Heimat (21) – Nürnberg gegen Union Berlin

Der Club gegen Union in der Alten Försterei am 7. November 2015
Der Club gegen Union in der Alten Försterei am 7. November 2015

Die eigene Heimat muss nicht die Heimat der eigenen Kinder sein. Wer mit seinen Kindern umgezogen ist oder vor deren Geburt die Region der eigenen Kindheit verlassen hat, merkt das immer wieder an Kleinigkeiten. So richtig deutlich wird dies aber, wenn der Sohn zum selben Fußballspiel geht wie man selbst, sich aber in der Kurve des Gegners heimisch fühlt. Da steht man dann in der Alten Försterei bei einem Spiel von Union Berlin auf einmal im Gästeblock oder direkt daneben. Das eigene Kind singt unweit des Capos der Union-Ultras Lobgesänge auf die Eisernen. Und noch schlimmer: Es jubelt, wenn im Netz des 1. FC Nürnberg das Netz zappelt.

Das fühlt sich dann ein bisschen falsch an. Der eine feiert, während der andere die Arme über dem Kopf zusammenschlägt, weil der Torwart mit einem veritablen Patzer Union wieder ins Spiel bringt. In der Masse der Jubler oder der der Entsetzten ist rationale Neutralität nicht möglich. Es zählt nur das Gefühl der Zugehörigkeit. Der Franke feiert die Franken. Der Fast-Berliner die Köpenicker.

Es ist schon ein erstaunliches Phänomen, welche Kraft, welche Freude, welches Leiden ein Fußballspiel auslösen kann. Man uniformiert sich mit Trikot, Schal oder Vereinslogo. Man ist und will Teil einer Gruppe sein, die sich in der Regel aus regionaler Verbundenheit zu einem Verein bekennt. Und das lässt sich auch gar nicht ablegen. Jeder Versuch scheitert. Es ist allenfalls möglich, Sympathie für den Club des Sohnes zu fühlen. Aber echtes Fan-Sein ist eigentlich ausgeschlossen. Das wäre ja so, als würde man seine Heimat vergessen wollen. Wie absurd!

Mehr Heimat:
(1) Mein Sprungturm
(2) Stänglich vom Schwab
(3) Leberkäsweck
(4) Bilder aus Hammelburg
(5) Schlesisch Blau in Kreuzberg
(6) Danke Biermösl Blosn!
(7) Weinlaub und Weintrauben
(8) Laufwege in Buchenwäldern
(9) Fränkische Wirtschaft
(10) Bamberger Bratwörscht am Maibachufer
(11) Weißer Glühwein
(12) Berlin
(13) Geburtstage bei Freunden aus dem Heimatort
(14) Gemüse aus dem eigenen Garten
(15) Glockenläuten in der Kleinstadt
(16) Italienische Klänge
(17) Erstaunliches Wiedersehen nach 20 Jahren
(18) Federweißen aus Hammelburg
(19) Wo die Polizei einem vertraut
(20) Erinnerungen in Aschaffenburg
(21) Nürnberg gegen Union Berlin
(22) Der DDR-Polizeiruf 110 „Draußen am See“

Sabahattin Ali entführt ins Istanbul der frühen Republik

Sabahattin Ali: Der Dämon in uns
Sabahattin Ali: Der Dämon in uns

Erstaunlich wie modern dieser Roman ist. Sabahattin Ali schildert in  „Der Dämon in uns“ wie in Istanbul ein junges Paar an sich scheitert. Ömer und Macide wagen das Ungeheuerliche: Sie lieben sich, ziehen zusammen und leben als Paar. Und das ohne Trauschein und ohne den Segen der Familien. Was uns heute so selbstverständlich vorkommt, war in der Türkei in den 1920er oder 1930er Jahren noch eine absolute Ausnahme. Sabahattin Ali macht aus diesem Stoff keinen billigen Liebeskitsch, sondern einen spannenden, packenden Istanbul-Roman, der 1940, dem Jahr des Erscheinens, zum einen für den Aufbruch in die Moderne stand, zum anderen aber auch einen Hauch von Mahnung in sich enthielt.

Union- und Eintracht-Fans feiern den Fußball – gegen den DFB

Klare Worte der Union-Fans gegen den DFB
Klare Worte der Union-Fans gegen den DFB

Der Fanblock sollte leer sein. Dennoch waren mehr als 1000 Eintracht-Fans in der alten Försterei. Zwar hatte der DFB als Strafe gegen Eintracht Frankfurt ein Auswärtsspiel ohne Fanunterstützung verhängt. Doch die Fans hat das nicht abgehalten nach Berlin zu fahren.

Und hier wurden die Hessen nicht mit Hass oder Missgunst begrüßt, sondern mit Solidarität. „Scheiß DFB“ sangen die die Fans der Gastgeber am Montagabend.  Und: „Die Mauer muss weg!“ Und zwar in dem Moment, in dem die Eintrachtfans den leeren Fanblock stürmten, um da zu sein, wo sie hingehörten. Obwohl Union schon zurücklag, war die Fansolidarität wichtiger als der Club-Egoismus. Und so wird der 26. März 2012 bei den Fans beider Clubs vielleicht sogar als Datum der Begründung einer Fanfreundschaft in die Analen eingehen.

Der DFB hatte der Eintracht verboten, Fans mitzubringen. Dennoch kamen ganz viele. Und die der Gastgeber begrüßten die Ultras der Eintracht nicht mit Hass oder Missgunst, sondern mit Solidarität und Respekt. Die revanchieten sich mir ebenso großemRespekt. Am Ende, nach einem etwas zu hoch ausgefallenem 0:4, sangen auch sie: „Eisern – Union“. Und das nahm die gesamte Alte Försterei auf.

Ein großer Moment. Ganz viel Gefühl. Und die Gewissheit, dass es mehr gibt als Gruppenabgrenzung, Es gibt Widerstand und Ekel vor der Voll-Kommerzialisierung durch den DFB.

Da war der Eintracht-Block noch leer.
Da war der Eintracht-Block noch leer.