Der erste Schluck vom eigenen Wein

Jetzt, gut sechs Wochen nach der Verarbeitung der Trauben, ist der junge Wein fertig. Zwei Tage harte Arbeit waren nötig, um aus den Trauben Saft zu machen, um sie in der Presse zum Platzen zu bringen, damit der Saft aus ihnen herauskam. Unglaublich, wie stabil, wie fest Weintrauben sind. Welche Kraft in der Presse nötig ist, um sie so zu zerquetschen, dass die Schale platzt. Welch Genuss, wenn nach der Lese der Trauben auf der Leiter am Haus, wenn nach dem Waschen und Trennen der Trauben von den Stilen, wenn nach dem Pressen endlich der Saft in die Schüssel fließt. Und welch feine Freude, diesen eigenen Saft zu probieren.

Aber natürlich nicht allzu viel. Denn schließlich sollte der Saft ja gären, sollte mit der zugesetzten Hefe zu Wein werden. Das hat auch geklappt. Das Blubbern im Keller ließ nach drei Wochen nach, hörte nach vier ganz auf. Und dann war es soweit. Dann musste der Glasballon vorsichtig geöffnet und langsam der klare, frische Wein abgefüllt werden. Und probiert! Erst skeptisches riechen, dann vorsichtiges kosten. Erst nur ein winziger Schluck auf die Zunge und ungläubiges testen. Alle Geschmacksnerven nahmen die Flüssigkeit auf, während der ganz Körper angespannt war. Ob das was geworden war? Ob dieser Versuch funktioniert hat? Schmeckt er nach Schimmel? Oder einfach nur ganz fad?

Als sich der Geschmack vom Mund, der Geruch von der Nase ins Hirn vorgearbeitet hatte, entspannte sich der ganze Körper. Erleichterung! Das schmeckt nicht nach Schimmel. Es schmeckt nach einem leichten, trockenen Wein. Mit einer ganz eigenen Note. Nicht nach Brombeeren oder Johannisbeeren, sondern tatsächlich nach dem Duft, den diese Trauben am Haus verbreiten. Aber er schmeckt auch noch nicht ganz fertig. Deshalb ist er jetzt wieder im Keller. Um noch etwas Zeit zu bekommen. Aber dann wird er auch Gästen angeboten. Mal schauen, was die dazu sagen? Ob er ihnen auch schmeckt? Oder nur mir, weil ich die Arbeit damit hatte?

 

Mein erster Schnaps

Minidestille zum Schnapsbrennen
Minidestille zum Schnapsbrennen

In dem einen Kolben ist Wein. Nicht irgendein Wein, sondern mein Wein. Im anderen ist Wasser zum Kühlen. Spiritus erhitzt den Wein – und nach der Kühlung tröpfelt Weinbrand in den Behälter mit dem Glastrichter. So einfach ist das. Und doch sehr aufregend. Immerhin ist es das erste Mal, dass ich die kleine Apparatur benutze. Und so bestaune ich jeden einzelnen Tropfen, der in den Glastrichter fällt.

Noch aufregender ist der erste Tropfen auf meiner Zunge. Funktioniert das? Kann man das trinken? Natürlich kenne ich unzählige Geschichten von selbstgebranntem Schnaps aus Russland oder Polen oder aus Erzählungen vom Wehrdienst bei der NVA. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass das Brennen bei mir auch klappt. Wie in der Anleitung verlangt, habe ich die allerersten Tropfen weggeschüttet – auch wenn es mir nicht leicht fiel. Aber die rochen auch sehr streng. Ganz anders als der erste auf meiner Zunge.

Der ist fruchtig, schmeckt intensiv nach Muskat und enthält all die Aromen, die mich auch bei meinem ersteren Wein schon so verblüfft haben. Irre! Und das geht so einfach! Schmeckt enorm gut. Und macht auch noch Spaß. Nur die Menge Schnaps, die sich in der Minidestille so destillieren lässt, ist doch arg klein. Der Bundesfinanzminister erlaubt nur wenige Gläschen. So ist ein Abend, bei dem eigener Schnaps gebrannt wird, auch ein langer – und ein zweisamer. Bei dem sich schön genießen lässt, denn betrinken kann man sich mit den wenigen Schnäpschen ganz sicher nicht.

Mein erster Wein

Der erste eigene Wein.
Der erste eigene Wein.

Das Aroma ist richtig blumig. Im Mund entfaltet sich ein erstaunlich breites Spektrum von fruchtigen Aromen. Angesichts der Traube, aus denen dieser Wein gemacht wurde, ist das nicht verwunderlich. Aber als ich den Ersten kleinen Schluck trinke, bin ich doch völlig überrascht.

Das liegt daran, dass dieser Wein mein erster selbst gemachter ist. Aus dem Hammelburger Weinstock, den wir vor acht Jahren pflanzten. Er rankt inzwischen halb um das Haus und hoch hinauf bis über Leos Fenster. Seine Trauben sind voll und schwer. Kurz vor der Reife verströmen sie einen muskatartigen Duft, der die ganze Terrasse erfüllt und durch die geöffneten Fenster in die Zimmer strömt. Genau nach diesem Duft schmeckt jetzt auch der Wein. Seine Aromen konnte ich also erhalten.

Trocken ist der Wein übrigens auch. Aber ich muss zugeben dass er noch nicht so richtig rund schmeckt. Das liegt vielleicht auch an den Trübstoffen. Selbst nach zweimal filtern sind immer noch Rückstände drin. Da werde ich für den Jahrgang 2013 wohl nachbessern müssen. Aber bis dahin wird der Heurige in kleinen Schlückchen getrunken. Und dabei wird gelesen. Nicht wie sonst schöne Bücher, sondern Ratgeber über Weinbau!

 

Walderdbeerbowle – der ganz besondere Garten-Genuss

Walderdbeere

Sie sind so klein, diese Walderdbeeren. Aber sie schmecken so wunderbar.

Walderdbeeren

Rund um das Terrassenbeet haben sie sich ausgebreitet. Eigentlich sollten da ja Stauden und Blumen sein, aber die Gartenarbeit erfordert zu viel Zeit. Und so wird immer nur das Nötigste gemacht. Dass dies auch sein Gutes haben kann, zeigt die erfolgreiche Ausbreitung der Walderdbeere.

Walderdbeeren

Eine halbe Stunde dauert es schon, um so eine kleine Ikea-Schüssel zu füllen. Das vorsichtige Absuchen der Pflänzchen erfordert Konzentration und Ruhe. Eine schöne Arbeit zum Abschalten. Vor allem, wemm man schon weiß, dass die Walderdbeeren später ihren ganzen Geschmack dem Wein schenken werden. Wenn Gaumen und Zunge schon den Genuss ahnen.

Walderdbeeren

Im Sieb müssen sie sehr vorsichtig behandelt werden. Jeder noch so kleine Druck  zerquetscht die Walderdbeeren.  Dann kommen sie in eine Karaffe, die mit Weißwein aufgefüllt wird.

Walderdbeerenbowle

Der Wein muss trocken und mineralisch sein. Also kein fruchtiger Bacchus oder Riesling, eher ein Silvaner. Oder wie heute bei mir ein Rivaner. Denn die Walderdbeere soll ja den Fruchtgeschmack bringen und nicht gegen Zitrus- oder andere Fruchtnoten ankämpfen. Anders als bei einer normalen Erdbeerbowle genügen jetzt zwei oder drei Stunden, um die Walderdbeeren im Kühlen ziehen zu lassen.

Walderdbeerenbowle

Dann kommt die Zeit, den angesetzten Wein mit Sekt oder Prosecco aufzufüllen. Es geht auch Selters für all jene, die weniger Alkohol wünschen. Das geht etwas zu Lasten des Geschmacks, aber wirklich nur etwas. Denn die Waldersbeeren sind so intensiv, dass selbst die Verdünnung dem Geschmack nichts anhaben kann. Und der ist einfach umwerfen. Ganz besonders ist er noch dazu. Denn pro Jahr sind mehr als zwei Walderdbeerbowlen nicht drin.

Walderdbeere

Schon wirklich erstaunlich, welch intensiver Geschmack in diesen kleinen Früchtchen steckt.

Walderdbeeren

Mehr Walderdbeerbowle:
Ein Getränk als Belohnung…

Heimat (7): Weintrauben und Weinlaub

Wein in Eichwalde

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Wein in Eichwalde

In diesem Jahr ist es ein Kreuz: Ein Frost im Mai hat den Winzern im Heimatstädtchen einen Großteil ihrer Trauben geraubt. Und bei mir am Haus sorgt der ständige Regen und die wenige Sonne dafür, dass die Trauben noch immer sauer sind. Die ersten fallen, ohne dass sie ihre Reife erreicht haben. Sogar das Weinlaub von zweien der vier Rebstöcke blättert ab, bevor es die schöne gelbe und rote Farbe bekommt, weshalb ich den Wein vor allem pflanzte. Diese Farben im Herbst sind eine Erinnerung an die Weinberge Hammelburgs. Zu einem vollständigen Jahr gehört dieses bunte Laub wie der Federweißer. Spannend ist übrigens, dass die beiden Rebstöcke aus Hammelburg viel besser gedeihen als die aus Eichwalde und Berlin. Obwohl sie genauso (wenig) gepflegt werden wie die anderen beiden.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Heimat (5): Schlesisch Blau in Kreuzberg

Tafel am Schlesisch Blau
Tafel am Schlesisch Blau

Beim „Schlesisch Blau“ handelt es sich um eine Wirtschaft. Zwar kann man schlecht einfach vorbei kommen. Denn meist sind alle Plätze reserviert. Aber das Interieur und die unkomplizierte, direkte Bedienung erinnern kaum an ein Restaurant. Hier wird sich auf das Wesentliche konzentriert: Aufs Essen und aufs Trinken. Und auf die Kommunikation mit der Begleitung.

Das geht hier besonders gut, weil hier eigentlich nie Handys klingeln. Laptops und dergleichen sind verpönt. Man isst, trinkt, spricht. Oder anders ausgedrückt: man genießt. Die Suppen stehen auf dem Ofen. Jeder bedient sich. Den Salat gibt es aus den mit Brot ausgewischten Suppentellern. Der aus drei bis vier Gerichten ausgewählte Hauptgang ist ganz frisch gekocht. Deshalb beschränkt sich die Karte auch auf die tagesaktuell mit Kreide neu beschriebene Tafel. Statt fragwürdiger Quantität dominiert hier famose Qualität. Das betrifft nicht die Portionen. Die sind wirklich ausreichend. Aber die Auswahl ist eben beschränkt. Beim Nachtisch geht es meist sogar nur um ein Ja oder Nein, etwa zu einer Schokoladentart mit Zwetschgen.

Biere und vor allem Weine sind richtig gut. Die Auswahl bei letzteren sogar ausgewählt gut. Die gesamte Mischung aus Angebot, Publikum und Atmosphäre erzeugt ein sehr angenehmes Gefühl. Fast etwas wie Heimat. Hier fühlt man sich wohl. Hier schmeckt es und hier gibt es ein Stück Berlin seiner angenehmsten Art. Und das alles in Sichtweite der Ecke von Kreuzberg, in der sich der Widerstand gegen die Touristen häuft.

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Und zur Belohnung Walderdbeerbowle

Die Sonne brennt. Die Hitze drückt. Und dennoch muss die Arbeit im Garten gemacht werden. Wann, wenn nicht am Wochenende? Wichtig bei solchen Arbeitseinsätzen ist die Planung für danach. Heute zum Beispiel diese Walderdbeerbowle.

Sie geht ganz einfach: Etwas trockenen Rosé nehmen, im Garten gesammelte Walderdbeeren hinein und ab in den Kühlschrank. Einige Stunden sollten die Beeren schon ziehen, um dem Wein ihren süßen, fruchtigen und irgendwie auch zarten Geschmack abzugeben. Am Ende kann man den Wein mit den Erdbeeren mit Sekt, Prosecco oder Selters auffüllen. Denn Kohlensäure sollte unbedingt hinein.

Heute war es Selters. Denn die Hitze gepaart mit noch mehr Alkohol hätte im Kopf am Nachmittag dann doch nicht so gut getan. So aber, war das Glas ein Traum. Und eine feine Belohnung für die schweißtreibende Arbeit, die erledigt werden musste. Es sind halt oft diese kleinen Köstlichkeiten, die das Leben abrunden. Man darf nur nicht vergessen, sich rechtzeitig welche einfallen zu lassen.

Mehr zur Walderdbeerbowle:
Der ganz besondere Garten-Genuss…

Mein Gewürztraminer des Genusses

Gewürztraminer von Hummel
Gewürztraminer von Hummel

Zum Essen einen Gewürztraminer. Das war für mich bislang nicht möglich. Zu stark sind die Aromen, zu mächtig der Geschmack, als dass ein feines Essen daneben bestehen könnte. So dachte ich bisher. Doch seit gestern weiß ich es besser. Das liegt zum einen an diesem ausgereiften Wein vor Horst Hummel aus dem ungarischen Villány, das einst Bordeux des Südens genannt wurde.

Der wurde gestern aus fünf schönen Weißweinen zu einem abwechslunsgreichen Abendmahl gewählt. Und zwar von jemandem, der eigentlich nur Rotwein mag. Ein feiner, filigraner Riesling kam da nicht in Frage. Und so begleitete dieser erstaunliche Tropfen das Essen. Er zeichnet sich durch eine frohe Fülle an fruchtigen Geschmacksnoten aus, die sich nicht sofort verflüchtigen. Im Gegenteil: Sie halten auch einem köstlich gebratenem Wammerl und einem kräftig-würzigen Blutwurststrudel stand. Aber ohne deren Noten zu verkleistern.

Tja. Es war wohl ein kleines Fest des Genusses, den das “Schlesisch Blau” in Kreuzberg da bereitete. Ich bin gespannt, mit welchem Wein ich überrascht werde, wenn sich ein solcher Abend wie gestern wiederholt. Sicher bin ich mir jetzt auf jeden Fall, dass diese Begleitung wieder wählen darf!

Rot liegt im Trend – Deutsche Trinker entdecken den heimischen Rotwein

HAMMELBURG. – Weiß ist der Franke aus dem Bocksbeutel, herb und für viele Nichtfranken gewöhnungsbedürftig. Eher schwarz ist des Franken Wahlverhalten, konservativ und für viele Außenstehende ungewohnt konstant. Doch in den letzten Jahren mischt sich immer mehr Rot in das mainfränkische Farbenspiel. Aber nicht die SPD, sondern der Rotwein ist im Kommen. Wo in den fünfziger und sechziger Jahren weiße Rebflächen die Hänge des Mains prägten, mischen sich nun immer mehr rote ein.

In der Nachkriegszeit bauten fränkische Winzer lediglich drei bis vier Prozent Rotwein an. Inzwischen hat sich die Menge bereits verdoppelt, und in den kommenden Jahren rechnet der Fränkische Weinbauverband mit einer Verdreifachung auf zwölf Prozent. Das klingt nicht viel, ist für eine Gegend, die lange Zeit für nur zwei bis drei Weißweinsorten bekannt war, jedoch eine erstaunliche Umstellung.

Dieser Wandel vollzieht sich nicht nur in Franken. Auch in den anderen deutschen Weinbaugebieten hat die Rotweinproduktion stark zugenommen. Anfang der sechziger Jahre lag die Anbaufläche in Deutschland noch bei gut 10 000 Hektar, fast ausschließlich an der Ahr, in Baden und Württemberg. Seit Beginn der achtziger Jahre wuchs der Rotweinanteil nach und nach auf das Doppelte. Inzwischen warten die roten Beeren auf knapp 21 000 Hektar – meist in ökologischen Nischen – auf das nötige Sonnenlicht.

Die deutschen Winzer folgen damit einem Trend: Die Verbraucher haben den heimischen Rotwein entdeckt. Zwanzig Prozent aller deutschen Weine, die sie kaufen, sind inzwischen Dornfelder, Spätburgunder oder Trollinger. Noch vor vier Jahren waren es lediglich vierzehn Prozent. Doch der Erfolg des eigenen Rotweins verunsichert manchen Winzer. Der Seniorchef des Hammelburger Winzerbetriebs Eilingsfeld beispielsweise verlangt, daß die Kunden mit jeder Flasche Roten auch einen Silvaner oder Müller-Thurgau kaufen. „Jeder kommt und will den Spätburgunder, aber der Silvaner ist fei auch gut“, fordert der Unterfranke die Kundschaft auf, die traditionellen Weine beim Einkauf ja nicht zu vergessen. In Württemberg, das wie Baden zu den Weinbaugebieten gehört, in denen es schon immer sehr viel Rotwein gab, kann sich Horst Reuschle an diese eigensinnige Vermarktungsstrategie nur noch erinnern. „Das ist vorbei“, meint der Experte der Werbegemeinschaft Württembergischer Weingärtnergenossenschaften. Dennoch sieht auch er einen Rotweinboom. Vor allem klassische Weißweinbetriebe seiner Region hätten ihren Umsatz bis zu zwanzig Prozent gesteigert – fast nur mit ihren neuen Roten. „Das zeigen die Umsatzzahlen des letzten halben Jahres“, erklärt Reuschle. Die Statistik weist aus, daß die Württemberger 1996 vier Prozent mehr Wein verkaufen konnten als noch 1995. Zu verdanken haben sie diesen Wert tatsächlich nur dem Trend zum Roten. Reuschle warnt allerdings: „Trends kommen und gehen.“

Ähnlich sieht Klaus Böhme die Lage. Zwar hat auch er den Anteil des Rotweins auf zwanzig Prozent seines Betriebes gebracht, „doch in dieser Nische sollte er bleiben“. Schließlich sei der Weißwein für Europas nördlichstes Weinbaugebiet, Saale-Unstrut, der traditionelle Wein. „Ich denke, der goldene Mittelweg ist richtig. Bloß weil der Markt jetzt nach Rotwein fragt, sollte man nicht auf Teufel komm raus umsteigen“, meint Böhme, obwohl er mehr Rotwein verkaufen könnte.

Auch im Rheingau und in der Pfalz steigt das Angebot an Roten.

Neben achtzig Prozent Riesling wurden im vergangenen Herbst bereits neun Prozent Spätburgunder im Rheingau gelesen. Winzern aus Rheinland-Pfalz gelang es, mit Rotweinen in die internationale Qualitätsspitze vorzustoßen. Dabei kommt ihnen wie überall in Deutschland ein weiterer Trend zugute. Trotz Rezession sind die Deutschen bereit, mehr für einen guten heimischen Schoppen auszugeben. Sechs Mark und 21 Pfennig zahlten sie 1996 im Durchschnitt für einen Liter deutschen Wein. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um elf Prozent. Allerdings tranken die Deutschen etwas weniger heimische Weine: 9,9 Liter pro Kopf im Jahr 1995, 9,4 im vergangenen Jahr.

Dieser Text ist am 14. März 1997 in der ZEIT erschienen.