Wolke 4: Hymne für das Mittelmaß

Als ich das Lied das erste Mal hörte, hat es mir ganz gut gefallen. Und als bei einem Festival das gesamte Publikum den Refrain von Philipp Dittberner lauthals mitsang, war ich richtig erfreut. Aber je häufiger ich „Wolke 4“ im Radio höre, umso mehr ärgere ich mich über den Text.

„Ziemlich gut, wie wir das so gemeistert haben.
Wie wir die großen Tage unter kleinen Dingen begraben.
Der Moment, der die Wirklichkeit maskiert.
Es tut nur gut zu wissen, dass das wirklich funktioniert.“

Okay. Das klingt noch nach: Wir haben uns aber ganz schön toll zusammengerauft! Aber ist es wirklich so erstrebenswert, die großen Tage unter den kleinen Dingen des Alltags zu begraben? Begraben?  Es kann doch nicht schön sein, Freude, Lachen, Spaß, Lust und Liebe zu begraben! Wie groß muss die Depression sein, um „große Tage“ begraben zu wollen! Und dann weiter:

„Lass uns die Wolke vier bitte nie mehr verlassen,
Weil wir auf Wolke sieben viel zu viel verpassen
Ich war da schon ein Mal, bin zu tief gefallen.
Lieber Wolke vier mit Dir, als unten wieder ganz allein“

Hallo? Der Herr will nicht allein sein? Und dann ist es für ihn allemal besser, er findet eine Dame (oder einen anderen Herrn), die ihn schön in die Arme nimmt? Eine, die es aushält, dass der Gute schon mal richtig toll geliebt hat, dabei aber auf die Schnauze gefallen ist – und deshalb lieber das Mittelmaß bei ihr sucht, als die große Liebe?

„Hab nicht gesehen, was da vielleicht noch kommt.
 Was am Ende dann mein Leben und mein kleines Herz zerbombt.
 Denn der Moment ist das, was es dann zeigt, dass die Tage ziemlich dunkel sind.
 Doch Dein Lächeln bleibt. Doch Dein Lächeln bleibt…“

Das Herz des Kerls wurde zerbombt! Und jetzt sucht er Trost! Bei der Anderen, der zweiten Wahl, die dazu auch bitte unbedingt lächeln soll! Was ist das für ein weinerlicher und selbstgefälliger Kerl, der da vor sich hin singt? Und auch noch erwartet, dass die andere sich darüber freut, dass er sich in Zukunft dauerhaft bei ihr ausheulen will – und die Höhepunkte des Lebens lieber gleich begraben will anstatt sie zu feiern?

Kann es sein, dass sich noch niemand den Text wirklich angehört hat? Oder gelesen hat? Oder ist der Song von Philipp Dittberner die Hymne einer Generation (oder etwas kleiner: einer großen Gruppe) von lebensuntauglichen Muttersöhnchen, die ja nichts riskieren wollen?

 

Domowe Melodie berauschen mit Humor und viel Gefühl

Auf der Bühne sind sie furios, amüsant und voller Energie. Auf der CD steht bei den selben Songs die Schönheit im Vordergrund. Domowe Melodie spielen Chansons zwischen Jazz und Pop. Und das so schön, dass trotz der Sprachbarriere zwischen Polnisch und Deutsch ein Verstehen der Musik ganz leicht fällt.

Justyna „Jucho“ Chowaniak ist ganz eindeutig der Kopf der Kombo. Und das nicht nur, weil alle Stücke auf ihren Gesang ausgerichtet sind. Ihr Kopf, ihr Gesicht dominiert das Konzert. Sie verzieht es so, dass zwischen Lachen, Weinen und Wahnsinn fast alles möglich ist. So ausdrucksstark ist es, dass das gesamte Publikum im Frankfurter Kleist Forum gar nicht anders kann, als das Lachen, das Weinen, den Wahnsinn genauso zu empfinden. Und vor allem den, den Humor, mit dem sie mit ihren Kompagnons Staszek Czyżewski und Kubą Dykiertem nicht nur musikalisch kommuniziert, sondern vor alle mimisch.

Domowe Melodie ist eine echte Entdeckung links der Oder. Auf der anderen Seite sind die drei innerhalb nur zweier Jahre richtig aufgestiegen. Die ersten Lieder wurden noch im Wohnzimmer aufgenommen. Videos auf Youtube beförderten die Popularität, sodass die polnischen Besucher der Transvocale einige Lieder schon komplett mitsingen konnten. Und das völlig zu recht. Domowe Melodie ist eine echte Entdeckung. Schön wäre es, wenn sie auch in Deutschland ankommen könnten, zum Wohle und Amüsement des Publikums und der drei Musiker.

Mehring steuerte Lieder zum Film “Ein Mädel von der Reeperbahn” bei

1930 ist der Film “Ein Mädel von der Reeperbahn” von Karl Anton als deutsch-tscheslowakische Koproduktion erschienen. Walter Mehring hat dazu Lider beigesteuert. Auf dem Filmportal wird der Inhalt beschrieben:

“Der Leuchtturmwärter Uwe Bull lebt mit seiner Frau Hanne und dem stummen Gehilfen Jens in einer abgeschiedenen, kleinen Welt. Erotisches Knistern kommt in diese Welt, als eines Tages als einzige Überlebende eines Schiffsunglücks Margot angespült wird, ein flottes Mädel von der Reeperbahn. Uwe verfällt dem kecken Mädel bald mit Leib und Seele, und nach einem Streit zwischen Margot und Hanne will er seine Frau verlassen und eilt Margot hinterher. Aber dunkle Wolken ziehen am Himmel auf, und da Uwe sich nicht um den Leuchtturm kümmert, gerät ein Schiff in Gefahr. Hanne will hinauf zum Scheinwerfer, stürzt aber vom Geländer und bleibt an einem Balken hängen, der langsam nachgibt. Da erkennt Uwe die Gefahr, eilt zurück, rettet seine Frau und bleibt von nun an bei ihr.”

Unter anderem ist in dem Film “Der Seemannschoral” zu hören:

Wir haben die ganze Welt gesehn
— Die Welt war überall rund! –
Um alle paar Monat vor Anker zu gehn
Bei einem Mädchenmund!
Wir sahn eine Mutter in schneeigem Haar
— Die verkuppelte uns ihr Jöhr
Wir fraßen pfundweis den Kaviar
Direkt an der Quelle vom Stör!

Wir sahen Seeanemonen und Qualln,
Die schmückten Gebein und Gewand
Eines Matrosen, der war gefalln
Für irgendein Vaterland.
— Die Welt ist rund und klein!
Was kann sie dem Seemann noch sein?
In Hamburg an der Elbe
Gleich hinter dem Ozean
Ein Mädchen von Sankt Pauli
Von Sankt Pauli und von der Reeperbahn
Ein Mädchen, das bei Tag und bei Nacht
Bei jedem Kuß an uns nur gedacht
Ein Mädchen von Sankt Pauli
und von der Reeperbahn.

Der ganze Seemannschoral steht im Walter-Mehring-Blog…