Jetzt also Einbruch! Sören Bollmann kommt mit seinem zweiten Krimi in der Realität an. Hieß der erste noch „Mord in der halben Stadt“, kommt nun „Einbruch in der halben Stadt“. In Frankfurt (Oder) wird durchaus mehr eingebrochen als gemordet. Für die Phantasie des Autors und der Leser gibt es bei diesem Buch also vielmehr Anknüpfungspunkte als beim ersten. Aber ganz will sich Bollmann darauf wohl nicht verlassen. Zu einem Krimi gehört ein Toter. Und so gibt es auch in diesem einen. Obwohl er eigentlich überflüssig ist. Sowohl für die Spannung, als auch für die Leser und erst recht für die Geschichte, die der Frankfurter hier erzählt.
Schlagwort: Frankfurt (Oder)
Karl-Ludwig von Klitzing schreibt spannende Erinnerungen mit „Atemlos“
Der Mauerfall und die friedliche Revolution in der DDR jähren sich in diesem Jahr zum 25. Mal. Einer der Akteure in Frankfurt (Oder) war Karl-Ludwig von Klitzing. Schon am 1. November 1989, also acht Tage vor dem Mauerfall, forderte er vor 35.000 Demonstranten auf dem Frankfurter Brunnenplatz: „Wir brauchen eine vollkommene Demokratisierung, Reisefreiheit, Rede- und Pressefreiheit.“ Von Klitzing war Arzt und hat jetzt ein Erinnerungsbuch geschrieben.
Sören Bollmann macht Frankfurt und Slubice zur Krimi-Stadt
Mord in der halben Stadt“ heißt der Debüt-Krimi von Sören Bollmann. Er schildert den ersten Mordfall des Frankfurter Kommissars Bernd Matuszek und seines Slubicer Kollegen Wojtek Milosz. Ein bekannter Frankfurter Bauunternehmer wird ermordet in den Oderwiesen Slubices gefunden. Daraus entwickelt sich ein spannender Fall rund um Prostitution, Stasi-Akten und die Frankfurter Kommunalpolitik. Wobei es nicht um einen Schlüsselroman geht, indem das reale Leben der Stadt verklausuliert geschildert wird. So verfilt, wie Bollmann Frankfurt schildert, ist die Stadt nicht. Bollmann vermeidet zum Beispiel die Nennung echter Parteiennamen. Bei ihm heißen sie „blaue ParteI“ oder orange. Auch die binationalen Verstrickungen sind so nicht passiert, könnten aber tatsächlich auftreten. Insofern macht Sören Bollmann alles richtig. Er schriebt einen spannenden Krimi rund um Mord, Bestechung, Prostitution und das mit Kommissaren, die leben, lieben und auch mal abstürzen können.
Domowe Melodie berauschen mit Humor und viel Gefühl
Auf der Bühne sind sie furios, amüsant und voller Energie. Auf der CD steht bei den selben Songs die Schönheit im Vordergrund. Domowe Melodie spielen Chansons zwischen Jazz und Pop. Und das so schön, dass trotz der Sprachbarriere zwischen Polnisch und Deutsch ein Verstehen der Musik ganz leicht fällt.
Justyna „Jucho“ Chowaniak ist ganz eindeutig der Kopf der Kombo. Und das nicht nur, weil alle Stücke auf ihren Gesang ausgerichtet sind. Ihr Kopf, ihr Gesicht dominiert das Konzert. Sie verzieht es so, dass zwischen Lachen, Weinen und Wahnsinn fast alles möglich ist. So ausdrucksstark ist es, dass das gesamte Publikum im Frankfurter Kleist Forum gar nicht anders kann, als das Lachen, das Weinen, den Wahnsinn genauso zu empfinden. Und vor allem den, den Humor, mit dem sie mit ihren Kompagnons Staszek Czyżewski und Kubą Dykiertem nicht nur musikalisch kommuniziert, sondern vor alle mimisch.
Domowe Melodie ist eine echte Entdeckung links der Oder. Auf der anderen Seite sind die drei innerhalb nur zweier Jahre richtig aufgestiegen. Die ersten Lieder wurden noch im Wohnzimmer aufgenommen. Videos auf Youtube beförderten die Popularität, sodass die polnischen Besucher der Transvocale einige Lieder schon komplett mitsingen konnten. Und das völlig zu recht. Domowe Melodie ist eine echte Entdeckung. Schön wäre es, wenn sie auch in Deutschland ankommen könnten, zum Wohle und Amüsement des Publikums und der drei Musiker.
Gutschein-Gier bei Nordsee
Den ganz großen Fang bietet die Nordsee an. Zwei Mal Fisch und Kartoffeln für nur zehn statt 13 oder 14 Euro. Und auch all die anderen Schollen und Seelachse, ob gegrillt oder frittiert, gibt es jetzt viel günstiger. Da muss man hin. Denkt sich vor allem der Frankfurter Rentner. Und flutet mit den Gutschein-Ködern in den Flossen die Nordsee im Oderturm.
Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappt so manches Maul, wenn der Teller nicht schnell genug gefüllt wird. Da kann die Crew noch so fix die tiefgekühlten Kutterprodukte im heißen Fett versenken, dem Gutschein-Sparer fehlt das Verständnis. Er ist zum Sparen da, nicht zum Warten. Er wird nervös, wenn die ins Auge gefasste Scholle vom Vordermann weggeschnappt wird. Jetzt hat er nur noch die Möglichkeit zu warten oder einen anderen Fang zu machen. Doch der Gutschein war ja schon aus dem Bogen gelöst! Wie soll er denn jetzt den nächsten lösen? Das geht doch nicht! Das ist doch eine Unverschämtheit! Und auch noch den für die Getränke in der Mitte des Bogens! Wie soll er das machen? Fragt er. Und schnappt nach Luft!
Ach wären sie doch alle Fische. Dann könnten sie nur schnappen, aber hören würde man sie nicht. Diese Fischvertilger mit der Gutschein-Gier.
Frieren mit dem Schienenersatzverkehr
Endlich wieder Schnee. Endlich wieder Temperaturen unter null Grad. Ein richtiger Winterabend begrüßt das Wochenende. Einzig die Ankündigung des Schienenersatzverkehrs trübt den Beginn des Wochenendes. Bus fahren statt in den Zug zu steigen nervt immer. Der Bus ist voll. Die Pendler und die Fans der Berliner Eisbären haben alle Sitzplätze belegt, etliche stehen im Gang, bis der Bus vollständig gefüllt ist. Aber die Stimmung ist in Ordnung. Dem Genervt-Sein folgt schnell das unausweichliche Sich-die-in-die-Situation-ergeben.
Auch ich kletter in den Bus, quetsche mich mit einem anderen ganz vorne auf den Beifahrersitz, schwitze in zu dicker Winterjacke, kann sie aber vor lauter Enge nicht ausziehen. Auch ich verfolge verwundert die Fahrtroute quer durch Frankfurt, hinauf nach Rosengarten und dann in weniger als Schrittgeschwindigkeit über aufgerissene Baustellenstraßen weiter Richtung Pillgram. Die Zeit verrinnt, die Anspannung steigt. Und die verstärkt die Transpiration. Wo sind wir? Wie viel Zeit haben wir noch? Wartet der Zug in Jacobsdorf?
Da fährt er ein. Von Pillgram aus können wir ihn schon sehen. Der Busfahrer gibt Gas. Die Stehenden müssen sich gut festhalten. Sie schwanken in den Kurven von rechts nach links. Aber sie haben das Ziel vor Augen. Jetzt noch eine Abbiegung nach links zum Bahnhof, dann haben wir alle wieder Platz im Zug. Der Busfahrer bremst, bringt den Bus zum Stehen. Aber was ist das? Der Zug fährt los! Er wartet nicht! Er fährt einfach fast leer los!Ein Blick auf die Uhr. Der Busfahrer schaut auf die Zeit, ich schaue auf die Uhr. Drei Minuten zu früh! Der Zug fährt drei Minuten zu früh weg – und lässt uns in der Winterkälte zurück. Denn aussteigen müssen wir. Der Bus muss ja zurück nach Frankfurt und weitere Bahnkunden nach Jacobsdorf bringen.
Auf dem Bahnsteig stürmen alle zur Fahrplantafel. Wut macht sich breit. Böse Bemerkungen über die Bahn. Fast eine Stunde warten ist angesagt. Eine Stunde in der Kälte. Und das nach diesem überhitzten Bus. Eine zweite Busladung ist genauso fassungslos und verärgert. Aber es bleibt ruhig. Vielleicht zu ruhig?
Die Kälte breitet sich von unten aus. Klettert von Füßen die Beine hoch. Aber es hilft alles nichts. Warten. Wir können nur warten. Und fluchen wie die Eisbären-Fans, die jetzt sicher nicht zu Spielbeginn in der Halle sein werden. Uns bleibt warten und frieren. Und die Hoffnung, dass die Bahn sich irgendwie bemerkbar macht. Tut sie aber nicht. Die Lautsprecher sagen nichts an, auch nicht nachdem mit ihr telefoniert wurde. Sie schweigt. Und wir bedauern uns und frieren. Und verfluchen den Winter. Auf den wir uns doch so gefreut hatten.
Kochen für Antenne
Jetzt weiß ich, wie es sich anfühlt Fernsehkoch zu sein. Okay. Eher Radiokoch. Und das auch nicht live auf dem Sender, sondern nur auf einer Messe. Aber immerhin. Publikum ist auch da, bei meinem Kochen für Antenne. Menschen, die eine gute Stunde verfolgen, wie da zwei Medienmänner um die Wette Kürbissuppe zubereiten.
Offensichtlich übt es auf viele Menschen eine enorme Faszination aus, Männern – es sind fast immer nur Männer unter den Kochmützen – beim Zwiebeln schneiden, Gemüse anschwitzen, würzen und abschmecken zu beobachten. Und anschließend probieren sie ganz wohlwollend. Selbst wenn ihnen unbekannte Radiomenschen diese Suppe eingebrockt haben.
Ich muss zugeben, es fühlt sich recht gut an, in lockerer Atmosphäre für andere zu kochen. Schon beim Schälen der ersten Zwiebel weicht die Aufregung. Und es schmeichelt, wenn man als einigermaßen kompetent eingeschätzt wird. Applaus tut auch gut. Und von Minute zu Minute macht es immer mehr Spaß zu probieren, was sich aus den vorgegebenen Zutaten zaubern lässt. Aber warum dabei doch so viele zuschauen, verstehe ich nicht. Ein Tässchen Suppe als Belohnung kann es ja nicht sein. Aber man muss ja nicht alles verstehen. Manchmal ist es eh besser, zu genießen als zu verstehen. Beim Essen, beim Kochen und auch beim Arbeiten.
Kerstin Schoor entdeckt deutsch-jüdische Literatur
In Bad Saarow (Oder-Spree) hat die Literaturwissenschaftlerin Kerstin Schoor neue Spuren entdeckt. Hier lebte ein jüdischer Autor während des Dritten Reiches. Das Haus, in dem Gustav Hochstetter wohnte, steht noch. Die Eigentümerin hat die Professorin der Viadrina in Frankfurt (Oder) darauf aufmerksam gemacht. Denn bei der Antrittsvorlesung von Kerstin Schoor war sie dabei.
Die Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration hat Kerstin Schoor seit April inne. Ihr Schwerpunkt war bisher die Erforschung des literarischen Lebens von Juden in Berlin nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Mehr als 1000 deutsch-jüdische Autoren publizierten bis 1938 in Berlin, auch der Mann aus Radinkendorf. Diese erstaunliche – und selbst in der Fachwelt eher unbekannte – Geschichte recherchierte die Literaturwissenschaftlerin.
Im Antenne Gespräch spricht sie über die Schwierigkeit, Tagebücher von Menschen zu lesen, die später ermordet wurden. Sie erzählt von der Bereicherung ihres Lebens, wenn sie mit Überlebenden sprechen konnte. Und sie schildert, wie sie Brandenburg und Berlin sowohl literarisch als auch wissenschaftlich interessiert.
Der Link zum Antenne Gespräch als Audio…
Michael Kurzwelly lebt und denkt Nachbarschaft ohne Grenze
Michael Kurzwelly hat eine Vision: Der Aktionskünstler aus Frankfurt (Oder) denkt das deutsch-polnische Grenzgebiet ohne Grenze. Für ihn gibt es die Nachbarstädte Frankfurt (Oder) und Slubice nicht mehr. Für ihn gibt es nur Slubfurt -eine Stadt, die rechts u n d links der Oder liegt.
Was auf den ersten Blick etwas verrückt wirkt, ist zu einem dauerhaften Kunstprojekt geworden. Die Idee dahinter: eine Grenze ist absurder als die Stadt Slubfurt – Realität ist das, was man lebt.
In Frankfurt (Oder) ist Michael Kurzwelly nicht nur bekannt. Der Künstler ist auch immer wieder Teil des Stadtbildes. Dann steht er mit seinen dunklen Locken auf einer Mauer oder inmitten einer Gruppe lachender und staunender Menschen. Er hält eine Fahne hoch und spricht bei seiner Stadtführung über Slubfurt oder Nowa Amerika.
Slubfurt ist seine Idee: Eine Stadt, die Slubice und Frankfurt (Oder) ersetzt hat. Und Nowa Amerika ist die logische Weiterentwicklung dieser Vision von der Überwindung der deutsch-polnischen Grenze. Jetzt aber für den gesamten Raum östlich und westlich von Oder und Neiße.
Michael Kurzwelly: „Als ich mit meinen persönlichen Erfahrungen hierherkam – ursprünglich aus Bonn kommende, dann 1999 nach Poznan, wo ich acht Jahre lebte, bevor ich hierher kam – habe ich mich von Anfang an dazwischen gefühlt. Weder in den einem Raum ganz beheimatet, noch in dem anderen. Ich habe mir dann gedacht: wenn ich mich hier zuhause fühlen soll, dann kann mein Raum nicht Frankfurt sein, der kann nicht Slubice sein, der muss Slubfurt sein.“
Slubfurt also ist die zentrale Idee, der Ausgangspunkt für die Vision von Michael Kurzwelly. Der Aktionskünstler lebt diese Idee nicht nur zweisprachig. Er lebt auch von ihr. Etliche Projekte rund um Slubfurt und Nowa Amerika schafften es, gefördert zu werden. Reiseangebote und Stadtführung ernähren ihn genauso wie sein Lehrauftrag bei den Kulturwissenschaftlern der Viadrina. Inzwischen ist aus der verrückten Idee der grenzfreien Raumeroberung eine Vision geworden, die von der Politik auch geehrt wird.
Kurzwelly: „Ich freue mich darüber. Das ist auch ein Stück weit Bestätigung. Ich glaube, jeder Mensch braucht etwas Bestätigung. Von der Stadt Slubice bin ich ja sogar zum Ambassador, zum Botschafter, ernannt worden.“
1963 wurde Kurzwelly in Darmstadt geboren. Aufgewachsen ist er in Bonn, wo er auch Kunst studierte. Nach Jahren in Posen lebt er nun schon mehr als ein Jahrzehnt in Slubfurt – oder Frankfurt (Oder). Hier will er auch bleiben:
Kurzwelly: „Erstens Mal ist Slubfurt und Nowa Amerika so eine Art Lebensaufgabe geworden. Ich könnte mir nicht vorstellen, hier wegzuziehen.“
Eindrücke von einem Abend beim Musiksommer Chorin 2012
Es war schon very british. Das Konzert des Brandenburgischen Staatsorchesters beim Choriner Musiksommer war voller musikalische Hochkomik – und voll von Präzision, Kraft und Virtuosität. Die Mischung aus Händels „Feuerwerkmusik“, Woods „Fantasia on British Sea Songs“, Elgars „Pomp and Circumstance“ und weiteren hoch amüsanten Stücken von Arnold, Walton, Heberle und Vivaldi hauchten der Backsteinruine des Klosters Chorin eine enorme Fülle Leben ein.
Vor 25 Jahren wäre es kaum denkbar gewesen, dass ein englischer Dirigent ein ostdeutsches Orchester leitet und das Publikum mit ironisch gebrochener Begeisterung über englische Monarchie, britische Traditionen und insularem Humor an diesem Ort so in Wallung versetzt, dass nur noch lauthalses Lachen fehlt, um alle Formen der akustischen Begeisterung auszureizen. Schon allein für diese Erinnerung an die Freiheit, die ja auch gerade auf den britischen Inseln über Jahrhunderte kultiviert wurde, hat den Besuch gelohnt.
Aber natürlich auch der Genuss an der Musik, das Staunen über die Virtuosität von Maurice Steger, der so erstaunlich schnell und intensiv seine Blockflöten blies, dass das Gehör mit dem Erfassen Tonkaskaden kaum folgen konnte. Und auch Steger hat trotz aller Konzentration auf seine Fingerläufe den Humor nicht vergessen. Im Gegenteil: Steger und Griffith ergänzten sich mit ihrer Lust am kultivierten Witz wunderbar. So sehr, dass die Grundstimmung des Abends, diese lustvolle und kraftvolle Aufforderung auf die kindliche Freude am schönen Klang, am Spaß und am Lachen, nachhallt. Und sicher noch sehr lange nachhallen wird.