Familienausflug zu IKEA

Ausflug zu IKEA
Ausflug zu IKEA

Sie wollten baden. Und landeten bei IKEA. Ein vollständig freier Samstag kann die merkwürdigsten Wendungen nehmen. Da will man das schlechte Wetter schnell nutzen, um eine Kleinigkeit zu kaufen – und schon ist das Auto voll. Alle wollen mit. Denn der Regen verhindert das Baden. Und die vier gelben Buchstaben auf blauem Grund wirken wie Magneten.

Der Verdruss ist groß – bei mir. Wie soll das denn gut gehen? Ein Möbelhausbesuch mit der ganzen Familie. Ständig wird der eine hier stehen bleiben, die andere dort Probe sitzen, der nächste an jener Schublade ziehen und die letzte von Hunger oder Durst nörgeln. Meine Laune sinkt. Aber die der Familie steigt angesichts des unverhofften IKEA-Ausflugs.

Und dann? Dann sind alle entspannt. Sie sitzen zwar Probe, aber ständig zusammen. Sie ziehen an Schubladen, aber stets gemeinsam. Sie schmeißen sich auf Betten, aber immer so, dass sie zusammen Spaß haben. Mit jedem Meter mehr in der Möbelausstellung sinkt meine Anspannung etwas. Alle Befürchtungen schwinden. Statt Stress herrscht Spaß. Selbst ich kann mich dem nicht entziehen und muss die ungeliebte Last als Familienfreude akzeptieren. Ja, selbst ich habe Spaß im schwedischen Möbelcenter, an einem Ort, den ich sonst meide. Aber mit einer so gut gelaunten Familie, geht es gar nicht anders.

Anzeigen-Fundstücke (3) – Lebensmittelpreise 1933

Anzeige aus dem Vorwärts vom 28. Februar 1933

Anzeige aus dem Vorwärts vom 28. Februar 1933

Im letzten Vorwärts, der am 28. Februar 1933 erschienen ist, finden sich neben der politischen Analyse des Reichstagsbrandes auch spannende Anzeigen. Einige zeugen vom normalen Fortgang des Lebens einen Monat nach der Machtübernahme der Nazis. Da wird zu Starkbierabenden und zu Faschingsveranstaltungen in Berlin geladen. Mit der Normalität ist es in der Folge des Reichstagsbrandes dann vorbei. Das gilt aber nicht für die Lebensmittelpreise.

Anzeige aus dem Vorwärts vom 28. Februar 1933 (Ausschnitt)
Anzeige aus dem Vorwärts vom 28. Februar 1933 (Ausschnitt)

Besonders spannend finde ich die Fleischpreise. Kalbsbrust ist deutlich billiger als Schäufela. Rinderherzen werden ganz selbstverständlich angeboten (wo stehen heute noch Innereien in einer Anzeige) und dass fetter Speck (das ist der weiße Speck ohne Fleisch) fast genauso viel kostet wie Mettwurst.

Anzeige aus dem Vorwärts vom 28. Februar 1933 (Ausschnitt)
Anzeige aus dem Vorwärts vom 28. Februar 1933 (Ausschnitt)

Auch damals gab es schon Zitrusfrüchte im Februar. Und die sind pro Pfund sogar günstiger als die lange gelagerten Äpfel.

Mehr Anzeigen-Fundstücke:
(1) Mitfahren anno 1820
(2) Der Glaube an die Steinkohle 
(4) Ventilator für Dicke

Kribbeln in der schaukelnden Hängematte

Links schaukelnde Hängematte Rechts schaukelnde Hängematte

Stille. Nur der Wind rauscht in den Fichten. Keine Musik, kein Telefonklingeln, kein Kindergeschrei. Nur Ruhe. In der Hängematte am Sonntagnachmittag.

Das ist schön. Das beruhigt. Doch zu viel Ruhe strengt auch an. Etwas Bewegung tut bestimmt gut. Sanftes Schwingen. Abstoßen mit einem großen Stock. Anfangs fällt das schwer, doch dann kommt die träge Matte mit dem trägen Körper immer mehr in Schwung. Sie pendelt von links nach rechts, von rechts nach links.

Das Seil knarzt. Das Rauschen des Windes rückt in den Hintergrund. Stattdessen macht sich ein Kribbeln im Bauch breit. Bei jedem Schwung von rechts nach links, von links nach rechts ist es da. Und nimmt die Wahrnehmung komplett gefangen. Je länger die Hängematte schwingt, umso weniger höre ich, umso träger denke ich. Nur noch Schwingen von rechts nach links und von links nach rechts. In der Hängematte. Ohne zu denken. Nur noch Kribbeln. Und Schwingen. Und Leere im Kopf. Und Ruhe. Frieden.

Gefahr beim Schwimmen im See

Zeuthener See von der Eichwalder Badewiese
Zeuthener See von der Eichwalder Badewiese

Seit zehn Jahren schwimme ich in diesem See. Immer wieder musste ich mit anhören, wie gefährlich es sei, über ihn hin und her zu schwimmen. All die Boote könnten mich übersehen. Ein Unfall hätte schlimme Konsequenzen. Und überhaupt. Wenn schon, dann wäre es doch besser, quer zum Ufer zu schwimmen. Da könne nichts passieren.

Heute bin ich quer zum Ufer geschwommen. Rüber zum Bootshaus und zurück. Das zumindest war der Plan. Das Wasser war angenehm kühl, gar nicht mehr so kalt wie vor einer Woche. Die Arme waren etwas schwer, jeder Zug kostete Kraft. Und dennoch hat jeder dieser Züge gut getan, hat das Einatmen alle vier Züge bis tief in die Lungen und ins Zwerchfell den Rumpf mit neuer Energie gefüllt, hat das Ausatmen in den See erleichtert. Auch wenn der Bewegungsablauf nicht ganz rund war, setzte diese schöne Befreiung vom Denken ein. Nur die Muskeln und der Atem und das Wasser waren wichtig.

Bis ein Schmerz an Kopf und Ellenbogen die Monotonie der Anstrengung zerstörte. „Pass doch auf!“ ist das Erste, was ich danach wahr nehme. Über mir liegt ein junger Kerl auf einem Surfbrett und paddelt mit beiden Armen. „Wer muss hier aufpassen?“ frage ich. „Na Sie. Ich kann doch nicht bremsen.“ Ich bin sprachlos. Wie soll der Schwimmer ein lautloses  Surfbrett, das von hinten kommt, wahrnehmen? Aber da ist er auch schon weg. Der Kerl, der nach zehn Jahren Schwimmen im See die erste wirkliche Gefahr für mich war. Und das auf der angeblich so sicheren Strecke quer zum Ufer.

Mehr vom Schwimmen:
Mein Sprungturm
Schwimmen im Salzwasser der Adria
Gefahr beim Schwimmen im See
Hauptsache rüberschwimmen
Schwimmen ohne Wand und Wende
Wassererzählungen: John von Düffel schwimmt wieder
Leanne Shampton meditiert über das Bahnen-Ziehen
Anbaden 2012
Lynn Sherr feiert das Schwimmen in einer persönlichen Kulturgeschichte

Grüner Besuch auf des Messers Schneide

Auf des Messers Schneide

Grashüpfer waren für mich immer recht imposante Wesen. Sie zirpen so laut, dass sie in lauen Sommernächten einen Soundteppich der Zufriedenheit weben können. Dass es sie auch so klein gibt, war mir bis zum Abspülen unbekannt.

Auf des Messers Schneide

Fast hätte ich den kleinen grünen Besucher zerquetscht. Im letzten Moment habe ich einen kleinen grünen Fleck auf dem Messer gesehen. An die Blätter von Walderdbeeren dachte ich zunächst.

Auf des Messers Schneide

Aber es war ein Tier. Und es bewegte sich in dem Moment, in dem ich mich mit dem Fotoapparat zu ihm hinab beugte. Es waren nur sechs oder sieben Zentimeter, die der kleine Grashüpfer sprang. Aber für so ein Miniwesen ist das ein enormer Satz.

Walderdbeerbowle – der ganz besondere Garten-Genuss

Walderdbeere

Sie sind so klein, diese Walderdbeeren. Aber sie schmecken so wunderbar.

Walderdbeeren

Rund um das Terrassenbeet haben sie sich ausgebreitet. Eigentlich sollten da ja Stauden und Blumen sein, aber die Gartenarbeit erfordert zu viel Zeit. Und so wird immer nur das Nötigste gemacht. Dass dies auch sein Gutes haben kann, zeigt die erfolgreiche Ausbreitung der Walderdbeere.

Walderdbeeren

Eine halbe Stunde dauert es schon, um so eine kleine Ikea-Schüssel zu füllen. Das vorsichtige Absuchen der Pflänzchen erfordert Konzentration und Ruhe. Eine schöne Arbeit zum Abschalten. Vor allem, wemm man schon weiß, dass die Walderdbeeren später ihren ganzen Geschmack dem Wein schenken werden. Wenn Gaumen und Zunge schon den Genuss ahnen.

Walderdbeeren

Im Sieb müssen sie sehr vorsichtig behandelt werden. Jeder noch so kleine Druck  zerquetscht die Walderdbeeren.  Dann kommen sie in eine Karaffe, die mit Weißwein aufgefüllt wird.

Walderdbeerenbowle

Der Wein muss trocken und mineralisch sein. Also kein fruchtiger Bacchus oder Riesling, eher ein Silvaner. Oder wie heute bei mir ein Rivaner. Denn die Walderdbeere soll ja den Fruchtgeschmack bringen und nicht gegen Zitrus- oder andere Fruchtnoten ankämpfen. Anders als bei einer normalen Erdbeerbowle genügen jetzt zwei oder drei Stunden, um die Walderdbeeren im Kühlen ziehen zu lassen.

Walderdbeerenbowle

Dann kommt die Zeit, den angesetzten Wein mit Sekt oder Prosecco aufzufüllen. Es geht auch Selters für all jene, die weniger Alkohol wünschen. Das geht etwas zu Lasten des Geschmacks, aber wirklich nur etwas. Denn die Waldersbeeren sind so intensiv, dass selbst die Verdünnung dem Geschmack nichts anhaben kann. Und der ist einfach umwerfen. Ganz besonders ist er noch dazu. Denn pro Jahr sind mehr als zwei Walderdbeerbowlen nicht drin.

Walderdbeere

Schon wirklich erstaunlich, welch intensiver Geschmack in diesen kleinen Früchtchen steckt.

Walderdbeeren

Mehr Walderdbeerbowle:
Ein Getränk als Belohnung…

Der schreiende Nachbar

Der Zaun des Nachbarn, eine Mischung aus Festungswall und Garten-Center-Ästethik.
Der Zaun des Nachbarn, eine Mischung aus Festungswall und Garten-Center-Ästethik.

Er ht sich eingemauert. Der niedrige Maschendrahtzaun genügte dem Mann mit Glatze nicht. Er setzte hinter ihn noch einen zweiten Zaun aus Holz. Fertigware aus dem Baumarkt bietet dem Mann mit den Tattoos zusätzlich Sichtschutz. Und da, wo er seinen Swimmingpool aufgebockt hat, sichert er sich mit einem noch höheren Bretterverschlag von der Stange. Aber nicht, um nicht gesehen zu werden, sondern um nicht zu sehen. Und um möglichst nicht zu hören.

Aber Kinder spielen nun mal. Noch dazu, wenn Cousins und Cousinnen zu einem Familienfest anreisen. Dann wird auch mal etwas lauter geschaukelt, gespielt und auf dem Trampolin gesprungen. Die Nachbarn links und die Nachbarn hinten, auch die Nachbarn vorne links sind dann ganz entspannt. Sie fragen allenfalls, ob wir Hilfe benötigen.

Aber der Nachbar hinten links brüllt liebe rüber den Zaun. Die Halsschlagadern schwellen dann an. Der Kopf wird ganz rot – und zwar der ganze. Und dann brüllt es: „Ihr Drecksgören!“ Oder noch viel Schlimmeres. Immer gepaart mit einer deutlich zu lauten, teils schwer verständlichen Argumentation. Der Kopf des untersetzten Mannes ist dann zwischen diesen Ornamenten zu sehen. Würde es nicht so laut tönen, er würde in seiner selbst gebauten Mauer untergehen. Aber so macht er den Kindern Angst. Vor allem der Besuch ist völlig verwirrt.

Einige klare Worte an ihn und peinlich berührter Besuch hinter der Wand sorgen wieder für Ruhe – also hinter dem Zaun. Aber ärgerlich ist es schon, wenn ein friedliches, fröhliches und  frohes Fest von einem pöpelnden Nachbarn unterbrochen werden kann. Und das wirklich nur, weil es an einem Sonntag mal nachmittags für ein bis zwei Stunden etwas lauter war. Im Kino würde man über Auftritt und Aussehen lachen. Aber so in echt war die Schreiattacke schon ärgerlich!

Von der Freude des Kärcherns

Kärchern auf der Terrasse
Kärchern auf der Terrasse

Eigentlich ist die Arbeit ja monoton, laut und noch dazu langwierig. Mehrere Stunden stumpfsinniges  Reinigen ist nicht unbedingt das, was einen frohgemut aufstehen lässt. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Und doch macht das Kärchern schon nach wenigen Minuten Spaß. Ständig die Finger am Abzug spritzt das Wasser mit ungeheurer Wucht auf die dreckigen Fliesen. Ruckzuck sind sie wieder weiß. Zwar dröhnt der Elektromotor, zwar vibrieren nicht nur die Arme, sondern mit fortschreitender Zeit der ganze Körper – und doch macht sich Freude breit. Wo noch ein Fleck ist, wird neu gezielt – und mit den spritzenden Wassermassen hinweggeblasen. Selbst Ecken werden anvisiert, die gar nicht geplant waren.

So geht das Stunde um Stunde. Und mit der fortschreitenden Zeit, in der Fliesenquadrat um Fliesenquadrat wieder strahlend weiß wird, macht sich ein schrecklicher Gedanke breit: Mein Gott, ist das nicht das Hobby der Spießer. All derer, die auch Laubsauger und Rasentrimmer lieben? Und ich reihe mich da ein? Auch ich bin jetzt einer von denen, die mit maschineller Kraft für Sauberkeit und Ordnung sorgen? Und das nur, weil dieses Gefühl von Kraft und Macht und Finger am Abzug sich irgendwie cool anfühlt?

Da hilft nur eins: Die Gedanken weg kärchern!

Mehr vom Spießer:
Scherben an der Badewiese

Halbzeit beim Spargel

Spargel
Spargel

 

Fein locken die Spitzen des Spargels, kräftig die Schäfte.

Der Geschmack breitet sich schon beim Schälen aus. Als feine Tropfen dringen sie in die Nase ein, andere verkleben die Brille.

Leicht bissfest schmeckt er am besten. Nicht nur als Beilage zu Kartoffeln, Schnitzel und Spargel. Ganz fein ist er in einer Soße zusammen mit Schinken und Tomaten zu Nudeln.

Und am besten, immer wieder, die Suppe aus den Resten, aus der Schale. Spargelsuppe! Mit einem kräftigen Schuss Weißwein.

Jetzt ist Halbzeit. Also ab an den Herd. Und alles ausprobieren, was die Stangen hergeben.

Penderecki über seine Bäume, seine Musik und Deutschland

Krzystof Penderecki
Krzystof Penderecki

Krzysztof Penderecki, Sie erhalten den Viadrina-Preis für deutsch-polnische Verständigung. Welche Bedeutung hat diese Auszeichnung für einen Mann, der schon so viele Ehrungen erhalten hat? Der Mitglied der Akademie der Künste in Berlin, der Mitglied der Akademie der schönen Künste Bayerns ist, der in den USA, in China ausgezeichnet worden ist. Was bedeutet so ein Preis aus Frankfurt (Oder)?

Sehr viel. Ich habe mich das ganze Leben um Verständigung zwischen Polen und Deutschland bemüht. Ich habe vier Jahre in Deutschland gelebt. Ich habe, vielleicht, viele hundert Konzerte dort gehabt. Aber was wichtiger ist: Fast die Hälfte meiner Konzerte ist für deutsche Auftraggeber geschrieben worden.

Es ist sehr interessant, dass ein Mann, der 1933 in Ostpolen geboren wurde, der den zweiten Weltkrieg, der die Schrecken des Krieges auch in der eigenen Familie erlebt hat, ausgerechnet Deutsch lernte.

Mein Großvater war ein Deutscher. Er hat mit mir, aber daran kann ich mich nicht mehr erinnern, vor dem Kriege Deutsch gesprochen. Aber als die Deutschen kamen, wollte er plötzlich kein Wort Deutsch mehr sprechen. Ich habe dann alles verlernt. Aber ich dachte dann, dass man das überwinden muss. Man kann nicht das ganze Leben nur vom Hass leben. Als ich nach Deutschland kam, habe ich dann ganz viele positive Deutsche kennengelernt.