„Nullnummer“ von Umberto Eco ist ein Ärgernis

Umberto Eco: NullnummerBislang habe ich mich auf jeden Roman von Umberto Eco gefreut. Als ich von „Nullnummer“ hörte, war ich neugierig und voller erfreuter Anspannung. Aber jetzt, nachdem ich den Roman gelesen habe, bin ich richtig enttäuscht. Zum einen ist das Buch mit seinem Plot nicht wirklich gut. Vor allem aber ist die Botschaft des Textes ein echtes Ärgernis. Umberto Eco liefert eine Anleitung, mit der alle Pegidisten und sonstigen Demokratiefeinde ihre „Lügenpresse“-Rufe begründen können. Denn im Kern sind Zeitungen ein Mittel, um mit Lügen politische, ökonomische oder kulturelle Akteure erpressen zu können. Wahrheit oder kritischer Dialog in einer pluralistischen Öffentlichkeit spielen dabei keine Rolle.

Umberto Eco erzählt die Geschichte einer Zeitungsredaktion, die ein Jahr Zeit hat, um an Nullnummern zu arbeiten. Diese will der Eigentümer verwenden, um auf Verantwortliche in Politik und Verwaltung Druck aufzubauen. Denen will er mit den Nullnummern zeigen, was er bewirken könnte, wenn er eine Zeitung hätte. Und deshalb ist die Zeitung darauf aus, mehr zu erzählen, als in den Abendnachrichten schon bekannt war. Das lässt sich mit Nullnummern natürlich gut machen. Vor allem, wenn diese nicht aktuell produziert werden, sondern nachträglich. Aber die Methoden dafür sind dennoch nicht redlich. Ziel des Chefredakteurs ist es, Menschen bloß zu stellen und das Vertrauen in sie zu erschüttern. Mit den Mitteln des Boulevards ist das kein Problem. Das alles wäre als Plot ganz nett, wenn nicht der Eindruck erweckt würde, letztendlich arbeiten alle Zeitungen so. Ganz so, wie es sich die rechten Demokratiefeinde mit ihren Rufen von der „Lügenpresse“ zu meinen glauben.

Die zweite Geschichte, die Umberto Eco erzählt, ist die des Fortlebens faschistischer Strukturen in Italien nach dem 2. Weltkrieg. Es geht dabei um die Loge P2 und die Geheimdienstaktionen von Gladio. Eco behandelt die Frage, ob Mussolini doch überlebt hat und mit Hilfe der Kirche nach Argentinien entkommen konnte. Das alles ist nichts Neues. Alles hat er schon in seinen Kolumnen behandelt. Und andere italienische Schriftsteller haben den Stoff der Nachkriegs-Verstrickungen auch schon behandelt. Insofern findet sich in „Nullnummer“ auch nicht Überraschendes.

Vielleicht mag all das für den heimischen, italienischen Lesemarkt von Interesse sein. Da verfangen auch die Analogien zum Presseimperium Silvio Berlusconis. Aber – und das ist wirklich ärgerlich – Umberto Eco entwirft ein ganz und gar miserables Bild von Medien, Gesellschaft und Politik. Nur im privaten Glück zweier am Projekt Nullnummer beteiligten Journalisten scheint etwas Positives auf. Zweisamkeit also als Ausflucht aus einer vollständig korrumpierten Welt, in der es nicht den Hauch einer funktionierenden Presse, eines gesellschaftlich sinnvollen politischen Engagements gibt. Das ist allerdings arg wenig. Die recht logische Konstruktion des Buches, in dem mit Vergangenheiten, Gegenwarten und Zukünften gespielt wird, wiegt das Ärgernis über Second-Hand-Verarbeitung des Nachkriegsstoffes und die grundsätzlich fatalistische Gesamtaussage nicht auf – auch wenn Burkhart Kroeber einen guten deutschen Text erzeugt hat.

 

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