Italienische Reisen haben es den Deutschen angetan. Ob die berühmte von Goethe oder die unzähligen in Auto, Zug oder Flugzeug. Es zieht sie über die Alpen ans Mittelmeer. Felix Hartlaub lernte Italien 1931 kennen. Bei einer Wanderung entlag der illyrischen Küste bis Viareggio und dann durch die Toskana bis Florenz und weiter nach Pisa. Erstaunlich an den Einträgen des jungen Mannes sind vor allem seine Beobachtungen der Farben und Formen.
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Alissa Ganijewa beschreibt den Untergang Dagestand durch Ismalismus und Antiterrorkampf
Islamisten spielen in unseren Nachrichten eine wichtige Rolle. In Syrien, Irak, Libyen oder Mali machen sie sich in zerfallenden Staaten breit und terrorisieren die Bevölkerung. Alissa Ganijewa schildert in ihrem ersten Roman die Machtübernahme radikaler Islamisten in Dagestan. Eine russische Teilrepublik, die hier im Westen kaum bekannt ist. „Die russischen Mauer“ ist ein erschütternder Text, der vor allem von Niedergang und Zivilisationsverlust handelt, aber auch die große kulturelle Vielfalt des Kaukasus beschwört.
Leanne Shapton meditiert über das Bahnen-Ziehen
Vielleicht muss man selbst eine intensive Beziehung zum Wasser haben oder zumindest gehabt haben. Denn wer selbst immer und immer wieder gespürt hat, wie das Schwimmen den Körper schmerzen kann, aber auch wie das Bahnen ziehen den Kopf befreien kann, der wird in Leanne Shaptons Buch „Bahnen ziehen“ Seite um Seite Erfüllung und Erinnerung finden.
Leanne Shapton war vor gut 20 Jahren eine einigermaßen erfolgreiche Schwimmerin aus Kanada. Den Sprung in die Olympia-Mannschaft schaffte sie zwar nicht, aber im eigenen Land zählte sie dennoch zu den besten zehn bis 20. Damit konnte sie ihren Traum nicht erleben, aber all das, was das Schwimmen ausmacht, hat sie so intensiv erlebt, dass sie fast vergessen hat zu leben. So, wie es vielen Hochleistungssportlern ergeht.
Inzwischen ist sie eine etablierte Künstlerin, Autorin und Verlegerin. Aber der Weg dahin war nicht einfach. Leanne Shapton zeichnet ihn nach, mit Worten und Bildern. Sie versetzt den Leser in die chlorhaltige Luft der Schwimmbäder, in die Rituale der Wettkämpfe und in den Schmerz des Trainings. Das ist faszinierend, weil sie es reflektiert. Es wird klar, wie die Muster des Schwimmens auch im trockenen Leben eine wichtige Rolle spielten. Und wie wichtig das Bahnen ziehen noch immer ist. Shapton hat die Obsession, in jedes Schwimmbad gehen zu wollen, jeden Pool durchqueren zu müssen.
All das erzählt sie teils ernst, teils ironisch. Sie illustriert es mit eigenen Bildern und macht das Buch so auch zu einem Kunstbuch, das auf einer anderen Ebene als nur der schriftlichen die Monotonie und Meditation, die Erfüllung durch Wiederholung illustriert.
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Anbaden 2012
Lynn Sherr feiert das Schwimmen in einer persönlichen Kulturgeschichte
Erneut gelesen: Dieter Kühns Napoleon-Buch „N“
Vor mehr als 40 Jahren ist dieses Buch erstmals erschienen. Vor gut 20 habe ich es gelesen. Auch heute lohnt es sich noch. Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet. Denn Dieter Kühn erzählt das Leben Napoleons von der Geburt bis zum Zeitpunkt der Machtübernahme im nachrevolutionären Frankreich.
Aber das Buch ist keine Biografie. Ein Roman ist es auch nicht. Genau dieses Zwitterhafte hatte ich noch in Erinnerung. Und dass der Text in vielem sehr theoretisch wirkte. Doch genau das macht seinen Reiz aus. Dieter Kühn erzählt nämlich nicht nur den Werdegang Napoleons, sondern auch die Möglichkeiten, die es in seinem Leben auch noch gegeben hatte. Und diese spinnt er immer wieder an den Weggabelungen des Lebens weiter. Was wäre gewesen, wenn nicht er sondern sein Bruder Soldat geworden wäre und er Geistlicher? Was wäre gewesen, wenn Nelson Napoleons Flotte vor der Ankunft in Alexandria vernichtet hätte? Was wäre aus ihm geworden, wenn er in türkische Dienste eingetreten wäre?
Dieses Hypothetische sorgt dafür, dass der Leser das Leben Napoleons nicht von seinem erfolgreichen Phasen als Eroberer Europas, als Verbreiter des Code Napoleon, des Vorläufers unseres Bürgerlichen Gesetzbuches, herdenkt. So schrumpft die Größe auf ein menschliches Maß, da zwar die Tatkraft und Intelligenz gewürdigt werden, aber eben auch immer die Zufälle und Gelegenheiten, die er für sich zu nutzen wusste. Da schwingt viel 68er-Gedankengut mit. Es geht um die politische Kraft des Individuums und um die gesellschaftlichen Umstände, die Geschichte gestalten. Es geht um eine hohe Kunst der Dialektik, wenn die unterschiedlichen Optionen durchgespielt werden.
Dabei gelingt es Kühn aber, nicht im Traktat zu versumpfen oder in der Theorie zu veröden. Er liefert ein Gedankenspiel, das auch heute noch Spaß macht – und nachdenklich. Spaß übrigens mehr als damals beim Lesen.