Alle Tipps für die Frau am Herd

Sarah Wiener: Frau am Herd
Sarah Wiener: Frau am Herd

„Frau am Herd ist wie Frau am Steuer: oft unterschätzt und doch mit Blick auf Natur, Geschmack und Qualität – auf der Überholspur.“ So viel Spiel mit dem Klischee hat Sarah Wiener eigentlich gar nicht nötig. In ihrem Kochbuch „Frau am Herd“ pflegt sie es allerdings. Jede dieser fast 300 Seiten bietet leckere Überraschungen.

Sarah Wiener hat ihr Kochbuch klassisch aufgebaut. Im ersten Kapitel stehen die Salate, im zehnten dann Süßspeisen und Kuchen. Sie bietet eine Fülle von Rezepten an, die alle
etwas Besonderes haben. Sie spielen mit dem uns allen Bekannten und variieren es oftmals nur durch eine verblüffende Zutat. Fast alle Rezepte lassen sich gut kochen.

Und wo es schwer wird, erklärt die Frau am Herd anschaulich. Das ist alles so überzeugend – auch weil es schön gestaltet ist, wunderbar fotografiert wurde, ohne dass man Sarah  Wiener auf jeder Seite sieht. Ja es ist so gut, dass dieses Spiel mit der Frau am Herd im Vorwort und am Ende eher stört. Im Vorwort sortiert sie den Anspruch auf beste Qualität bei den Zutaten sehr schön ein: „Auch in esse nicht immer Bio, greife nicht immer auf regionale Pflanzen und Tiere zurück.“ Und weiter: „Gut kochen heißt nicht perfekt sein, aber mit Respekt handeln.“

Dieser Respekt vor den Zutaten, aber auch vor denjenigen, für den man kocht, ist im Buch stets zu spüren. Um so ärgerlicher, dass ihre letzten Sätze dann mit diesem schiefen Bild aufhören. Wenn ich mir vorstelle, wie Frau Wiener mit Blick auf die Natur auf der Überholspur fährt, dann wird mir schlecht. Was da passieren kann! Deshalb: Nicht zu viel vorne und hinten lesen. Sondern vor allem die vielen Rezepte anschauen. Und nachkochen. Das macht Spaß und schmeckt auch noch klasse.

Sarah Wiener: Frau am Herd. Knaur Verlag.

Diese Rezension ist am 28. November 2008 in 20cent erschienen.

Sarah Wiener entdeckt die Küche für uns

Sarah Wiener, Quelle: pr
Sarah Wiener, Quelle: pr

Sarah Wiener (46) ist gern unterwegs. Schon mit 17 trampte sie quer durch Europa. Ihre Leidenschaft Kochen hat sie zum Beruf gemacht. Für den Sender arte war sie kreuz und quer durch Frankreich unterwegs, um im Land der Feinschmecker bei herausragenden
Köchen deren Rezepte kennenzulernen. Dabei musste sie Tiere schlachten, Käse machen und Weintrauben pressen.

Frau Wiener, wo schmeckt es besser? In Österreich oder Frankreich?

So pauschal kann man das natürlich nicht sagen! Ich komme aus Österreich und liebe die
österreichische regionale Küche sehr – die österreichische Mehlspeisenküche hat  Weltklasse und ist meiner Meinung nach ungeschlagen. Andererseits ist Frankreich ein so vielfältiges und klimatisch unterschiedliches Land, dass wirklich jeder etwas finden kann, was er liebt. Besonders natürlich auch alles, was aus dem Meer kommt.

Warum? Wird die österreichische Küche nicht unterschätzt?

Österreich ist ein kleines Land. Die Küche hat aber einen sehr guten Ruf – und das zu Recht.

Aber mit Arte waren Sie in ganz Frankreich unterwegs, um zu kochen. Welche Aufgabe war die schwerste?

Die Tiere zu schlachten, hat mir schon etwas zu schaffen gemacht – und manchmal das  frühe Aufstehen, um dann körperlich hart zu arbeiten, wie auf dem Fischkutter oder Käse herzustellen.

Vielen Leuten sind Innereien ein Gräuel. Wie erklären Sie denen, dass zwischen Leber und  Herz echte Leckereien stecken?

Einfach probieren – und dann nochmal.

Gibt es etwas, vor dem Sie sich richtig ekeln?

Verdorbenes Fleisch und lebendige Tiere hinunterzuwürgen.

Was ist der Unterschied zwischen den beiden Büchern „Meine kulinarische
Reise durch Frankreich“ und „Frau am Herd“?

Das erstere ist ein Reisebericht mit allen französischen Rezepten und meinen eigenen Erfahrungen. Das letztere ist ein reines Kochbuch mit Warenkunde, quer durch Europa, mit den unterschiedlichsten Rezepten, die ich alle sehr mag und die relativ gut  nachkochbar sind.

Und auf was sollten wir alle beim Einkaufen Ende November unbedingt achten?

Worauf Sie auch in den anderen Monaten achten sollten: Frische, Saisonalität wenn möglich, kleine Produzenten und Fleisch aus artgerechter Tierhaltung.

 

Dieses Interview ist am 28. November 2008 in 20cent erschienen.


Ches Leben in starken Kontrasten

40 Jahre nach erstmaligen Erscheinen gibt es jetzt wieder eine der ersten Comic-Biografien. Héctor Oesterheld hat 1968 den Text über Ernesto Che Guevaras (1928 – 1967) Leben geschrieben. Die Brüder Alberto und Enrique Breccia zeichneten die 90 Seiten.

In Argentinien, der Heimat Ches, war der Comic Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre in einer enormen Auflage verbreitet. Als die Militärs 1976 die Macht erputscht hatten, konnte der Besitz eines solchen Che-Comics schon ausreichen, um inhaftiert zu werden. Insofern ist die Graphic Novel ein zeithistorisches Dokument, das sie tatsächlich noch interessanter macht.

Oesterheld erzählt das Leben Ches am Beispiel exemplarischer Ereignisse. Obwohl dabei viele Aspekte nicht berücksichtigt werden können, entsteht ein imposantes Bild vom Leben des Mannes, der mit Fidel (82) und Raul Castro (77) die kubanische Revolution anführte. Die Bilder der Breccia-Brüder sind dazu ganz schwarz-weiß gehalten. Sicherlich auch, weil sich der Comic so besser vervielfältigen ließ. Außerdem erleichtert die extrem kontrastreiche Zeichnung ebenfalls den Druck. Die Kontraste ermöglichen aber auch das intuitive Erfassen der Situationen. Sie verstärken zudem die emotionale Wirkung. Kombiniert mit den Texten, die nicht in der üblichen Comic-Art vor allem Sprechblasen-Dialoge sind, sondern das Bild beschreiben und in die Erzählung einbetten. So entsteht in der Kombination von Text und Bild das Lehrstück, das den Lesern Che als das Beispiel des Revolutionärs schlechthin zeichnet. Ihnen wird seine Geradlinigkeit vorgeführt und sein unbedingtes Helfen-Wollen.

Oesterheld konzentriert sich auf die Zeit Ches in Kuba und den anschließenden Kampf in Bolivien, wo er dann erschossen wurde. Seine Herkunft und sein Studium der Medizin werden nur knapp gestreift. Ausgangspunkt der Erzählung ist der Kampf in Bolivien. Alles andere sind Rückblenden, die Ches Entscheidung, weiterzukämpfen und nicht in Kuba Minister zu bleiben zusätzlich aufwerten. Dieser Comic ist alles andere als veraltet. Auch wenn er 40 Jahre alt ist. Seine Neuauflage ist verdienstvoll. Angesichts der Finanzkrise und der wachsenden Kapitalismuskritik wird er bestimmt auch auf fruchtbares Interesse stoßen.

HECTOR OESTERHELD, ALBERTO UND ENRIQUE BRECCIA: CHE – EINE COMIC-BIOGRAFIE. CARLSEN, 16,90 EURO

Severin Groebner gibt dem Leben seinen Sinn

Severin Groebner ist auf dem Wiener Zentralfriedhof. Da spielt er seine ganze Familie. Von der Tante, die noch immer Hitler hinterher trauert bis zum Neffen, der außer Game-Boy kaum ein Wort richtig sprechen kann. Den ganzen Irrsinn einer Familie und damit der Gesellschaft versammelt er um das Grab des Großvaters.

Der Wiener Groebner setzt dabei – wie die Wiener Josef Hader und Alfred Dorfer – auf ein komplettes Theaterstück, indem er allein alle Figuren spielt. Diese phänomenale Mischform von Theater und Kabarett scheint sich in Österreich gerade durchzusetzen. Groebner trifft seine Figuren hervorragend. Sein Witz ist herrlich böse. Und die Songs sind eine Klasse für sich.

Severin Groebner: SO GIBT MAN DEM LEBEN SEINEN SINN – DOPPEL-CD. WORTART, 18,99 EURO.

Die Bibel verändert das Leben von A. J. Jacobs

A. J. Jacobs (40) nimmt wieder mal geschriebene Wörter ernst. Nach seinem Experiment mit dem Auswendiglernen der Encyclopaedia Britannica, um klug zu werden, widmet er sich in seinem neuen Buch der Bibel.

Die Idee ist wieder simpel – und dennoch grandios. A. J. Jacobs will wissen, woher die Faszination der Bibel kommt. Er, der eher atheistische Sohn aus jüdisch-bürgerlichem Haus in New York, will verstehen, warum noch heute Millionen von Menschen an Gott glauben und weshalb sie sich an die Regeln der Bibel halten. Seine erste Entdeckung ist überraschend für ihn. Die meisten, der im Alten Testament aufgestellten Regeln interessieren heute kaum noch einen Menschen. Aber dennoch versucht Jacobs, auch nach diesen Regeln zu leben. Er schneidet sich nicht mehr die Haare, er versucht, nicht mehr lüstern auf Frauen zu schauen. Und das als Redakteur von Esquire.

Angesichts der vor sexuellen Anspielungen strotzenden Werbung, ist es höchst amüsant zu lesen, wie er versucht, damit klarzukommen. Es ist also klar, dass viel komisches Potenzial in Jacobs Selbstversuch liegt. Aber zum Glück zieht er die Bibel nicht ins Lächerliche. Im Gegenteil. Je länger er sich mit ihr beschäftigt, umso größer wird sein Verständnis für die Religion. Er lässt viel Wissen über das Judentum und andere Religionen einfließen. Außerdem macht Jacobs auch deutlich, dass viele der Gebote für ein Wüstenvolk vor 2500 Jahre erlassen wurden.

Und dennoch zieht er sein Projekt ein Jahr lang durch. Er konfrontiert seine Familie, seine Kollegen und immer wieder sich selbst mit dem wortwörtlichen Sinn der Bibel. Das irritiert alle. Auch die Leser. Und es weckt Neugier auf dieses Buch der Bücher, das unser aller Leben auch heute noch immer wieder bestimmt. Egal, ob wir glauben oder nicht. So wird die Selbsterfahrung des Autors zu einer Art Pilgerweg für ihn selbst und den Leser. Ein Weg, der jedem Gott näherbringt. Was man daraus macht, ist dann wieder privat.

Jochen Arbeit lädt zum Träumen ein

Jochen Arbeit: Arbeit
Jochen Arbeit: Arbeit

Kammermusik für Rock-Instrumente könnte als  Untertitel unter Jochen Arbeits Soloalbum stehen. Der Gitarrist der Einstürzenden Neubauten (seit 1997) und früher bei „Die Haut“ hat auf seinem Album Musikstücke versammelt, die eigentlich für Film, Theater oder Werbung geschrieben wurden.

Eigentlich waren die Stücke dazu gedacht, zusammen mit ganz bestimmten Bildern gehört zu werden. Jetzt, wo die Töne nackte Musik sind, entfalten die Tracks eine eigene  Faszination. Die Bandbreite reicht von Sounds, die an Philip Glas erinnern bis hin zu elektronischen Fantasien. Wer die Augen schließt und nur einen Funken Fantasie hat, dem werden sich sehr schnell eigene Bilder vor dem inneren Auge formen.

Gerade die minimalistischen Stücke wie „Burlesque“ entfalten durch die steten  Wiederholungen der Melodienbögen diese Kraft, die Fantasie anzuregen. Ganz in der Tradition der „Einstürzenden Neubauten“ nutzt Jochen Arbeit nicht nur Instrumente.
Er erzeugt auch Klänge, die den normalen Musikbegriff erweitern. Etwa wenn im „Piece für Adidas“ aus einem Hauch langsam ein Klangbild entsteht, das die Waage zwischen  Anspannung und Ruhe hält.

Diese Rezension ist am 4. November 2008 in 20cent erschienen.

Figli Di Madre Ignota feiern im Fez Club

Diese Musik klingt wie eine Sammlung lustigster Urlaubserlebnisse. Gleich der erste Song „Spaghetti Balkan“ dreht so richtig auf. Bläsersätze wie im Balkan werden von der Mailänder „Band Figli Di Madre Ignota“ mit einem skurrilen Text kombiniert, in dem sich alles um die Bestellung eines Touristen im Ausland dreht – und das in mehreren Sprachen, oder besser Sprachfetzen.

„Fez Club“ nennt sich das Album dieser Combo. Ihr Name heißt auf Deutsch: Söhne einer unbekannten Mutter. Das ist natürlich Programm. Zumindest musikalisch weigern sich die Figli, an nur einer Mutter zu orientieren. Sie spielen mit Balkan-Beats, adaptieren Surf-Sound, rauben Klezmer-Einflüsse und mixen das alles mit Polkas und Swing-Elementen. Wer sich das nicht wirklich vorstellen kann, muss aber zumindest neugierig geworden sein. Denn die Musik ist kraftvoll, schwungvoll oder einfach nur atemberaubend.

„Fez Club“ ist das dritte Album der „Figli Di Madre Ignota“. Dass sie in Deutschland vom Label Eastblock Music vertrieben werden, ist folgerichtig. Denn sie schwimmen auf der Welle der Balkan-Beats. Aber sie würzen ihre Musik zu einem ganz eigenen Sound. Wunderbar!

Malediva gibt sich ganz ungeschminkt

Jetzt sind sie Ungeschminkt. Das Duo Malediva hat seit 1997 von Programm zu Progamm die Welt der künstlichen Figuren Tetta und Lo immer weiter in den Hintergrund gerückt. Auf der neuen Doppel-CD ist das aktuelle Programm bei einem Auftritt in Köln aufgezeichnet worden. Wieder überzeugen vor allem die wunderbaren Lieder und Chansons.

Malediva sind Tetta Müller (Gesang, Dialoge), Lo Malinke (Gesang, Dialoge, Liedtexte) und Florian Ludewig (Musik und Arrangements). Dieser dritte im Bunde des ursprünglichen Duos liefert den musikalischen Anteil. Auf Ungeschminkt geht es um das Heiraten und Zusammenleben zweier Schwuler. Auch sie kennen die Diskussionen über die Eltern des
anderen. Auch sie streiten sich über die Schrullen des Partners.

Die leichte Melancholie, die in allen Songs mitschwingt, sind eine wunderbare Mischung aus Resignation und Lust am Leben. Singen können Tetta und Lo sowieso. Musikalisch präsentieren sich die Gewinner des Deutschen Kleinkunstpreises 2006 nicht ganz so poppig. Dafür aber klar in Text und Ton. Malediva ist ein schönes Beispiel dafür, dass auf
Kleinkunstbühnen die beste Musik zu hören ist.

Andrea Camilleri schickt Commissario Montalbano in den schwarzen Sommer

Andrea Camilleri: Die schwarze Seele des Sommers
Andrea Camilleri: Die schwarze Seele des Sommers

Andrea Camilleri schickt Commissario Montalbano in einen neuen Mord, der lange zurückliegt, und in einen Kampf mit sich. Die junge Frau, deren Leiche er in einer geheimen Wohnung unter der Ferienwohnung seiner Freunde findet, hat eine Zwillingsschwester. Die ist hübsch, strahlt mit jeder Geste, mit jedem Wort Erotik aus. Und sie ist an Montalbano mit seinen 55 Jahren interessiert.

Camilleri konstruiert einen netten Fall, der ein bisschen Mafia, etwas unorthodoxe Ermittlungsmethoden und viel schrulligen Montalbano enthält. Der Commissario ist stark genug, die Schwächen der Krimi-Handlung auszugleichen. Aber dennoch wirkt der neue Camilleri, als könnte Montalbano bald in Rente gehen.

Andrea Camilleri: Die schwarze Seele des Sommers. Lübbe 19,95 EURO

Dario Fo spricht von der Welt, wie er sie sieht

Dario Fo: Die Welt, wie ich sie sehe
Dario Fo: Die Welt, wie ich sie sehe

Er ist eine der schillernsten Figuren Italiens. Seine Art, Theater zu machen, hat die Tradition der derben Comedia dell’Arte mit modernen Themen verbunden. Dario Fo – und seine Frau Franca Rame – ist immer direkt, immer politisch und immer unterhaltsam.

Jetzt hat er in vielen Gesprächen mit Giuseppina Manin seine Autobiografie gestaltet.  Natürlich im Dialog wie auf der Bühne. Das ist seine Form. Da zeigt Dario Fo seine Schlagfertigkeit. In dem Buch lernt man viel über Theater, über Italien und über einen überzeugten Linken. Dario Fo hat Kapitalismuskritik schon immer mit Witz verbunden. In „Die Welt, wie ich sie sehe“ kommt noch ein Schuss Altersweisheit dazu. Und das ganz unaufdringlich.

Dario Fo: Die Welt wie ich sie sehe. Rotbuch. 19,90 EURO