Lynn Sherr feiert das Schwimmen in einer persönlichen Kulturgeschichte

Lynn Sher: SwimSie kann es nicht mehr lassen. Zwar ist Lynn Sherr Zeit ihres Lebens auch geschwommen, doch seit sie als Frau von fast 70 Jahren damit begonnen hat, sich auf eine Durchquerung des Hellespont vorzubereiten, ist das Schwimmen für sie immer wichtiger geworden. In ihrem siebten Lebensjahrzehnt hat sie daran gearbeitet, ihren Stil zu verbessern. Sie ist auf spezielle Trainigscamps gegangen, um bei großen Schwimmtrainern mehr über sich, über das Wasser und das Schwimmen zu erfahren. Und sie hat das alles in einer Kulturgeschichte des Schwimmens zwischen zwei Buchdeckeln zusammengefasst. Entstanden ist dabei ein Buch, das nicht nur Erstaunliches über das Schwimmen erzählt, sondern vor allem Lust darauf macht, ins Wasser zu springen und loszuschwimmen.

Ilja Ehrenburg bringt uns mit dem traurigen Lasik Roitschwantz zum Lachen

Ilja Ehrenburg: Das bewegte Leben des Lasik RoitschwantzLasik Roitschwantz ist ein Jude aus Homel. Sein ganzes Leben lang will der gelernte Schneider ankommen und ein ganz normales Leben führen. Und wenn das nicht klappt, dann wäre er schon mit regelmäßigen Mahlzeiten zufrieden. Aber Lasik Roitschwantz ist einer von denen, die in jedes Fettnäpfchen tappen, einer von denen, die stärkeren und mächtigeren Menschen den Spiegel vorhalten und deshalb aus deren Blick geräumt werden müssen.

Bora Cosic entdeckt für uns seine Kindheit in Agram

Bora Cosic: Eine kurze Kindheit in Agram Melancholie durchzieht jede Seite dieses dünnen Bandes. Bora Cosic teilt dieses Gefühl mit seinen Lesern. In „Eine kurze Kindheit in Agram“ erinnert er an die Stadt, die bei seiner Geburt 1932 noch nicht Zagreb war. Er lässt sich noch einmal ein auf diese Stadt, in der das untergegangene Reich der Habsburger noch immer lebt, obwohl die Stadt seit 14 Jahren Teil Jugoslawiens war.

„Faust I und II“ als pralle Musical-Oper am Berliner Ensemble

Programmheft von Faust I und II am Berliner Ensemble
Programmheft von Faust I und II am Berliner Ensemble

Es dröhnt beim Betreten des Zuschauerraums am BE. Mit lauter Musik – einer Mischung aus Techno und Rock – begrüßt das Berliner Ensemble das Publikum. Die Bühne ist nackt. Die Kabel und die Notleitern sind zu sehen. Und ein Ensemble, das wild durcheinander auf der Bühne tanzt. Schon dieser erste Eindruck macht klar, dass hier kein klassischer Faust-Abend droht. Stattdessen Schauspieler in Bewegung, die bis zur Selbstaufgabe Bilder zu Musik formen und dabei mit ihren Stimmen den alten Goethe als Lied mit voller Wucht vor dem Verstummen in Reclam-Heftchen oder repräsentativen Klassiker-Ausgaben bewahren.

Bruno Ziauddin seziert Roger Köppel und den Rechtsruck der „Weltwoche“

Bruno Ziauddin: Bad NewsEinen besseren Zeitpunkt zum Erscheinen dieses Buches kann es gar nicht geben. „Bad News“ von Bruno Ziauddin ist ein Schlüsselroman über den Rechtsruck der Zürcher „Weltwoche“. Es ist ein Roman über deren Chefredakteur Roger Köppel, der auch in deutschen Talkshows seinen verbrämten Rechtspopulismus gerne äußern darf. Und vor allem ist es ein hoch aktuelles Buch darüber, wie das sich das rechte Gift des Rassismus als vermeintlicher Tabubruch unter dem Motto „man wird ja noch sagen dürfen“ um sich greift. Ein Buch also, das es in sich hat.

Roland Schimmelpfennig und der „lonesome wolf“ in Berlin und Brandenburg

Roland Schimmelpfennig: An einem klaren...Roland Schimmelpfennig hat sich als Dramatiker einen enormen Ruf erworben. Das ist seinem ersten Roman anzumerken. Dramatischer und knapper lässt sich ein Tableau von Personen kaum denken, das noch dazu so konsequent der Idee des Buches folgt. Alles, was Romane ausmacht, findet man in „An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ nicht. Weder lange innere Monologe, intensive Landschaftbeschreibungen oder sich weit verästelnde Erzählstränge bietet Schimmelpfennig seinen Lesern an. Stattdessen: Kürze, Prägnanz, durchsichtige Konstruktion eines Beziehungsgeflechts.

Jan Beißen macht das Frankenderby zum Regionalkrimi

Jan Beißen: LokalderbyWenn der Club gegen Fürth spielt, dann ist das sehr viel mehr, als ein normales Fußballspiel. Es ist das traditionsreichste Derby schlechthin, auch wenn die Spiele nur noch in der 2. Liga stattfinden. Früher aber wurde bei diesen Spielen die Deutsche  Meisterschaft entschieden. Und zeitweise bestand die Deutsche Nationalmannschaft nur aus Spielern dieser beiden Vereine. Insofern bietet ein solches Spiel tatsächlich einen sehr guten Rahmen für einen Krimi.

Günter de Bruyn erzählt von der verhängnisvollen Altersliebe des Staatskanzlers Hardenberg

Günter de Bruyn: Die Somnambule oder Des Staatskanzlers TodGünter de Bruyn ist inzwischen 89 Jahre alt. Er lebt in der Nähe von Beeskow und schreibt noch immer. Gerade ist sein neues Buch erschienen:  „Die Somnambule oder Des Staatskanzlers Tod“. In ihm geht es um einen alten Mann, der sich noch einmal in eine junge Frau verliebt. Auch, weil er es nicht erträgt, alt zu werden. Ein Stoff, der in einer älter werdenden Gesellschaft sicherlich nicht außergewöhnlich ist. Aber weil es sich um eine wahre Geschichte handelt, hat sie einen ganz besonderen Reiz.

Sigismund Krzyzanowski und sein „Club der Buchstabemörder“

Sigismund Krzyzanowski: Der Club der BuchstabenmörderIm Moskau der 1920er-Jahre treffen sich Literaten jeden Samstag, um ihre Ideen auszutauschen. Der Ort ist eine Bibliothek mit leeren Regalen. Bücher gibt es für sie nicht mehr. „Der Club der Buchstabenmörder“ ist sich sicher, dass Buchstaben auf Papier Ideen nicht befördern, sondern töten. Und sie glauben zu wissen, dass echte Überzeugungen das Ende der Freiheit sind. Sigismund Krzyzanowski (1887 – 1950) entwirft ein Szenario des literarischen Austauschs in einer Diktatur, die das eigenständige Denken als Gefahr begreift.

Frank Witzel phantastische Reise in den Kopf eines depressiven Teenagers

Frank Witzel: Die Erfindung der RAF...Der Roman ist 800 Seiten dick – und das auch noch in einer kleinen Schrift. Wer sich auf „Die Erfindung der RAF durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ einlässt, muss also viel Zeit investieren. Da stellt sich schnell die Frage, ob sich das lohnt? Für all jene, die sich auf barocke Vielfalt bei Inhalt und Form einlassen können unbedingt. Und für all jene, denen Lesen mehr als ein netter Zeitvertreib ist, wird dieses Buch eine schier unglaubliche Fülle an Entdeckungen bereithalten.