soloalbum stehen. Der Gitarrist der Einstürzenden Neubauten (seit 1997) und früher bei „Die Haut“ hat auf seinem Album Musikstücke versammelt, die eigentlich für Film, Theater oder Werbung geschrieben wurden.

Eigentlich waren die Stücke dazu gedacht, zusammen mit ganz bestimmten Bildern gehört zu werden. Jetzt, wo die Töne nackte Musik sind, entfalten die Tracks eine eigene  Faszination. Die Bandbreite reicht von Sounds, die an Philip Glas erinnern bis hin zu elektronischen Fantasien. Wer die Augen schließt und nur einen Funken Fantasie hat, dem werden sich sehr schnell eigene Bilder vor dem inneren Auge formen.

Gerade die minimalistischen Stücke wie „Burlesque“ entfalten durch die steten  Wiederholungen der Melodienbögen diese Kraft, die Fantasie anzuregen. Ganz in der Tradition der „Einstürzenden Neubauten“ nutzt Jochen Arbeit nicht nur Instrumente.
Er erzeugt auch Klänge, die den normalen Musikbegriff erweitern. Etwa wenn im „Piece für Adidas“ aus einem Hauch langsam ein Klangbild entsteht, das die Waage zwischen  Anspannung und Ruhe hält.

Diese Rezension ist am 4. November 2008 in 20cent erschienen.