Ches Leben in starken Kontrasten

40 Jahre nach erstmaligen Erscheinen gibt es jetzt wieder eine der ersten Comic-Biografien. Héctor Oesterheld hat 1968 den Text über Ernesto Che Guevaras (1928 – 1967) Leben geschrieben. Die Brüder Alberto und Enrique Breccia zeichneten die 90 Seiten.

In Argentinien, der Heimat Ches, war der Comic Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre in einer enormen Auflage verbreitet. Als die Militärs 1976 die Macht erputscht hatten, konnte der Besitz eines solchen Che-Comics schon ausreichen, um inhaftiert zu werden. Insofern ist die Graphic Novel ein zeithistorisches Dokument, das sie tatsächlich noch interessanter macht.

Oesterheld erzählt das Leben Ches am Beispiel exemplarischer Ereignisse. Obwohl dabei viele Aspekte nicht berücksichtigt werden können, entsteht ein imposantes Bild vom Leben des Mannes, der mit Fidel (82) und Raul Castro (77) die kubanische Revolution anführte. Die Bilder der Breccia-Brüder sind dazu ganz schwarz-weiß gehalten. Sicherlich auch, weil sich der Comic so besser vervielfältigen ließ. Außerdem erleichtert die extrem kontrastreiche Zeichnung ebenfalls den Druck. Die Kontraste ermöglichen aber auch das intuitive Erfassen der Situationen. Sie verstärken zudem die emotionale Wirkung. Kombiniert mit den Texten, die nicht in der üblichen Comic-Art vor allem Sprechblasen-Dialoge sind, sondern das Bild beschreiben und in die Erzählung einbetten. So entsteht in der Kombination von Text und Bild das Lehrstück, das den Lesern Che als das Beispiel des Revolutionärs schlechthin zeichnet. Ihnen wird seine Geradlinigkeit vorgeführt und sein unbedingtes Helfen-Wollen.

Oesterheld konzentriert sich auf die Zeit Ches in Kuba und den anschließenden Kampf in Bolivien, wo er dann erschossen wurde. Seine Herkunft und sein Studium der Medizin werden nur knapp gestreift. Ausgangspunkt der Erzählung ist der Kampf in Bolivien. Alles andere sind Rückblenden, die Ches Entscheidung, weiterzukämpfen und nicht in Kuba Minister zu bleiben zusätzlich aufwerten. Dieser Comic ist alles andere als veraltet. Auch wenn er 40 Jahre alt ist. Seine Neuauflage ist verdienstvoll. Angesichts der Finanzkrise und der wachsenden Kapitalismuskritik wird er bestimmt auch auf fruchtbares Interesse stoßen.

HECTOR OESTERHELD, ALBERTO UND ENRIQUE BRECCIA: CHE – EINE COMIC-BIOGRAFIE. CARLSEN, 16,90 EURO

Parsua Bashi zeichnet die Nylon Road ins Exil

Ein Comic über Vertreibung und Exil ist nach wie vor selten. Die Iranerin Parsua Bashi (40) hat mit ihrer autobiografischen Novelle „Nylon Road“ ein wunderbares Buch gezeichnet und geschrieben.

Parsua Bashi war 37 Jahre alt, als sie den Iran verließ. Seit 2004 lebt die Grafikerin in Zürich. Diesen Bruch hat sie auf den 127 Seiten von „Nylon Road“ verarbeitet. Und das mit viel Humor und einem gezielten Strich für das Wesentliche. Sie schildert ihr Leben aus der Perspektive der in die Freiheit geflohenen Frau. Das schafft sie ohne jedes Pathos, weil sie sich selbst immer wieder konfrontiert.

Im Buch unterhält sie sich mit der jungen Parsua, die sich dagegen sträubt, dass ihre Brüder und viele Freunde und Verwandte nach der Machtergreifung der Mullahs 1979 den Iran verlassen. Sie will doch in ihrer geliebten Heimatstadt Teheran bleiben. Die junge Parsua macht der Exilantin Vorwürfe. Sie habe das Land – und damit sich selbst – verraten. Noch härter werden die Selbstvorwürfe, als sie von der Scheidung von ihrem Mann – und von ihrem Kindes erzählt. Denn da sie den selbstgefälligen Mann, der ihr sogar den Kontakt zur eigenen Familie verbot, der ihr die geliebte Arbeit untersagte und sie zu Hause einschloss, nicht mehr ertragen konnte, wagte sie die Scheidung.

Im Iran von heute bedeutet das den Verzicht auf die eigenen Kinder. Denn eine Frau, die sich scheiden lässt, ist bei den muslimischen Machos nicht vorgesehen. Parsua Bashi kehrt ihr Innerstes nach außen. Dabei wahrt sie dennoch Distanz. Sie beleuchtet die Gründe, die für ein Leben im Iran sprechen. Und sie macht unmittelbar erlebbar, was sich junge Menschen in Deutschland gar nicht vorstellen können: die Verhaftung der jungen Frau, nur weil sie zusammen mit einem jungen Mann Farben einkauft; das Getuschel nach der Scheidung; die soziale Ausgrenzung, nur weil sie eigenverantwortlich leben will.

„Nylon Road“ moralisiert nicht. Die gezeichnete Novelle macht das Dilemma des Exils, die Schwierigkeiten beim Einleben im Westen und die Sehnsucht nach dem Teheran der Jugend ganz real erlebbar.

PARSUA BASHI: NYLON ROAD – EINE GRAPHISCHE NOVELLE. KEIN & ABER. 19,90 EURO.

Will Eisner zeichnet ein Comic gegen den Judenhass

Wenige Hetzschriften wirken so lange und so verheerend wie „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Will Eisner, der große – im Januar verstorbene – Meister des Comics, erzählt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte in Bildern.

Will Eisner kam 1917 in Brooklyn zur Welt. Seine Eltern waren Juden aus Österreich, die ihr Glück in New York suchten. Hätten sie diesen Schritt nicht gewagt, wären er und seine Eltern sehr wahrscheinlich genauso wie sechs Millionen andere europäische Juden von den
Nazis ermordet worden. Eines der wichtigsten Bücher, auf die sich Hitler und die Nazis
immer wieder in ihrem Judenhass beriefen, waren die „Protokolle der Weisen von Zion“.

Für Hitler waren sie echt. Davon, dass es sich dabei um eine üble Fälschung handelt,
wollte er nichts wissen. In den Protokollen wird eine angebliche Sitzung der einflussreichsten Juden wiedergegeben. Auf ihr sollen sie beschlossen haben, die Weltherrschaft zu übernehmen. Alle Vorurteile über die jüdisch-kapitalistische Weltverschwörung sind in diesem Band versammelt.

Doch das verheerende Buch stammt aus der Feder eines Fälschers des Geheimdienstes des russischen Zaren. Gedacht war es, um die Juden für Unruhen verantwortlich zu machen. Es fiel auf furchtbar fruchtbaren Boden. Schon im Zarenreich kam es zu
Progromen an Juden. In den folgenden mehr als hundert Jahren wurde es in alle wichtigen
Sprachen mehrfach übersetzt.

Zurzeit ist es bei islamistischen Terroristen eine gern gelesene Lektüre zur Anzettelung des Hasses gegen Israel. Will Eisner zeichnet die erschütternde Geschichte des Machwerks
in düsteren, eingängigen Bildern. Da es sich dabei leider um keine abgeschlossene Geschichte handelt, ist Eisner darauf angewiesen, erklärende Zwischentexte und Fußnoten zu verwenden. Das wirkt bei einem Comic zwar etwas seltsam, ist aber dennoch zulässig.
Denn Eisner will aufklären. Er wählt den Comic, um sein Thema an Menschen zu bringen,
die niemals ein Geschichtsbuch in die Hand nehmen. Sein Comic kann sie erreichen. Das ist hervorragend. Besser als Geschichtsstunden in der Schule – und einprägsamer.