Dieser Roman verstört. Seine drastische Sprache, seine expliziten Szenen, seine Spannung zwischen Egoismus und Glaube – all das ist stark. Aber „Und erlöse mich“ von Konstantin Sacher nervt auch. Die Lebensbeichte eines jungen Theologie-Studenten, der sich selbst zwischen Exzess, Sex und Suff sucht, berührt den Leser aber auf jeden Fall; egal ob sich mit dem Protagonisten identifizieren können oder nicht.
Schlagwort: Sex
Marko Martin langweilt mit seinen weltweiten Sexabenteuern
Die Bücher der Anderen Bibliothek schaffen es fast immer, mich zu fesseln. „Die Nacht von San Salvador“ von Marko Martin ist da offenbar eine Ausnahme. Obwohl Protagonist Daniel quer durch die Welt reist und in San Salvador genauso wie in Berlin oder Damaskus, Danzig oder Istanbul seine Abenteuer erlebt, bleibt der Roman irgendwie leblos. Vielleicht liegt es an den vielen homoerotischen Erlebnissen in Saunen, Hotels und Wohnungen, die Daniel selbst erregen, den Leser aber kalt lassen. Vielleicht liegt es aber auch an der angestrengten Ambitioniertheit, die dem Buch Leichtigkeit und Lesefluss raubt.
Viktor Paskows Autopsie ist ein verwirrender Berlin-Roman
Jazz und Literatur vermischen sich in Viktor Paskows Roman „Autopsie“ genauso wie die Leben von Charlie und Ina. Beide kommen wie der Autor aus Bulgarien, beide finden sich auf unterschiedliche Weise in Berlin ein. Und beide werden wahnsinnig, wenn der geliebte Mensch nicht da ist.
Aus dieser recht einfachen Konstellation formt Paskow einen Roman, dem sich der Leser nicht entziehen kann. Die Liebe spielt der dabei in all ihre psychologischen und erotischen Dimensionen durch. Manche Stelle grenzt an Pornografie, doch sind selbst diese Passagen nie blanker Voyeurismus. Sie sind zur Verdeutlichung der Liebe von Ina und Charlie unabdingbar, zeigen sie doch, wie anhängig beide voneinander sind. Wo Charlie meint, Ina in neue Formen von Sex – etwa im Swingerclub – einzuführen, kehrt sie sein Dominanz-Bestreben um.
Der Roman spielt vor der Kulisse Berlins. Paskow hat die Stadt mit offenen, neugierigen Augen wahrgenommen. Das touristische Programm ist nicht wichtig. Dafür hat er die alten Hinterhöfe am Prenzlauer Berg oder in Mitte, die Kneipen, Clubs und die Theater in den Blick genommen. So entsteht ein packender Berlin-Roman, denn die Stadt ist mehr als nur Kulisse. Vor allem im Bezug zu Sofia steht Berlin für eine Entwicklung, die sich auf das Leben von Charles und Ina direkt auswirkt.
Der Plot und die Erzählweise sind so überzeugend, dass der Leser keine Chance hat, sich dem Sog zu entziehen. Bis hin zum dramatischen Ende wollen selbst die unangenehmen Textstellen gelesen werden. Die Sprache entfaltet selbst in der Übersetzung eine große Musikalität. Da Charles Musiker ist – im Hauptberuf Orchestermusiker und nebenbei Jazzer – muss das auch so sein. Das Buch klingt, schwingt, schmerzt. Es verursacht ein Gefühlschaos und lässt den Leser deshalb das Leben spüren. Ein gutes Buch, ein großer Roman.
Auf der Flucht vor dem Leben
Eine Mischung aus Tagebuch und Erinnerungen schreibt der Israeli Amir im Roman „Liebe und anderer Schlamassel“ von Ilan Heitner auf. Nach einem Wirtschaftsstudium macht er sich von Tel Aviv auf den Weg, um in New York ein Filmstudium anzuschließen. Dabei lernt er seine große Liebe Philly kennen. Doch die eigenartige Beziehungsunfähigkeit der beiden zerstört das Glück.
Ilan Heitner hat vieles aus seinem Leben in den Roman gepackt. Das Buch gleicht deshalb manchmal einer Therapiesitzung. Und doch liegt darin auch der Reiz. So bietet sich ein authentischer Blick auf die Gefühlslage der Israelis zwischen 30 und 40, die in Hedonismus, Sex und einem guten Trip die Erfahrungen aus der Armeezeit und die Bedrohung durch den Terror betäuben. Im Roman sind solche Momente nur am Rand Thema, aber sie wirken nach.
Das Dilemma zwischen den Ansprüchen an ein freies Leben und den Zwängen Israels lässt sich nur durch Flucht bewältigen. Für Amir ist auch die Beziehung zu Philly eine solche, die keine dauerhafte Perspektive bieten kann.
Heitners Roman ist sprachlich teilweise derb und so kompromisslos, wie die Sucht nach Sex, die Amir umtreibt. Kein Buch für nebenbei, aber lesenswert.
Ilan Heitner: „Liebe und anderer Schlamassel“, Kein & Aber, Zürich 2009, 288 S., 18,90 Euro
Ewan Morrison treibt der sexuelle Overkill um
David und Alice sind Mitte Dreißig und entschließen sich, ihr Leben zu teilen. Doch Jobverlust und die gestörte Sexualität von David schaffen Probleme. Partnertausch scheint die Lösung zu sein. Denn David ist impotent, wenn er direkt mit einer Frau konfrontiert wird.
Lediglich wenn seine Phantasie durch Geschichten oder Voyeurismus stimuliert wird, kann er sich erregen. Ewan Morrison schreibt keine billige Sex-Zote, sondern ein Buch über den sexuellen Overkill, der Männer und Frauen dazu treibt, Leistungssportler in Betten sein zu wollen. Das ist zum Teil vulgär, aber auch einfühlsam. Das Buch ist nichts für allzu Sensible. Es geht schon zur Sache, bleibt dabei aber immer seriös. Unglaublich, aber gelungen.
Ewan Morrison: SWINGER. C. BERTELSMANN, 19,95 EURO.