Zensuren beim Jahresendkonzert der Grundschule Eichwalde

Jahresendkonzert 2012 der Grundschule Eichwalde
Jahresendkonzert 2012 der Grundschule Eichwalde

Die Kinder singen und alle freuen sich. Wenn die Grundschule zum Jahresendkonzert (es heißt tatsächlich so) lädt, dann überhören Mutter und Vater schon mal den nicht ganz getroffenen Ton. Dann singen die Kinder mit Inbrunst vor einem Publikum, das sich genau darüber freut, dass sie sich das trauen. Dieser doppelte Stolz von Kindern und Eltern ist mehr als nur schön –  er ist bereichernd und verbindend. Ja, er erzeugt so etwas wie ein Gefühl von Schulfamilie.

Wenn da nicht dieses Gerede von Zensuren wäre. Spricht man die Zuschauer mit „Sehr geehrte Damen und Herren“ oder „Hallo Leute“ an? Eine der Schüler-Modeatorinnen hat folgende Antwort: „Wenn es gut klappt, können wir doch gute Zensuren bekommen.“ Und gut klappt es natürlich nur, wenn es „Sehr geehrte Damen und Herren“ heißt. Was hat das Gerede von Zensuren auf einem Schulkonzert zu suchen? Warum wird das ganze dann später noch gesteigert: „Wenn wir ein Gedicht in Englisch aufsagen, können wir vielleicht zwei Zensuren bekommen!“. Eine für Vortrag und eine für Englisch!

Warum müssen die Kinder selbst an diesem Abend weit nach Schulschluss noch über Zensuren schwadronieren? In einem Moment, in dem auch schlechtere Schüler Anerkennung für ihre musikalische Darbietung bekommen. Dann, wenn weder Eltern noch Schüler – und hoffentlich auch die Lehrer – nicht an Noten denken?

Vielleicht war es ja nur ironisch gedacht? Aber selbst wenn das der Fall war, zeigt es doch, dass in der Wahrnehmung der Verantwortlichen dieser Grundschule Noten das wichtigste sind. Sonst gäbe es ja gar keinen Grund, das Thema in das Schulkonzert zu schleppen.

Das übrigens war schön. Auch wenn die Erwartungen auf ein weihnachtliches Konzert nicht erfüllt wurde. Dafür war von HipHop bis Adele und dem Cowboy Jim aus Texas eine enorme Bandbreite zu hören. Und ganz am Ende dann auch noch ein Weihachtslied, bei dem die ganze Halle mitsang.

Mein erster Wein

Der erste eigene Wein.
Der erste eigene Wein.

Das Aroma ist richtig blumig. Im Mund entfaltet sich ein erstaunlich breites Spektrum von fruchtigen Aromen. Angesichts der Traube, aus denen dieser Wein gemacht wurde, ist das nicht verwunderlich. Aber als ich den Ersten kleinen Schluck trinke, bin ich doch völlig überrascht.

Das liegt daran, dass dieser Wein mein erster selbst gemachter ist. Aus dem Hammelburger Weinstock, den wir vor acht Jahren pflanzten. Er rankt inzwischen halb um das Haus und hoch hinauf bis über Leos Fenster. Seine Trauben sind voll und schwer. Kurz vor der Reife verströmen sie einen muskatartigen Duft, der die ganze Terrasse erfüllt und durch die geöffneten Fenster in die Zimmer strömt. Genau nach diesem Duft schmeckt jetzt auch der Wein. Seine Aromen konnte ich also erhalten.

Trocken ist der Wein übrigens auch. Aber ich muss zugeben dass er noch nicht so richtig rund schmeckt. Das liegt vielleicht auch an den Trübstoffen. Selbst nach zweimal filtern sind immer noch Rückstände drin. Da werde ich für den Jahrgang 2013 wohl nachbessern müssen. Aber bis dahin wird der Heurige in kleinen Schlückchen getrunken. Und dabei wird gelesen. Nicht wie sonst schöne Bücher, sondern Ratgeber über Weinbau!

 

Schnittstellen in der Natur

Bei meiner externen Festplatte nervt die Schnittstelle. Ob es das Kabel oder die Buchse ist, weiß ich nicht. Sicher ist nur, dass ich nicht mehr an die Daten komme.

In der Natur finden sich auch ganz viele Schnittstellen. So wie hier im Wald auf Schmöckwitz-Werder. Sie zeugen davon, dass Schnitte mit Sägen oder Bruch durch Wind Bestehendes zerstört hat. Bei meiner Festplatte ist das nicht viel anders. Auch da existieren die Daten noch. Aber die kaputte Schnittstelle verhindert, dass ich an sie komme. Und so sind die Daten für mich das, was die Bäume, die es nicht mehr gibt, für die zurückgebliebenen Stümpfe sind: Erinnerungen an etwas Verschwundenes.

Fundstück im Antiquariat (4): Ein Theaterzettel von 1931

Theaterzettel der Aufführung der "Großherzogin von Gerolstein" vom 21. Dezember 1931
Theaterzettel der Aufführung der „Großherzogin von Gerolstein“ vom 21. Dezember 1931

Das DinA 5-Blatt ist eher unscheinbar. Allenfalls das vergilbte Papier weckt automatisch Interesse. Der Theaterzettel vom 21. Dezember 1931 wurde bei einer Aufführung der Jacques-Offenbach-Operette „Die Großherzogin von Gerolstein“ in der Berliner Volksbühne verteilt. Also Unterhaltung, die ganz nett sein kann. Aber dennoch bleiben die Augen genau an ihm haften. All die anderen werden zügig durchgesehen und weggelegt. Aber an genau diesem einen stoppt das routinierte Blättern.

Der zweite Blick offenbart es dann: Da steht Walter Mehring als Übersetzer. In der Gesamtausgabe wird das nicht erwähnt. Und auch sonst ist der Ausflug in die Operette nicht so geläufig. Die nächste Überraschung schlummert im Inneren. Denn das Blatt wirkt gar nicht so, als sei es gefaltet. Ist es aber! Und auf Seite drei steht dann sogar ein kleiner Text Mehrings, den ich auch nicht kenne!

Ein echter Fund also. Ein große Freude – und wieder einmal auch verwirrend. Denn just an einem 21. Dezember gilt es jedes Jahr einen wichtigen Geburtstag in der Familie zu feiern. Von einem Familienmitglied, das auch noch in Berlin auf die Welt kam.

Weitere Fundstücke im Antiquariat:
Walter Mehrings Autograph
Ludwig Börnes Verhaftung
Kostbarkeiten bei Alfred Polgar
Ein Theaterzettel von 1931
Die Verlustanzeige von Karl Frucht
Andreas Oppermann erinnert 1860 an Palermo

Saunieren in der Tattoos freien Zone

Die Hitze ist schweißtreibend. Das Tauchbecken radikal erfrischend. Und der Schnee rötet die Haut beim Abreiben belebend. So ist es in der Sauna in Wildau, so ist es auf dem Winter-Badeschiff oder in der Sauna im Stadtbad Neukölln. Und genau so ist es auch in der Therme Bad Aiblings in Oberbayern.

Aber hier, kurz vor dem Anstieg der Alpen am Wendelsteinmassiv, ist etwas anders. Hier wird nicht nur der Körper in wohliger Atmosphäre entspannt. In Bad Aibling wird auch das Auge entlastet. Zwar sind auch hier nicht alle nackten Körper ästhetische Highlights. Aber zumindest sind sie ohne Tattoos. Keine faltigen Bilder auf einst straffen Muskeln erregen Widerwillen. Keine Herzchen im Intimbereich, keine Totenköpfe auf Unterarmen oder magische Muster fremder Stammeskulturen auf Brust oder Rücken ziehen den Blick auf Hautpartien, die man gar nicht anschauen will. Der nackte Oberbayer ist offensichtlich mit sich und seiner Haut so zufrieden, dass er sie so hell und klar wie sie ist, ganz selbstverständlich (er-)  tragen mag.

Lütelmalerei in Berchtesgaden. Foto: Magnus Manske/Wikipedia.de
Lütelmalerei in Berchtesgaden. Foto: Magnus Manske/Wikipedia.de

Der Oberbayer malt sich nicht an. Wenn überhaupt, malt er sein Haus an, oder er schnitzt sich ein individuelles Muster ins Balkonholz. Und das schon seit Jahrhunderten. Seine Individualität malt er also auf Stellen, die jeder sehen kann. Aber er macht es so, dass die Bilder nicht mit dem eigenen Altern an Form und Fassung verlieren.

Ich persönlich finde das gut. Und wünsche mir viele Saunaabende in Wildau, auf dem Winter-Badeschiff oder im Stadtbad Neukölln, die meine Augen so entspannen wie in Bad Aibling. Aber das wird ein Wunsch bleiben. Leider.

Kochen für Antenne

Wettkochen für Antenne Brandenburg.
Wettkochen für Antenne Brandenburg.

Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt Fernsehkoch zu sein. Okay. Eher Radiokoch. Und das auch nicht live auf dem Sender, sondern nur auf einer Messe. Aber immerhin. Publikum ist auch da, bei meinem Kochen für Antenne. Menschen, die eine gute Stunde verfolgen, wie da zwei Medienmänner um die Wette Kürbissuppe zubereiten.

Offensichtlich übt es auf viele Menschen eine enorme Faszination aus, Männern – es sind fast immer nur Männer unter den Kochmützen – beim Zwiebeln schneiden, Gemüse anschwitzen, würzen und abschmecken zu beobachten. Und anschließend probieren sie ganz wohlwollend. Selbst wenn ihnen unbekannte Radiomenschen diese Suppe eingebrockt haben.

Ich muss zugeben, es fühlt sich recht gut an, in lockerer Atmosphäre für andere zu kochen. Schon beim Schälen der ersten Zwiebel weicht die Aufregung. Und es schmeichelt, wenn man als einigermaßen kompetent eingeschätzt wird. Applaus tut auch gut. Und von Minute zu Minute macht es immer mehr Spaß zu probieren, was sich aus den vorgegebenen Zutaten zaubern lässt. Aber warum dabei doch so viele zuschauen, verstehe ich nicht. Ein Tässchen Suppe als Belohnung kann es ja nicht sein. Aber man muss ja nicht alles verstehen. Manchmal ist es eh besser, zu genießen als zu verstehen. Beim Essen, beim Kochen und auch beim Arbeiten.

Aleppo in Zeiten des Krieges

Pass von Rudolf Tillmetz, ausgestellt vom Konsulat in Aleppo.
Pass von Rudolf Tillmetz, ausgestellt vom Konsulat in Aleppo.

Am 12. September 1917 bekam Rudolf Tillmetz (1880 – 1966) vom Auswärtigen Amt in Berlin den Auftrag, nach Aleppo aufzubrechen. Der Kunstmaler sollte an der Deutschen Schule unterrichten. Das Auswärtige Amt ordnete an, dass ihm alle Stellen dabei helfen sollten.

Seit drei Jahren führte das Deutsche Reich Krieg. Auch im Osmanischen Reich war es nicht mehr überall ruhig. Aber eine Stadt wie Aleppo schien auf jeden Fall sicherer und deutlich besser versorgt als München. Insofern war ein Engagement an der dortigen Schule ein gutes Angebot für den Bruder meines Urgroßvaters.

Heute ist wieder Krieg. Aber nicht n Deutschland – nur in Syrien. Der Chef des Auswärtigen Amtes ist mit Beschwichtigungen beschäftigt. Hilfe für jene, die seit 19 Monaten gegen den Diktator Assad kämpfen, gibt es von Guido Westerwelle nicht. Die Altstadt, die Rudolf Tillmetz kannte, gibt es wegen des Beschusses durch Assads Truppen von der Zitadelle aus – und durch die Luftwaffe – nicht mehr. Und unzählige Menschen, die auf die Unterstützung des Auswärtigen Amtes und des gesamten Westens gehofft hatte, sind gefallen.

Selbst am Ende des 1. Weltkrieges ging das Leben in Aleppo weiter – trotz des neuen Status als französische Kolonie. Die Stadt hat diesen Krieg überstanden. Rudolf Tillmetz auch. Seit vielen Jahren will ich Aleppo besuchen. Immer wieder hat es nicht geklappt. Vor 20 Jahren reichte es immerhin für Damaskus, aber nicht für Aleppo. Aleppo bleibt ein Traum. Inzwischen leider einer, der nie mehr so erfüllt werden kann, wie ich es immer wünschte. Und das auch, weil uns im Westen Aleppo und Syrien ziemlich egal ist. Leider.

Blick auf die Zitadelle von Aleppo um 1914
Blick auf die Zitadelle von Aleppo um 1914

Heimat (15) – Glockenläuten in der Kleinstadt

Iphofen

Die Kleinstadt ruht. Am Sonntagmorgen regt sich fast nichts. Keine Autos fahren. Keine Stimmen dringen durch das gekippte Fenster. Selbst die verbliebenen Herbstvögel halten still.

Dann schlägt die hohe Kirchenglocke. Tiefere fallen mit ein. Seit Jahrhunderten hat sich daran nichts geändert. Der Ruf zum Kirchgang erfüllt das ganze Städtchen. Langschläfer werden wach.

Für einige Minuten breitet sich eine friedvolle Unruhe in mir aus. So klingt es am Sonntagmorgen in der Heimat. Und in mir klingt dieses Gefühl von Vertrautheit nach, schwingt sonore Behaglichkeit – und erst viel später dringt das Leben mit all seiner Widersprüchlichkeit wieder in mich vor.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Erneut gelesen: Meine Nummer Eins – Teufelsreiter in Turkestan

Alim Hekmat: Teufelsreiter in Turkestan
Alim Hekmat: Teufelsreiter in Turkestan

Ein Zettel hinten im Buch verrät eine kleine Geschichte. Auf ihm steht der Titel „Teufelsreiter in Turkestan“ und eine Zahl, die Eins. Das sollte damals wohl der erste Versuch sein, meine Bücher zu katalogisieren. Viele können es noch nicht gewesen sein. Aber dass das Buch von Alim Hekmat die Nummer Eins trägt, ist berechtigt. Denn der Roman über einen jungen Stallburschen und ein rassiges Pferd ist auch heute noch spannend.

Es spielt im Norden Afghanistans. In Städten wie Kundus, Maza-i-Sharif und Baglan. Heute sind uns die bekannt. Die Bundeswehr ist dort stationiert, Anschläge werden verübt, Menschen sterben. Anders in diesem Buch, das ich mit zehn Jahren las – und jetzt als Vorleser wieder. Hier geht es um eine Freundschaft zwischen Uros, einem Waisenkind und Stallknecht und dem rassigen Hengst Rostam, der sich von seinem Herrn nicht reiten lässt, aber von Uros.

Alim Hekmat hat es wohl damals geschafft, in mir eine leichte Sehnsucht nach dem Orient zu entfachen. Seine Schilderung vom Leben, von den Sitten und dem Essen sind noch immer lesenswert. Das Jugendbuch hat sogar Fußnoten, um Begriffe und Bräuche zu erklären. Die Geschichte ist gut und packend erzählt. Selbst wenn man mit Pferden nichts am Hut hat, fasziniert die Freundschaft in dieser fremden Welt, die angesichts der Demütigungen und der später geglückten Versöhnung mit dem Herrn der Region alle Gefühle bedient, die Kinder durchleben, um erwachsen zu werden.

Eigene Kinderbücher wieder zu lesen, kam mir lange nicht in den Sinn. Die Nummer Eins hat sich gelohnt – und sie wird jetzt nicht mehr in eine Kellerkiste zurückgelegt. Nein, diese Nummer Eins bekommt einen schönen Platz zwischen all den anderen, die zu katalogisieren nie geklappt hat. Denn neue zu lesen war immer wichtiger, als gelesene zu erfassen.

Eigene Tomaten mit Basilikum verführen die ganze Familie

Vier Sorten Gartentomaten mit Basilikum

Der wahrscheinlich letzte Sommertag. Das muss beim Abendessen mit sommerlichen Genüssen begangen werden. Sechs verschiedene Tomatensorten wachsen im Garten. Der Basilikum beginnt zu blühen, muss also schnell abgeerntet werden, bevor die Blätter gelb werden und abfallen.

Was für eine Freude, wie die unterschiedlichen Tomaten schmecken. Was für ein Spaß, wie alle am Tisch den Duft vom großen Teller mit den geschnittenen Tomaten aufnehmen. Und welch eine Genugtuung, dass sich das stete Gießen, das Unkrautzupfen und letztlich das Zubereiten gelohnt hat. Denn wirklich alle lassen sich auf das Entdecken von Süße und Säure, von Festigkeit und Feuchtigkeit ein. Was für ein Genuss am letzten Sommerabend!