Der Fall El Masri wird immer obskurer. Die Aussage des Telekom-Mitarbeiters aus Skopje hat es in sich. Wenn ihm die deutsche Botschaft tatsächlich sagte, dass der Fall bekannt sei, dann wird es eng für Außenminister Frank-Walter Steinmeier.
Der war als Kanzleramtsminister von Gerhard Schröder für die, Geheimdienste verantwortlich. Wenn die Botschaft von El Masris Entführung durch die CIA wusste, dann muss es auch Steinmeier bekannt gewesen sein. Und wenn nicht, dann hatte er einen der sensibelsten Sicherheitsapparate der Republik nicht im Griff. Und das in der Hochphase
des Kampfes gegen den Terror.
Aber vielleicht war es eher so, dass den Amerikanern niemand reinreden wollte – auch wenn die Menschenrechte deutscher Staatsbürger mit den Füßen getreten wurden. Wer sich so verhält, wäre als Minister untragbar. Die Unschuldsvermutung gilt wahrscheinlich nicht mehr lange.
Die große Koalition war der Traum vieler Deutscher vor der Wahl im verganganen September. Zwei große Parteien könnten alle großen Probleme lösen, ohne sich ständig zu blockieren. Und jetzt das: Die große Koalition legt einen Haushalt vor, der nur im Schuldenmachen und Steuern-Erhöhen groß ist.
Ansonsten ist er ein gewaltiges Ärgernis kleingeistiger Politik. Wer völlig zurecht seine Schulden reduzieren will, der muss die Ausgaben senken. Doch genau das geschieht nicht. Beim Subventionsabbau sind SPD und CDU weit hinter den Vorschlägen der damaligen Ministerpräsidenten Steinbrück (SPD) und Koch (CDU) vor drei Jahren zurückgeblieben. Ja sie satteln sogar noch drauf. Etwa bei der extra Kinderwurf-Prämie namens Elterngeld.
Diese Koalition ist zurzeit nur im Verschenken von Steuerzahlers Geld groß. Und im Produzieren von Verdruss.
Peter Debauer ist ohne Vater aufgewachsen. Obwohl der Schweizer war, ist er am Ende des Zweiten Weltkriegs in Schlesien verschollen. Debauer begibt sich auf die Suche nach dem Mann, den er nie kennen lernen konnte. Ausgelöst wird sie durch einen Heftchenroman, in dem ganz reale Dinge mit der Odysee verknüpft werden. Berhard Schlink (62) hat wieder einen großen Roman über das Nachwirken von Geschichte geschrieben. Hans Korte (77) liest ihn komplett auf acht CDs. Seine ruhige Stimme, der das Alter anzumerken ist, gibt Schlinks Text eine besondere Glaubwürdigkeit. Sie zieht den Hörer bei den Fragen um Moral, Verantwortung und Liebe so in den Bann, dass das Wechseln der CDs zur Qual wird.
Bernhard Schlink: Die Heimkehr, gelesen von Hans Korte. Diogenes, 8 CDs, 34,90 Euro.
Über 1611 Euro verfügen deutsche Kinder zwischen acht und 14 Jahren jährlich. Und an dieses Geld will natürlich die industrie. Marita Vollorn und Vlad Georgescu haben eine Streítschrift gegen die Kommerzialisierung der Kindheit geschrieben. Konsumkids untersucht die Strategien der Marketingspezialisten, mit denen sie schon im Kindergartenalter beginnen, Marken in die Köpfe der Kinder zu brennen. Das beginnt mit dem Fernsehprogramm für die Kleinen und endet mit dem vermeintlichen Zwang zu Markenklamotten in Schule und Freundeskreis. Für Eltern ist dieses Buch lesenswert,
auch wenn es manches zu schwarz malt. Einige Erziehungtipps runden Konsumkids ab.
Marita Vollborn/Vlad Georgescu: Konsumkids – Wie Marken unseren Kindern dne Kopf verdrehen. S. Fischer: 13, 90 Euro
Dava Sobel (69) ist eine erstaunliche Autorin. Sie schafft es, aus trockenen, naturwissenschaftlichen Themen im wahrsten Sinne des Wortes allgemein bildende Bücher zu schreiben. Und das in einer Art, die verhindert, dass die Bücher nicht zu Ende gelesen werden. Die Planeten nähert sich den Verwandten der Erde nicht nur auf der Ebene der Beschreibung ihres Zustandes, ihrer Zusammensetzung und anderer chemischer und
physikalischer Befunde. Sobel erzählt auch, was die Planeten für die Menschen in der Vergangenheit bedeuteten, wie sie entdeckt wurden und was das für unser Weltbild bedeutet. Wie schon Längengrad und „Galileos Tochter“ ist das aktuelle Buch „Die Planeten“ einfach jedem zu empfehlen.
Dava Sobel: Die Planeten. Berlin Verlag, 29,96 Euro
Jörg Schönbohm will das Brandenburgische Polizeigesetz verschärfen. Natürlich würde sein Ministerium nie von Verschärfung sprechen. Bei der CDU ist lediglich von Anpassung an technische Möglichkeiten die Rede.
Doch gerade bei Polizei und Geheimdiensten gilt: Nicht alles, was möglich ist, darf auch angewendet werden. Die Polizei ist vor allem dazu da, die Freiheit der Bürger zu sichern. Nur auf diesem Weg lässt sich Sicherheit organisieren. Der umgekehrte Weg führt zwangsläufig zu weniger Freiheit.
Ohne Anfangsverdacht Handys zu orten, ist ein solcher Verlust an Freiheit. Es geht den Staat nichts an, wo sich seine Bürger aufhalten. Nur weil sie ein Handy besitzen, heißt das noch lange nicht, dass diese Selbstverständlichkeit abgeschafft werden darf. Hoffentlich hat Schöhnbohms Koalitionspartner SPD den Mut, ihn auszubremsen.
Eine Radio-Legende der Sportberichterstattung tritt ab. Am heutigen 34. Spieltag moderiert Günther Koch (64, Foto) zum letzten Mal die Bundesliga im Hörfunk. Der bekennende Nürnberg-Fan hört auf, weil er für die ARD nicht von der WM berichten
darf. Im Interview mit 20cent spricht er über Radio-Sternstunden,
Gegen-den-Strom-Schwimmer und seine TV-Zukunft.
Wissen Sie schon, wie Sie Ihre letzte Reportage beginnen?
Ganz normal. Ich bin richtig befreit. Es ist eine Mischung aus Trauer und Freude. Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Das Spiel ist ein schöner Anlass: Der Club (1. FC Nürnberg) ist gerettet. Ich bin ein Kind des Radios. Trotzdem freue ich mich auf meine Aufgabe bei Arena (Inhaber der TV-Bundesligarechte).
Mit wem haben Sie am liebsten Pässe in der Schlusskonferenz geschlagen?
Mit Manni Breuckmann. Und früher mit Werner Hansch, Armin Haufe.
Gibt es für Sie eine persönliche Sternstunde in den 30 Jahren Fußball-Reportage?
Ja, das war das UEFA-Cup-Halbfinale in Barcelona 1996, als Bayern München gegen Barcelona trotz eines 2:2 im Hinspiel auswärts gewann. Die Begegnung war das erste Europacup-Spiel, das nicht im Free-TV gezeigt wurde. Im ZDF wurde es als Renaissance der Fußball-Reportage im Radio gefeiert. Aus Protest und Überzeugung haben die Leute Radio gehört.
Sie haben viele Generationen deutscher Fußballer erlebt und kennen gelernt. Wen fanden Sie auch menschlich überzeugend?
Markus Babbel (33), weil er wohl erzogen, charakterstark, mannschaftsdienlich und bescheiden ist. Norbert Eder (50) vom Club, weil er die Kapitäns-Binde aus Protest
gegen die Entlassung seines Trainers hinschmiss. Und dann Jürgen Klinsmann (41), weil der immer gegen den Strom geschwommen ist. So etwas gefällt mir.
Hatten Sie Angst um die Schlusskonferenz, als Premiere damit im Fernsehen begonnen hat?
Angst und Wut. Als wir deshalb im Radio nur ganz wenig sagen durften, habe ich das auch mal im Stil eines Berichterstatters verfremdet: „Hier ist Dortmund. Es steht 1:0. Wir haben 38.000 Zuschauer und zwei Freistöße gesehen. Das Wetter ist gut. Ich gebe zurück ins Funkhaus.“
Jetzt machen Sie das bald selber.
Aber anders. Es war ja nicht mein Wunsch und meine Absicht, mit dem Radio aufzuhören.
Das ist die Herausforderung?
Die Klappe zu halten. Und nicht das Bild tot zu quatschen. Daran messe ich mich.
Glauben Sie, dass Cottbus den Aufstieg schafft?
Ja.
Weil Sie als Clubberer den Fürthern nichts gönnen.
Nein, ich würde mich auch für (Greuther) Fürth freuen. Aber es ist wirklich nicht so, dass ich den Aufstieg von Cottbus befürchten würde. Im Gegenteil. Ich halte es für richtig, dass der Osten wieder mit einer Mannschaft in der 1. Liga vertreten ist.
Dieses Interview ist am 13. Mai 2006 in 20cent erschienen.
Frank Schätzing hat aus seinen umfassenden Recherchen für seinen Bestseller „Der Schwarm“ ein zweites Buch gemacht: Nachrichten aus einem unbekannten Universum. Auch das ist ein Bestseller. Für all jene, denen mehr als 500 Seiten Erdgeschichte und Evolution zu viel sind, hat der Hörverlag daraus zwei CDs gemacht.
Der Autor liest ausgewählte Kapitel selbst vor. Das macht er sehr gut. Doch werden beim Hören auch einige Schwächen offenbar. Wenn sich Schätzing in einen Hai hineinversetzt, ist das zwar anschaulich, aber es wirkt doch seltsam. Beim Lesen funktioniert das besser. Das stark gekürzte Hörbuch-Feature muss im Vergleich zum Buch außerdem auf zu viel
Inhalt verzichten.
Frank Schätzing: Nachrichten aus einem unbekannten Universum
Das Leben dieses Genies ist unglaublich spannend. Nicht nur, dass Michelangelo fast 90 Jahre alt wurde – und bis zum letzten Tag mit Hammer und Meisel an Skulpturen arbeitete. Auch sein Leben an der Wende vom Mittelalter zur frühen Neuzeit ist fesselnd.
Der Schöpfer revolutionärer Bilder und Skulpturen war in den Kampf um die Herrschaft seiner Heimatstadt Florenz verwickelt. Da übernahm er Verantwortung für die Republik, floh aber kurz vor deren Niederschlagung. Als Vater, Onkel und Freund war er kaum auszuhalten. Aber seine Kunstwerke sind schöpferische und körperliche Kraftakte, die ihn unsterblich machten. Antonio Forcellinos Biografie nähert sich diesem Mann fast wie einem Geliebten.
Antonio Forcellino: Michelangelo – Eine Biografie; Siedler: 24,95 Euro
Lou Reed ist nicht nur einer der genialsten Rockmusiker. In den letzten Jahren veröffentlichte er auch immer wieder Foto-Bände. Seine Lust am grafischen ,Gestalten ist auch Pass Thru Fire anzumerken. Schon während seiner Zeit bei Velvet Underground kam der Texter und Komponist mit Grafik in Berührung. Und zwar der von Andy Warhol. Seine Sammlung aller Songtexte aus 40 Jahren Rockmusik ist davon geprägt.
Denn Lou Reed druckt die nicht nur ab. Er spielt grafisch mit den Buchstaben, der Schrift und der Reproduktion, sodass nicht nur ihr Lesen fesselt, sondern das Betrachten zu einer Komposition fürs Auge wird. Die Übersetzungen von Manfred Allié runden die englischen Originale gekonnt ab.
Lou Reed: Pass Thru Fire – Alle Songs; S. Fischer, 27,90 Euro