70 Meter ist Staumauer des Mooserbodenseess an der Basis dick. 107 Meter ist die fast 500 Meter lange Staumauer hoch. Ein gewaltiges Bauwerk mitten in den Bergen, das sich einfügt, als gehöre es hier her. Um zum Moserbodensee zu kommen, fährt man kilometerweit durch Tunnel mit dem Bus. Allein diese fast halbstündige Fahrt lohnt den Ausflug in Österreichs Technikgeschichte schon. Denn die Tunnel werden durch grandiose Ausblicke abgelöst, wenn der Bus ins Freie kommt. Etwa an der Staumauer des Limbergsees, der unterhalb des Moserbodens liegt. Beide zusammen bilden ein gigantisches Pumpspeicherkraftwerk.
Geplant wurde die grandiose Anlage schon in den 1930er-Jahren. Angefangen wurde sie von den Nazis, Dutzende Zwangsarbeiter starben dabei. Fertig gestellt wurde das Kraftwerk Kaprun dann nach dem 2. Weltkrieg mit Mitteln des Marschall-Fonds. Damals produzierte es so viel Strom, dass fast ganz Österreich damit versorgt werden konnte. Heute ist es nur eines von vielen Wasserkraftwerken, die aus Schmelzwasser gespeist werden. Was in den 1950er-Jahren genügte, um ein Land zu versorgen, ist heute angesichts unseres Stromverbrauchs nur ein kleiner Baustein zur Versorgungssicherheit.
Während man auf der Staumauer vor allem von der großartigen Natur gefesselt ist, bekommt man im Innern einen ganz eigenen Eindruck von der Wucht des Bauwerks. Der Gang zieht sich im engen Stollen, der Blick in die Tiefe der Mauer in einem Leiterweg nach unten findet keinen Halt. So tief ist die Basis. Selbst die Beleuchtung wird auf dem Weg nach unten verschluckt.
Der Stausee selbst ist schön. Auch die Mauer ist ein gelungener Eingriff in die Natur. Beides ist zwar gewaltig, aber angesichts anderer Formen Energie zu erzeugen, eine fast schon harmonische Veränderung. Im Vergleich zu den Tagebaulöchern, die irgendwann auch mit Wasser gefüllt sein werden, zeugt die Idee der Stauseen von Nachhaltigkeit. Sie füllen sich jedes Jahr wieder mit Schmelzwasser, das ins Tal fließt. Solange es noch Winter und Schnee und Gletscher gibt, wird das funktionieren. Der Mann von den Verbundwerken, der uns durch die Mauer führte, geht davon aus, dass dies noch gut 100 Jahre klappen könnte. Dann gibt es keine Gletscher mehr. Schuld daran ist nicht die Wasserkraft, sondern die Kohlenverfeuerung, das Verbrennen (russischen) Erdgases oder (arabischen) Öls.
First Solar streicht die Segel. Damit macht der amerikanische Konzern seine Ankündigung wahr, bei einer weiteren Senkung der Einspeisevergütung für Solarstrom Deutschland zu verlassen. Wirtschaftsminister Rösler und Umweltminister Röttgen kannten diese Gefahr. Dennoch setzen sie weiter auf eine radikale Kürzung der Solarförderung.
Ob tatsächlich die Kürzungspläne oder innerbetriebliche Ursachen für die Schließung verantwortlich sind, ist schwer zu beurteilen. Sicher ist nur, dass diese für Frankfurt (Oder), für Brandenburg, ja für große Teile Ostdeutschlands eine Katastrophe ist. Denn nach den Insolvenzen von Solon in Berlin, Q-Cells in Sachsen-Anhalt und Oder-Sun in Frankfurt (Oder) wird erneut die Zuversicht von ganzen Regionen in eine neue Industrialisierung zerschlagen. Menschen, die Dank einer Stelle in der Solarwirtschaft wieder hoffnungsfroh in die Zukunft blickten, sehen sich nun um diese betrogen. Allein 1200 Arbeitsplätze bei First Solar plus weitere 2000 bei Zulieferern und Dienstleistern werden in Frankfurt wegfallen. Wenn nun auch noch Conergy folgen sollte, gibt es die Solarindustrie in Ostbrandenburg nicht mehr.
Und dennoch steht Frankfurt diesmal nicht so schlecht da wie beim Ende der Chipfabrik vor zehn Jahren. Die Infrastruktur ist jetzt deutlich besser. Die Stadt hat mit der Solarindustrie bewiesen, dass sie solche Ansiedlungen umsetzen kann. Auf dieses Know How kann die Wirtschaftsförderung nun zurückgreifen. Zusammen mit der jetzt vorhandenen Infrastruktur ist das ein Pfund, mit dem sie bei der Investorensuche ganz anders wuchern kann als vor einem Jahrzehnt. Deshalb hilft es jetzt nur, die Ärmel hochzukrempeln und nach vorne zu schauen. Zusammen mit der Hilfe von Land und Bund sind die Chancen ganz gut, dass neue Investoren gewonnen werden können.
Dieser Kommentar ist am 18. April 2012 auf Inforadio vom rbb und Antenne Brandenburg gesendet worden.
Schön bunt ist die Fabrik von First Solar in Frankfurt (Oder). Für die Mitarbeiter sieht die Zukunft aber eher schwarz-weiß aus. Die Farben werden bleiben, auch wenn die Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen wurden. First Solar schließt die Fabriken. Der Aktienkurs macht einen Sprung. Und die Politik kann darüber nachdenken, ob die Senkung der Einspeisevergütung für Solarstrom, den die Bundesregierung beschlossen hat, eine gute Idee war.
Es ist tragisch, dass ein Unternehmen, das schwarze Zahlen schreibt, keinerlei soziales Gewissen hat. Es ist schlimm, dass einer Stadt, ja einer ganzen Region wieder einmal die Hoffnung genommen wird. Es ist ärgerlich, dass die Fördersummen zum Großteil nicht zurückgezahlt werden müssen.
Aber wirklich unfassbar ist, dass dies zu einem Zeitpunkt geschieht, an dem Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kommunen die Energiewende als notwendig akzeptiert haben. Aber eben nur im Prinzip – und nicht im Detail.
1967 war es die Steinkohle, ohne die sich niemand vorstellen konnte, dass es genügend Energie für den Wohlstand geben könnte. 2012 glaubt Brandenburgs Landesregierung plus CDU- und FDP-Opposition noch immer, dass die Braunkohle Basis für den Wohlstand in der Lausitz sei. Damals wie heute hat das für die Vergangenheit gestimmt. Den deutschen Steinkohle-Bergbau gibt es nicht mehr. Er ist genauso Geschichte wie diese Anzeige. Die Braunkohle wird folgen. Und zwar schneller, als viele glauben. Nur Energie, die keine Brennstoffkosten verursacht, hat Zukunft. Und das sind Sonne, Wind und Co.
Mal schauen, wann Braunkohle-Anzeigen nur noch Geschichte sind?
Wenn der Strom teurer wird, liegt das an Erneuerbaren Energien. Das ist der Kern dessen, was Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers nicht nur in der aktuellen Antwort auf eine parlamentarische Anfrage antwortet. Er ist davon wirklich überzeugt.
Damit beweist er, dass er Verwalter und Bewahrer des Gegenwärtigen, nicht aber Gestalter der Zukunft ist. Denn es stimmt natürlich, dass bei einer erhöhten Stromproduktion neue Netze benötigt werden. Es sei denn, die Produktion des klimaschädlichen Stroms aus Braunkohle würde reduziert. Dann müsste zwar immer noch in die Netze investiert werden, aber erheblich weniger. Oder wenn es nicht nur den einen Energie autarken Ort Feldhain in Brandenburg gäbe, sondern Dutzende, vielleicht sogar Hunderte. Dezentral aus Erneuerbaren Energien versorgte Orte benötigen kaum Netze.
Für einen Linken müsste diese Art der Versorgung eigentlich erstrebenswert sein, da sie nicht auf die Existenz bestehender Konzerne setzt. Doch Christoffers und der Landesregierung fehlt der Mut die Energiewende zu denken. Auf Dauer kommt das die Verbraucher viel teurer zu stehen.
Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?
Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.
Kommunikations-Versagen: Hochspannungsleitungen für den Atomausstieg
Als drittes Beispiel für eine völlig verfehlte Kommunikation nach dem Motto: „Wie sage ich es meinen Bürgern“ bietet sich derzeit das Thema Stromtrassen durch Deutschland an. Auch hier werden nicht die eigentlichen Ursachen benannt. Die politische Kommunikation ist von der Annahme geprägt, dass die Stromproduktion der Atomkraftwerke am gleichen Ort ersetzt werden muss. Und dies durch eine Infrastruktur, die weiter auf zentralen Erzeuger- und Verteilereinheiten beruht.
Es wird keine Diskussion darüber geführt, ob das der einzig gangbare Weg wäre. Die Themen Dezentralisierung der Energieversorgung und der Energieproduktion spielen keine Rolle. Deshalb lässt sich sagen, dass es im Kern darum geht, die Interessen der vier großen Energiekonzerne ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu retten. Auch bei diesem Thema lassen sich zwei Versäumnisse der politischen Kommunikation feststellen. Zum einen wird nicht wirklich offen über Optionen gesprochen. Stattdessen wird das unsägliche „alternativlos“ immer wieder wiederholt.
Zum zweiten wird der Sachverstand der Bürger unterschätzt. Die Anzahl derer, die an Windkraftanlagen beteiligt ist oder auf dem eigenen Dach eine Photovoltaikanlage betreibt, geht in die Hunderttausende. Sie alle haben sich mit dem Thema beschäftigt. Sie wissen zumindest in Teilen, dass die Dezentralisierung eine Option – vielleicht nicht für das gesamte, aber immerhin für bedeutende Teile – der Energieversorgung sein könnte. Kommunikation von oben, die das Engagement und den Sachverstand der Bürger ignoriert, produziert zwangsläufig schwer steuerbare Konflikte. Verstärkt wird dies durch eine Medienlandschaft, die sich kaum mit den Alternativen befasst, sondern in der Regel nur mit den Informationen, die von der Bundesregierung, den Netzbetreibern oder der Wirtschaft geliefert werden, arbeitet. Diese werden kaum hinterfragt.
Außerdem werden auch in diesem Fall die Verantwortlichkeiten nicht transparent dargestellt. Wer hat die Planungshoheit? Wer kann politisch entscheiden? Wann ist Bürgerbeteiligung möglich? Welche Rolle spielen Kommunen, Kreise, Länder und der Bund? All das wird in der Berichterstattung meist nicht klar herausgearbeitet. Wenn es dann zum Unmut der Betroffenen kommt, ist das kein Wunder. Und mehr noch: Der Ärger und der Widerstand ist vorprogrammiert.
Auf ihrer ersten Sommerkonferenz haben die Brandenburger Grünen am vor allem über nachhaltige Wirtschaftspolitik diskutiert. Bundeschef Cem Özdemir versprach in Beeskow: „2013, wenn wir im Bund wieder Verantwortung übernehmen, machen wir die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke wieder rückgängig.“
Dieses Selbstbewusstsein kam bei den Brandenburger Grünen sehr gut an. Auch wenn es für die meisten anwesenden Parteimitglieder noch ungewohnt ist. Nicht einmal 800 Mitglieder hat die Partei im gesamten Land. Die meisten Aktiven kennen sich. In vielen Stadtverordnetenversammlungen und Kreistagen sind sie nicht einmal in Fraktionsstärke vertreten, etwa in Cottbus oder Oder-Spree. Dort sind sie Fraktionsgemeinschaften mit der SPD eingegangen. Eine eigenständige grüne Politik ist so kaum möglich.
Die meisten der 150 Teilnehmer der Sommerkonferenz am Sonnabend in der Beeskower Burg fühlen sich fast wie auf einem Familienfest. Umso ungewohnter sind die Gäste, die mit ihnen über Nachhaltigkeit, Wirtschaft und Konflikte zwischen Naturschutz und dem Ausbau Erneuerbarer Energien diskutieren.
Ralf Christoffers (Linke), Brandenburgs Wirtschaftsminister, hat die Einladung ebenso angenommen wie Doro Zinke, DGB Vorsitzende Berlin-Brandenburg, oder Kurt-Christian Scheel vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Sie alle suchen den Dialog mit der kleinen Partei, die vor einem Jahr nach langer Pause wieder in den Brandenburger Landtag eingezogen ist. Und natürlich mit der Partei, die bundesweit in den Umfragen derzeit auf bis zu 17 Prozent kommt.
Das derzeitige Hoch der Grünen freut Cem Özdemir auf der einen Seite. Auf der anderen Seite ist er sich bewusst: „Unsere Programme werden jetzt mit dem Taschenrechner gelesen.“ Unrealistische Forderungen sind ihm suspekt. Aber das Beispiel Erneuerbare Energien zeige auch, dass zunächst ungewöhnliche Ideen durchaus realistisch sein können: Heute sei es Konsens, dass die Energiegewinnung vollständig auf Erneuerbare Energien umgestellt werden müsse. Es gehe nur noch um den Zeitpunkt. Als sie das Thema von 20 Jahren erstmals auf die Agenda gesetzt hätten, wären sie nicht ernst genommen worden. Dank grüner Politik wie dem Erneuerbare-Energien-Gesetz arbeiteten heute 300 000 Menschen in der Branche; viele davon in Brandenburg.
Wie diese Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden können, bestimmte die Diskussionen des gesamten Tages. Axel Vogel, Fraktionschef der Grünen im Landtag, forderte im Einklang mit Doro Zinke, dass das Vergabegesetz ökologische und soziale Aspekte beinhalten müsse. Der Entwurf der Landesregierung bliebe hinter dem Berlins zurück.
Da der Ausbau von Wind- und Solaranlagen auch Konflikte produziert, haben sich die Grünen in Beeskow auch darauf vorbereitet. Für die Uckermark hatte Vogel dabei einen ungewöhnlichen Vorschlag. Dort gibt es eine Initiative, die den Bau einer überirdischen Hochspannungsleitung unter die Erde verlegt wissen will. In Thüringen wird genau gegensätzlich diskutiert. Deshalb sollten die Projekte einfach getauscht werden. Beide Regionen wären mit dem Netzausbau versöhnt.
Über diesen pragmatischen Ansatz musste Christoffers schmunzeln, will ihn aber aufnehmen. Einen guten Rat hatte er für die Grünen obendrein: „Bei Konflikten hilft nur reden. Nur so können die Menschen überzeugt werden. Aber dann muss auch entschieden werden.“ Für Christoffers heißt das, dass nach Abwägung aller Sicherheitsaspekte Kohlendioxid bei Beeskow gespeichert werden könnte. Auch wenn Initiativen und Grüne strikt dagegen sind.
Die Ölkrise hat die Welt fest im Griff. Steigende Benzinpreise und keine Aussicht auf eine dauerhaft sichere Ölversorgung beunruhigen Wirtschaft und Verbraucher. Andreas
Eschbach hat mit „Ausgebrannt“ einen Thriller über das Versiegen der Ölversorgung
geschrieben, der viel von dem vorweg nahm, was jetzt in der Zeitung steht. Die junge Cottbuser Tageszeitung 20 cent sprach mit dem Autor.
Überall in Europa blockieren Lkw-Fahrer Autobahnen, in Spanien kam es sogar zu Toten. Die Realität des Sommers 2008 liest sich wie ein Teil Ihres Romans.
Ja, aber wie ein ziemlich weit vorn liegender Teil. Das, was zur Zeit passiert, sind alles noch Peanuts im Vergleich zu dem, was passieren wird, sobald es richtig abwärts geht mit
der Ölförderung.
Auch die Geschichte mit den französischen Fischern konnten wir schon bei Ihnen lesen. Wie haben Sie Ihr Szenario vom ausgehenden Öl entwickelt?
Das war so schwierig nicht, schließlich ist schon seit Jahrzehnten klar, dass es sich bei
Rohöl um eine endliche Ressource handelt, die irgendwann zur Neige gehen muss. Zumal
wir diesen Rohstoff ja mit ungeheurer Geschwindigkeit verbrauchen, viele Millionen Liter
jeden Tag. Und weil das eben seit Jahrzehnten klar ist, existiert natürlich auch schon ungeheuer viel Literatur zu diesem Thema; alle Aspekte sind längst diskutiert und gründlich von allen Seiten beleuchtet worden.
Was waren Ihre wichtigsten Quellen?
Da müsste ich nachsehen und lange grübeln, welches Buch wie wichtig war. Auf jeden Fall
waren Bücher wichtiger als Internetquellen, soviel kann ich sagen. Und das Bemerkenswerteste fand ich, dass ich gar nicht lange danach suchen musste: Das meiste von dem, was ich verwendet habe, stand schon lange in meinem Bücherschrank! Das scheint mir irgendwie eine Metapher zu sein für das Grundproblem des Ganzen: Dass wir keinen Plan B, keine Alternative zum Öl entwickelt haben, sondern es vorziehen, die Augen vor dem Problem zu verschließen.
Und wann sind Sie auf die Idee gekommen, daraus einen Roman zu schreiben?
Ich bin in irgendeinem Buch auf den Satz gestoßen, mit dem mein Roman anfängt: Auch mit dem letzten Tropfen Benzin kann man noch beschleunigen. In diesem Moment stand mir die Grundstruktur der ganzen Geschichte vor Augen, mit einem Schlag. Und wenn so etwas passiert, dann ist klar, den Roman muss man schreiben.
Wenn Sie nun die Realität mit Ihrem Szenario vergleichen, wo lagen Sie richtig, wo falsch?
Falsch liege ich – wobei mir das von vornherein klar war und ich dazu nur sagen kann: Gott
sei Dank! – mit dem Szenario,dass das saudische Öl auf einen Schlag versiegt. Die Möglichkeit, dass das passieren könnte, hat nach Aussagen von Experten immer bestanden, aber wie es aussieht, haben es die Saudis hingekriegt, das zu vermeiden. Wobei ihre Förderung zurückgeht, das haben sie inzwischen eingeräumt. Mit dem Rest liege ich, fürchte ich, richtiger als uns lieb sein kann.
Sie sind sehr pessimistisch, wenn es um neue Ölfelder geht. Warum?
Schauen Sie, selbst wenn ein Ölfeld gefunden wird, das eine Milliarde Barrel Öl enthält, was dann schon in den Medien berichtet wird, so selten passiert es, dann dauert es erstens
noch ziemlich lange, ehe das Öl erschlossen werden kann, und dann deckt diese Menge den
Weltbedarf rechnerisch trotzdem nur gerade mal zwei Wochen. Es ist einfach so, dass seit
Jahren mehr Öl verbraucht als neu gefunden wird – das bestreiten übrigens nicht einmal
die Ölkonzerne selbst, und auch nicht, dass das in der Natur der Sache liegt. Die Kurve
der Funde geht schon lange nach unten, die Kurve der Förderung muss ihr also zwangsläufig folgen.
Dass das Verbrennen von Erdöl auch für das Klima eine Katastrophe ist, haben Sie in Ihrem Thriller ausgelassen.
Es kommt nur einmal kurz vor. Das Buch ist schon so dick genug. Und ich bin mir nicht
sicher, welche der beiden Entwicklungen bedrohlicher ist – das Versiegen des Öls oder die
Erwärmung des Erdklimas. Ich sehe da zwei Schneiden einer Schere auf uns zukommen.
Al Gore will es in zehn Jahren schaffen, die USA von der Droge Öl zu entziehen. Ist das realistisch oder so fantastisch wie ein schlechter Roman?
Nun, wenn es darum ging, irgendwelche gigantischen und allgemein für unmöglich gehaltenen Projekte durchzuziehen, haben die Amerikaner den Rest der Welt in der Vergangenheit immer zu verblüffen gewusst. Ob sie das allerdings heutzutage noch drauf haben, mit einer entkernten und doch eher labilen Wirtschaft, weiß ich nicht. Es wäre zu wünschen. Mehr gespannt bin ich aber auf die Schweden, die ja von Öl UND Atomkraft wegkommen wollen. Schweden, man stelle sich vor! Mit Solarenergie ist dort ja nicht viel zu holen.
Haben Sie aus Ihrem Wissen auch persönliche Konsequenzen gezogen? Wie heizen Sie? Wie bewegen Sie sich fort?
Ich bin geborener Schwabe, da neigt man ohnehin zur Sparsamkeit. Aber das Haus, das
wir gekauft haben, ist in der Tat noch mit einer Ölheizung ausgestattet, und wir leben auf
dem Land in einer Gegend, wo man ohne Auto verloren ist.
Wollen Sie das ändern?
Natürlich. Bloß: Was macht man stattdessen? Das ist ja gerade das Problem.
Die internationale Konferenz für erneuerbare Energien in Peking (Birec 2005) hat einen „wesentlichen Ausbau“ regenerativer Energien gefordert. 20cent sprach mit Teilnehmer Hans-Josef Fell (53, Foto), forschungspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion.
Wie wurde in Peking die Abwahl von Rot-Grün aufgenommen?
Wegen des Ausscheidens der Grünen aus der Regierung fürchtet man, dass es schwerer wird, den deutschen Markt für erneuerbare Energien auszubauen.
Erneuerbare Energien gelten als zu teuer. Warum der Aufwand?
Die haben hohe Kostenreduktionspotenziale. Heißt: Gerade bei weiter steigenden Ölpreisen rechnen sie sich sehr schnell. Bereits heute sind sie in unterentwickelten Gebieten z.B. Chinas die kostengünstigste Art zum Aufbau der Energieversorgung.
Die Union will den Atomausstieg verzögern. Ist das wegen des Klimawandels nicht doch sinnvoll?
Die Wachstumsraten der erneuerbaren Energien reichen aus, um die fossilen Kraftwerke und die abgeschalteten Atomkraftwerke zu ersetzen. Dies bedeutet, dass wir sowohl die Probleme des Klimaschutzes und der radioaktiven Abfälle lösen können. Leider behauptet
die Atomwirtschaft aus durchsichtigen Gründen das Gegenteil. Zudem kann die Atomwirtschaft global gesehen wegen der knappen Uranreserven gar nicht nennenswert
zum Klimaschutz beitragen.
Was planen die anderen Nationen bei den erneuerbaren Energien?
Vor allem China hat enorme Ausbauziele angekündigt: So soll bis 2020 der gesamte Anteil der erneuerbaren Energien auf 15 Prozent steigen. In der Windkraft will China von heute knapp ein Gigawatt Windleistung auf 30 Gigawatt ausbauen. Für Deutschland wird es
wichtig sein, das vorhandene technische Niveau der erneuerbaren Energien zu verbessern. Dieser gigantische Markt könnte über den Export deutsche Arbeitsplätze schaffen.
Dieses Interwiew ist am 9. November 2005 in 20cent erschienen.