Will Eisner zeichnet ein Comic gegen den Judenhass

Wenige Hetzschriften wirken so lange und so verheerend wie „Die Protokolle der Weisen von Zion“. Will Eisner, der große – im Januar verstorbene – Meister des Comics, erzählt die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte in Bildern.

Will Eisner kam 1917 in Brooklyn zur Welt. Seine Eltern waren Juden aus Österreich, die ihr Glück in New York suchten. Hätten sie diesen Schritt nicht gewagt, wären er und seine Eltern sehr wahrscheinlich genauso wie sechs Millionen andere europäische Juden von den
Nazis ermordet worden. Eines der wichtigsten Bücher, auf die sich Hitler und die Nazis
immer wieder in ihrem Judenhass beriefen, waren die „Protokolle der Weisen von Zion“.

Für Hitler waren sie echt. Davon, dass es sich dabei um eine üble Fälschung handelt,
wollte er nichts wissen. In den Protokollen wird eine angebliche Sitzung der einflussreichsten Juden wiedergegeben. Auf ihr sollen sie beschlossen haben, die Weltherrschaft zu übernehmen. Alle Vorurteile über die jüdisch-kapitalistische Weltverschwörung sind in diesem Band versammelt.

Doch das verheerende Buch stammt aus der Feder eines Fälschers des Geheimdienstes des russischen Zaren. Gedacht war es, um die Juden für Unruhen verantwortlich zu machen. Es fiel auf furchtbar fruchtbaren Boden. Schon im Zarenreich kam es zu
Progromen an Juden. In den folgenden mehr als hundert Jahren wurde es in alle wichtigen
Sprachen mehrfach übersetzt.

Zurzeit ist es bei islamistischen Terroristen eine gern gelesene Lektüre zur Anzettelung des Hasses gegen Israel. Will Eisner zeichnet die erschütternde Geschichte des Machwerks
in düsteren, eingängigen Bildern. Da es sich dabei leider um keine abgeschlossene Geschichte handelt, ist Eisner darauf angewiesen, erklärende Zwischentexte und Fußnoten zu verwenden. Das wirkt bei einem Comic zwar etwas seltsam, ist aber dennoch zulässig.
Denn Eisner will aufklären. Er wählt den Comic, um sein Thema an Menschen zu bringen,
die niemals ein Geschichtsbuch in die Hand nehmen. Sein Comic kann sie erreichen. Das ist hervorragend. Besser als Geschichtsstunden in der Schule – und einprägsamer.

Gefahr Her Vereinfachung – Der Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen zu Goldhagens Thesen

Selten wurde ein Buch schon vor dem Erscheinen so heftig diskutiert wie Daniel Goldhagens „Hitlers willige Vollstrecker“. Der Harvard-Dozent stellt die These auf, daß beim Holocaust „ganz gewöhnliche Deutsche aufgrund ihres Antisemitismus durchaus Mörder aus Überzeugung“ gewesen seien. Eine überwiegende Mehrheit der Deutschen habe einen tief verwurzelten, seit Jahrhunderten überkommenen „eliminatorischen Antisemitismus “. Zur Auslieferung des Buches sprach die RUNDSCHAU mit dem Leiter der Gedenkstätte Sachsenhausen, Dr. Günter Morsch.

Wie bewerten Sie die Diskussion über Goldhagens Thesen?
Ich muß das Buch zunächst einmal lesen. Ich kenne Aufsätze von Goldhagen und die Diskussion über ihn. Aber so wie ich die Thesen Goldhagens bis jetzt kenne, scheinen sie mir etwas vereinfachend. Wäre es so gewesen, dann ließe sich Geschichte viel einfacher erklären. Das Problem ist doch eher, daß man den Genozid nicht nur aus einem massiv verbreiteten rassistischen Antisemitismus  in der Bevölkerung erklären kann.

Was war dann die Ursache?
Der rassistische Nationalsozialismus ist nur ein Punkt von vielen – und meiner Meinung nach, was die Tragfähigkeit innerhalb der Bevölkerung anlangt, nicht einmal der wichtigste. Im Gegenteil: Wenn man die Quellen studiert, kann man nachweisen, daß der rassistische Antisemitismus der Nationalsozialisten zumindest bis 1939 außerhalb der NS-Bewegung kaum Widerhall fand. Er stieß sogar auf Ablehnung. Die war aber nicht so groß, daß man aktiv dagegen vorgegangen ist. Und genau das ist das Problem.

Greift Goldhagen zu kurz?
Die Frage, wie sich ein Genozid in einer modernen Gesellschaft, die sich auf einem hohen kulturellen Niveau befindet, durchsetzt, sehe ich in der Tendenz durch die Goldhagen-These eher verkürzt.

Sehen Sie Parallelen zu Konflikten – etwa auf dem Balkan?
Es gibt bis jetzt keinen mit dem Holocaust vergleichbaren Vorgang. Da sehe ich eine Einmaligkeit. Auf der anderen Seite ist es trivial zu sagen, daß die Lager und eine Politik der Ausrottung eine Begleiterscheinung der Moderne sind, die nicht nur für den Holocaust gilt.

Ausrottung und davor Ausgrenzung?
Ja, aber mit dem Ziel der Vernichtung. Sie sprechen genau das Problem der Vergleichbarkeit an. Das gilt auch für den Erkenntnisgewinn im Hinblick auf die Erziehung: Wie können wir so etwas abwehren? Wenn man da die These Goldhagens vertritt und sagt, der Holocaust sei ein Produkt des übersteigerten Rassismus einer ganzen Bevölkerung, dann macht man es sich zu einfach.

Man bleibt dann also zu oberflächlich und kann das Volk nicht richtig verstehen?
So ist es. Gerade das Verhalten der deutschen Bevölkerung –  von der Arbeiterschaft bis zum Bürgertum – war viel komplizierter. Das muß man wissen, um auch Widerstand verstehen zu können. Historische Prozesse lassen sich nicht auf die einfache Mechanik „Zustimmung ist gleich Handlung“ reduzieren.

Warum gibt es ausgerechnet jetzt eine so heftige Debatte?
Es ist ganz bezeichnend, daß im gleichen Maß, wie ganz bestimmten gesellschaftlichen Trägerschichten die Mitverantwortung genommen worden ist, sie den kleinen Leuten summarisch auferlegt wurde. Und in diesen Dreh kommt die These Goldhagens hinein. Entstehen von Widerstand, Ablehnung und Zustimmung, das ist nicht diese einfache Mechanik. Das versimplifiziert die Strukturen totalitärer Herrschaft enorm und nimmt uns damit die Chance, etwas darüber zu lernen, wie man totalitärer Versuchung widerstehen kann.
(Das Gespräch führte Andreas Oppermann)