Barrie Kosky feiert die jiddische Operette New Yorks

Barrie Kosky (Foto: Jan Windszus Photpgraphy)
Barrie Kosky (Foto: Jan Windszus Photpgraphy)

Es ist ein Segen, wie offensiv Barrie Kosky seine Identität lebt. Der Australier, dessen Vorfahren Juden aus Ungarn, Polen und Russland waren, ist Intendant der Komischen Oper. Er ist bekennender Schwuler und hat kein Problem damit die Fülle seiner (Minderheiten-) Identitäten offensiv zu leben. Das ist ein Segen. Denn Barrie Kosky ist Teil einer Vielfalt, die noch vor 30 oder 40 Jahren in Deutschland keine Chance hatte. Jetzt aber lädt Kosky zu einem jiddischen Liederabend. Zusammen mit den Sängerinnen Alma Sadé und Helene Schneiderman feierte er damit einen fulminanten Erfolg. Und das völlig zu Recht.

„Farges mikh nit – vergiss mich nicht“ hat Kosky den Abend genannt. In ihm widmet er sich der jiddischen Operette New Yorks, die bis nach Ende des 2. Weltkriegs in Dutzende Bühnen bespielte und ein bedeutender Zweig des amerikanischen Musiktheaters war. Alma Sadé und Helene Schneiderman interpretieren die Lieder nicht nur mit ihren großartigen Stimmen. Sie nehmen die jeweiligen Rollen an und beweisen sich als überzeugende Diseusen.

Barrie Kosky begleitet am Flügel und führt als Conferencier durchs Programm. Er nimmt das Publikum an die Hand und bringt ihm die fremde Musik nahe. Und so beginnt eine Entdeckungstour, in der europäische Melodien und Harmonien einer untergegangenen Kultur neu zum Leben erweckt werden. Denn in New York, dem Schmelzpunkt der Einwanderer, Emigranten und Flüchtlinge trafen sich die Juden Osteuropas, die vor den Pogromen in Russland oder vor der existenziellen Not Galiziens. Hier lebten sie ihre jiddische Kultur und entwickelten sie an der neuen amerikanischen weiter.

Für Barrie Kosky ist so ein Abend auch eine Aneignung seiner jüdischen  Identität. Er geht darin auf sie zu teilen. Das Publikum nimmt das dankend an. Weil die Musik alle Register der Emotionalität zieht und weil dieser Reise in die Vergangenheit auch sehr nah an der Gegenwart ist. In Zeiten, in denen Antisemitismus in Deutschland wieder ein ernstes Thema ist, schwingt bei jedem Lied auch mit, was passieren kann, wenn Rechtsradikale, Rassisten und Antisemiten das Sagen haben.

Der Intendant ist der größtmögliche Kontrast zu jeder rechten Gesinnung. Dass er so ein Programm in einer Berliner Oper aufführen kann, ist das beste Mittel für jede erdenkliche Vielfalt. Schon deshalb lohnt sich der Besuch des Abends. Und natürlich wegen dieser wunderbaren Musik.

 

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