Ein erster Rundgang über die Landesgartenschau in Prenzlau

Auch wenn ich mir persönlich nichts aus Gartenschauen mache: Prenzlau hat sich im vergangenen Jahr wegen der Laga 2013 schwer gemacht. Die Anbindung des Uckersees an die Stadt, die Einbindung des Parkes vor der Stadtmauer und die Flächen rund um die Freiluftbühne sind wirklich schön. Für Gartenfreunde lohnt sich ein Besuch. Vor einem Jahr sah es hier noch ganz anders aus. Die Landesgartenschau in Prenzlau ist zudem ein Hoffnungsschimmer. Denn mit dem drohenden Ende der Photovoltaik-Fertigung bei Aleo-Solar plagen die Stadt wieder Sorgen, die man eigentlich überwunden haben wollte.

Bilder vom O-Bus im Eberswalde


O-Busse gibt es kaum noch in Deutschland. Nur in drei Städten fahren Busse mit STrom von der Oberleitung. Eine davon ist Eberswalde. Schon seit 1940 wird das Leitungsnetz betrieben. Dass das so bleiben soll, versichern alle Verantwortlichen der Stadt.

Ein gewisser Stolz ist zu spüren, wenn man in Eberswalde auf die Busse zu sprechen kommt. Wahrscheinlich auch deshalb pflegen sie dort die alten Busse. Und bei Veranstaltungen wie dem Neujahrsempfang werden sie dann gezeigt, die exemplarischen Vertreter mehrerer Generationen von O-Bussen. Damit wird auch Werbung gemacht. Denn man kann sich für besondere Momente im Leben einen ganzen, alten O-Bus mieten. Dann bekommt zum Beispiel das Hochzeitspaar Kraft von oben – auch wenn es sich nur im STandesamt das Ja-Wort gegeben hat.

Erinnerungen im Dokzentrum für DDR-Alltagskultur in Eisenhüttenstadt

 

„Mama, so ein Bild hattest Du doch auch mal?!“ Die Frau, die sich über die Entdeckung einer stilisierten Palme aus Stroh auf Holz freut, ist Mitte 40. Ihre Mutter dürfte ungefähr 70 Jahre alt sein. Sie dreht sich um, blickt auf das Holzbildchen und meint: „Das habe ich noch. Es ist runtergefallen und liegt hinter dem Schrank.“ So ist das mit den Ausstellungsgegenständen im Dokumentationszentrum für Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt. Allein die Besichtigung der Ausstellung legt Erinnerungen frei. Sie öffnet den Blick auf das Vergangene, das doch so lang Teil des eigenen Lebens war. Fast so, wie der Fund eines alten Bildes, das einst hinter den Schrank fiel und in Vergessenheit geriet, bis der Schrank verrückt werden muss.

Auch die Erinnerungen an den Alltag in der DDR, in diesem Leben, das in einer völlig anderen Welt stattfand, sind oftmals ganz seltsam. Da schwingt viel Wärme mit, wenn es um schöne Feiern, Erfolge im Beruf oder beim Ergattern von Bückware geht. Bei vielen gibt es auch ein Gefühl von sozialer Sicherheit, vor allem dann, wenn die neuen Zeiten mit Arbeitslosigkeit, dem Verlust von sicher geglaubter Qualifikation oder gesellschaftlichem Abstieg einhergingen.

All das ist bekannt und für die betroffenen dennoch schmerzhaft. Im Dokumentationszentrum für DDR-Alltagskultur spielen diese Aspekte der Geschichte der DDR auch eine wichtige Rolle. Viel wichtiger aber ist der Blick auf die Dinge, die das ganz normale Leben ausmachten. Die hat Andreas Ludwig schon kurz nach dem Zusammenbruch der DDR anfing zu sammeln. Da lernt man, dass selbst Mehltüten politisiert wurden, indem Jahreslosungen der Partei aufgedruckt wurden. Hier sieht man, was es zu kaufe gab – und wovon viele träumten (aus Jeans und Platten und Bücher aus dem Westen). All das ist nicht nur einen Besuch wert. Es ist vor allem erhaltenswert. Und zwar nicht nur als Museum, sondern auch und vor allem als Dokumentationszentrum. Also als eine Stelle, die aufarbeitet, wann es welche Produkte gab und warum. Mit jeder Mehltüte, mit jedem Schlüsselanhänger vom Fernsehturm, mit jeder Übungshandgranate, die zum Weitwurf im Sportunterricht eingesetzt wurde, wird bewahrt und erklärt, wie das Leben wirklich war in der DDR  ohne zu verklären und ohne zu verdammen.

Ein lesenswerter Text zum Erhalt des Dokzentrums steht auf Eisenhüttenstadt-Blog…

Kerstin Schoor entdeckt deutsch-jüdische Literatur

In Bad Saarow (Oder-Spree) hat die Literaturwissenschaftlerin Kerstin Schoor neue Spuren entdeckt. Hier lebte ein jüdischer Autor während des Dritten Reiches. Das Haus, in dem Gustav Hochstetter wohnte, steht noch. Die Eigentümerin hat die Professorin der Viadrina in Frankfurt (Oder) darauf aufmerksam gemacht. Denn bei der Antrittsvorlesung von Kerstin Schoor war sie dabei.

Die Axel Springer-Stiftungsprofessur für deutsch-jüdische Literatur- und Kulturgeschichte, Exil und Migration hat Kerstin Schoor seit April inne. Ihr Schwerpunkt war bisher die Erforschung des literarischen Lebens von Juden in Berlin nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten. Mehr als 1000 deutsch-jüdische Autoren publizierten bis 1938 in Berlin, auch der Mann aus Radinkendorf. Diese erstaunliche – und selbst in der Fachwelt eher unbekannte – Geschichte recherchierte die Literaturwissenschaftlerin.

Im Antenne Gespräch spricht sie über die Schwierigkeit, Tagebücher von Menschen zu lesen, die später ermordet wurden. Sie erzählt von der Bereicherung ihres Lebens, wenn sie mit Überlebenden sprechen konnte. Und sie schildert, wie sie Brandenburg und Berlin sowohl literarisch als auch wissenschaftlich interessiert.

Der Link zum Antenne Gespräch als Audio…

Eindrücke von einem Abend beim Musiksommer Chorin 2012

Howard Griffiths fordert das Publimkum beim Choriner Musiksommer 2012 zum richtigen Mitklatschen auf.

Es war schon very british. Das Konzert des Brandenburgischen Staatsorchesters beim Choriner Musiksommer war voller musikalische Hochkomik – und voll von Präzision, Kraft und Virtuosität. Die Mischung aus Händels „Feuerwerkmusik“, Woods „Fantasia on British Sea Songs“, Elgars „Pomp and Circumstance“ und weiteren hoch amüsanten Stücken von Arnold, Walton, Heberle und Vivaldi hauchten der Backsteinruine des Klosters Chorin eine enorme Fülle Leben ein.

Vor 25 Jahren wäre es kaum denkbar gewesen, dass ein englischer Dirigent ein ostdeutsches Orchester leitet und das Publikum mit ironisch gebrochener Begeisterung über englische Monarchie, britische Traditionen und insularem Humor an diesem Ort so in Wallung versetzt, dass nur noch lauthalses Lachen fehlt, um alle Formen der akustischen Begeisterung auszureizen. Schon allein für diese Erinnerung an die Freiheit, die ja auch gerade auf den britischen Inseln über Jahrhunderte kultiviert wurde, hat den Besuch gelohnt.

Aber natürlich auch der Genuss an der Musik, das Staunen über die Virtuosität von Maurice Steger, der so erstaunlich schnell und intensiv seine Blockflöten blies, dass das Gehör mit dem Erfassen Tonkaskaden kaum folgen konnte. Und auch Steger hat trotz aller Konzentration auf seine Fingerläufe den Humor nicht vergessen. Im Gegenteil: Steger und Griffith ergänzten sich mit ihrer Lust am kultivierten Witz wunderbar. So sehr, dass die Grundstimmung des Abends, diese lustvolle und kraftvolle Aufforderung auf die kindliche Freude am schönen Klang, am Spaß und am Lachen, nachhallt. Und sicher noch sehr lange nachhallen wird.

Bad Freienwalde verblüfft – mit den Comedian Harmonists und einer schönen Stadt

 

Irre, was Matthias Raupach und seine Helfer da in Bad Freienwalde auf die Beine stellen. Die Sommerkomödie mit einem Comedian Harmonists-Musical fasziniert, begeistert, rührt und – vor allem – beschwingt. Dazu empfiehlt es sich nicht alleine in den Saal der Kurtheaters zu gehen. Den zu viele dieser wunderbaren Lieder, die von Raupachs Sommerkomödien-Truppe hervorragend interpretiert werden, handeln von der Liebe, der Zweisamkeit und der Freundschaft.

Nun ist das Kurtheater Bad Freienwaldes nicht mit Kurtheatern in Baden Baden, Bad Kissingen oder Karlsbad zu vergleichen. Hier herrschte schon früher Bescheidenheit statt Pomp. Aber der Saal ist schön – und versprüht zudem eine olfaktorische Nostalgie. Hier hat sich der Geruch der DDR gehalten. Dieses Desinfektionsmittel, das sich im Spannteppich und in den Sprela-Verkleidungen festsetzte. Aber: Das ist wirklich das Einzige, was unangenehm berühren könnte! Wenn man den Geruch nicht auch schon wieder als eine nostalgische Erinnerung aufnimmt.

Überhaupt ist Nostalgie der große Trumpf der zehnten Sommerkomödie. Die Leider der Comedian Harmonists kennt fast jeder. Die Inszenierung Raupachs lässt sie aufleben – aber ohne jeden Kitsch. Denn Raupach scheut sich auch nicht vor den schweren Themen, vor Judenverfolgung, Nationalsozialismus und der zersetzenden Kraft der Anpassung, die das Ende der Boygroup bringt. Raupach führt durch die Geschichte der Kombo wie in einer Nummernrevue – und schafft auch so das richtige Klima für die Songs und das Schauspiel.

Das ist wirklich bezaubernd, ergreifend und berührend.

Und ein Ausflug in das Städtchen lohnt sich zudem. Es gibt wenige so gut erhaltene Orte in der nähe der Oder.

 

Eine Einschulung, die nichts Gutes verspricht

Ausrichtung in Reih und Glied mit der Garantie zum Verbiegen
So wie dieser Fahrradständer im Schulhof schön in Reih und Glied ausgerichtet ist, so sollen auch die Schüler vor allem zu zappelfreien und ordentlichen Schülern werden. Dabei garantiert der Fahrradständer verbogene Vorderräder. Wie wohl die Kinder verbogen werden?

Jetzt liegt der erste Schultag schon einige Tage zurück. In den tiefen Südosten Brandenburgs sind wir gefahren, um die Tochter von Freunden beim Gang mit der Schultüte zu begleiten. Und dieser Gang hatte es in sich: Nicht nur, dass hier in der Lausitz die Schülerinnen und Schüler mit Pauken und Trompeten von Lehrern, Eltern, Freunden und Verwandten in loser Marschordnung in die Schule gebracht werden. In Sichtweite der Dampfwolken von Schwarze Pumpe stimmt die kleine Kapelle das Steigerlied an, als es auf den Schulhof geht. Ganz so, als würden heute noch zukünftige Braunkohlekumpel gebraucht.

Und dann in der „Astrid-Lindgren-Grundschule“ mit dem integrierten kommunalen „Max-und-Moritz-Hort“. Nach dem Marsch in die Schule folgt die Einnordung der Rektorin: „Liebe Schulanfänger, liebe Eltern, verehrte Pädagogen.“ So fängt sie an. Sie macht in einem schlimmen Babysprech in ihrer Rede an die ABC-Schützen sofort klar, wer hier in diesen Räumen zu verehren ist – und wer allenfalls lieb sein kann. Denn um lieb zu sein, muss man auch gehorchen – und darf auf gar keinen Fall zappeln. Zwar könnten weder die Pippi Langstrumpf noch Max und Moritz ruhig sitzen, aber „wenn Du morgen schon nicht mehr zappelst, dann kriegst Du ein Lob.“ Ja diese Rektorin weiß, worauf es ankommt.

Nicht auf Kreativität, wie sie Pippi Langstrumpf hat, nicht auf das unkonventionelle Denken und die Phantasie der Namenspatronen. Nein, ruhiges Sitzen ist die Herausforderung, mit der sie die Schulanfänger ködert. Ihr Babysprech vermeidet jedes wirklich motivierende Wort, denn bedeutend ist die Anpassung an das, was die zu verehrenden Pädagogen verlangen.

Das macht sie auch den Eltern klar. Denn nach den sechs Jahren in der Fürsorge der Eltern kämen die Kinder jetzt in die Fürsorge dieser Frauen (auch wenn die männliche Form Männer als Lehrkräfte suggeriert, sind nur weibliche zu sehen – wenn auch mit wunderbar regionaler Haarmode in zwei Farben oder auch gern in grellem Rot). Aber ob das die Eltern beruhigt, dass die Kinder nicht den Raum bekommen sollen, um sich zu selbständigen, starken Persönlichkeiten entwickeln zu können? Sondern zu künftigen Fürsorge-Empfängern? Denn das meint der Begriff Fürsorge der Definition zu Folge ja: „Fürsorge bezeichnet die Sorge, auf die Menschen unter bestimmten Umständen ein Recht haben, und bezeichnet ebenfalls das aus der Ethik der Barmherzigkeit bzw. der Almosenpraxis erwachsene System der Fürsorge, Obsorge, Sozialhilfe oder Sozialen Sicherheit.“

Ich glaube nicht, dass die Frau wusste, was ihre Worte wirklich bedeuten. Aber ich bin ganz sicher dass sie das, was sie sagte, aus tiefster Überzeugung sagte. Und dass sie damit unter den Lehrerinnen und Lehrern Brandenburgs bei weitem nicht alleine steht.

P.S. Für unsere Schulanfängerin war es dennoch ein schöner Tag. Sie wurde schön gefeiert. Und freut sich auf die Schule – hoffentlich noch ganz lange.

Holzgeschenke für Nazis und Ostalgiker

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Wer kennt sie nicht, diese gebrannten oder bemalten Holztäfelchen mit Sinnsprüchen der eher dümmlichen Art? Neu war mir, dass es sie auch für Nazis und ähnlich gesinnte historisch Zurückgebliebene gibt.

Ein Stand auf einem Volksfest. Dutzende ovale Täfelchen werden angeboten. Darunter Tafeln für den ewiggestrigen Ossi und – noch schlimmer – für den Nazi, der von der rein deutschen Zone träumt. Da es solche Angebote in der Marktwirtschaft nur gibt, wenn Absatz winkt, scheint das Produkt auf dem Volksfest wohl platziert.

Aber fotografieren darf man es nicht. Der Naziausstatter will nur verkaufen, aber auf keinen Fall, dass darüber gesprochen wird. Den Gefallen kann ich ihm nicht erfüllen. Auch wenn er beim Knipsen „Unverschämt!“ schäumt. Und seine Frau versucht das Produkt verschämt zu verdecken. Doch unverschämt sind die Produkte für Nazis und Ostalgiker. Und nicht der angeekelte Blick darauf.