Platzeck ohne Like-Button

Mathias Platzeck mag Facebook nicht mehr. Der Ministerpräsident hat sein Profil im weltweit erfolgreichsten sozialen Netzwerk stilllegen lassen. Der unzureichende Datenschutz missfalle ihm, hat er von seiner Staatskanzlei mitteilen lassen.

Über den mangelnden Datenschutz von Facebook kann man sich schon lange aufregen. Ilse Aigner von der CSU hat schon im vergangenen Jahr ihr Profi gesperrt. Deshalb verwundert der Zeitpunkt. Denn Platzeck legt sein Profil in dem Moment still, in dem Facebook, Google und Co. an verbesserten Datenschutzregelungen mitarbeiten. Und so wirkt der Schritt nicht überzeugend, sondern populistisch.

Ansonsten hätte er einen Kabinettsbeschluss herbeiführen können, um Schulen, Behörden und Ministerien die Einbindung des „Like-Buttons“ auf öffentlichen Webseiten zu untersagen. Oder er hätte eine Bundesratsinitiative zum besseren Datenschutz starten können. Das wäre richtige und keine virtuelle Symbol-Politik.

Dieser Kommentar ist am 16. November 2011 in der MOZ erschienen…

Sie wissen alles: Kritik an Facebook wegen mangelndem Datenschutz

Facebook erhitzt die Gemüter. Kurz nach der Ankündigung von Marc Zuckerberg, das ganze Leben der Facebook-Mitglieder abbilden zu wollen, verklagt der Wiener Student Max Schrems (23) das Unternehmen wegen Verstoßes gegen den Datenschutz. Denn Facebook sichert sogar gelöschte Daten.

Max Schrems ist einer von mehr als 800 Millionen Menschen, die sich bei Facebook registriert haben. In Deutschland waren es im August mehr als 20 Millionen, die sich auf der Plattform von Firmengründer Marc Zuckerberg vernetzten. 1,2 Millionendavon sind Berliner.

Vor wenigen Tagen waren erstmals mehr als 500 Millionen Menschen weltweit gleichzeitig auf der Seite aktiv. Die dezentrale Kommunikation in Echtzeit auf Facebook und beim Kurzmitteilungdienst Twitter hat die Revolutionen und Aufstände in Tunesien, Ägypten und anderen arabischen Länder maßgeblich beschleunigt und verstärkt. Facebook ist weder aus dem privaten noch aus dem öffentlichen Leben wegzudenken.

Der damit verbundenen Verantwortung wird das Unternehmen aber nicht in allen Dingen gerecht. Vor allem am Datenschutz hapert es. Wie groß die Verstöße gegen die Datenschutzbestimmungen in Europa sind, hat Max Schrems aufgedeckt. Zusammen mit einigen anderen Studenten hat er die Initiative „Europa gegen Facebook“ gegründet.

Schrems war als Student in den USA und hat dort eine Arbeit über den Datenschutz bei Facebook geschrieben. Als Nutzer, der den leichten Austausch von Links, Texten, Bilder und Videos über die Seite schätzt, war er angesichts des Ergebnisses erschrocken: „Ich habe analysiert, wie sich Facebook so gut wie nicht an die europäischen Datenschutzbestimmungen hält.“

In Irland hat Schrems einen Hebel gefunden, der Facebook sehr schmerzt. Da die europäische Niederlassung dort ihren Sitz hat, beantragte er die Herausgabe seiner Daten. Er bekam eine CD zugeschickt, auf der mehr als 1200 DinA 4-Seiten mit Chat-Protokollen, Verweisen, Statusmeldungen und Einladungen zu Veranstaltungen gespeichert waren. Als er das Material genauer ansah, entdeckte er, dass Facebook selbst Daten, die er selbst gelöscht hatte, noch immer aufbewahrt.

Einige Wochen vor Schrems hat der Datenschutzbeauftragte Schleswig Holsteins auf das Problem aufmerksam gemacht. Thilo Weichert sagt. „Wir können nur glaubhaft Datenschutz im Kleinen durchsetzen, wenn wir auch bei struktureller massenhafter Missachtung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung tätig werden.“

Zentrales Problem dabei ist der „Like-Button“. Diese geniale Idee erlaubt es den Facbook-Nutzern, ihren Bekannten im Netzwerk ganz unkompliziert Artikel oder Fotos zu empfehlen. Dazu muss ein Nutzer wie der Autor dieses Textes nur auf den „Like-Button“ klicken. Schon erscheint bei all seinen Freunden der Hinweis: „Andreas Oppermann gefällt der markierte Artikel“. So machen Empfehlungen schnell die Runde. Auf diesem Weg wurde das in dieser Woche verstorbene Opossum Heidi zum Medienstar. So bekannten sich innerhalb weniger Tage nach der Atomkatastrophe von Fukushima Hunderttausende Deutsche zu einem schnellen Ausstieg aus der Atomkraft. Und auf diesem Weg werden Informationen über spontane Demonstrationen im Nahen Osten verbreitet. Da die Information von Freunden und Bekannten kommt, ist sie besonders glaubwürdig. Der Pferdefuß beim „Like-Button“ ist aber, dass das dazu nötige Cookie (Mini-Informationsspeicher der von der Internetseite auf dem Rechner des Nutzers hinterlegt wird) auch Informationen über das Surfverhalten sammelt, wenn man den Button gar nicht nutzt. Dazu muss man nicht einmal bei Facebook eingeloggt sein.

Verstärkt wird das ganze noch durch Fanpages und Apps, wie sie inzwischen auf den meisten Internetseiten zu finden sind. Sie verknüpfen den Nutzer der Seite mit Facebook. All diese Informationen nutzt das Netzwerk wiederum, um Werbung auszuspielen, die genau zu den Interessen des Nutzers passt. In den USA haben Facebook und das Online-Warenhaus Amazon einen Vertrag geschlossen, der es dem Händler ermöglicht, nicht nur die persönlichen Daten von Menschen auszulesen, die gleichzeitig bei Facebook und Amazon registriert sind, sondern auch von dessen Facebook-Freunden.

All das verstößt gegen den europäischen Datenschutz. Schrems will mit Hilfe der irischen Behörden dagegen vorgehen.

In Deutschland engagiert sich vor allem Thilo Weichert: „Bevor Plugins und Fanpages von Facebook datenschutzkonform genutzt werden können, muss sich das Unternehmen noch gewaltig bewegen.“ Er fordertdeutsche Webseiten-Betreiber auf, den „Like-Button“ zu verbannen.

Aber für Marc Zuckerberg ist Datenschutz Vergangenheit. Sein Ziel ist totale Transparenz. Immer mehr Menschen sehen darin vor allem Vorteile.

Dieser Text ist am 30. September 2011 in der Märkischen Oderzeitung erschienen…

Gehackte Daten

Gleich zwei Datenskandale in nur einer Woche erschüttern das Vertrauen der Verbraucher in die Industrie. Apple sammelt auf iPhone und iPad Bewegungsprofile und bei Sony wurde die Nutzerdatenbank gehackt. Beide Vorfälle zeigen, wie unsensibel mit sensiblen Daten umgegangen wird.

Aber es wäre zu leicht, jetzt nur auf die Industrie zu zeigen. Die selben Politiker von Union und Teilen der SPD, die sich über diese Verletzungen des Datenschutzes erregen, fordern den Zugriff des Staates auf möglichst viele gesammelte Daten. Bei der Vorratsdatenspeicherung sollen Nutzerdaten von privaten Telefon- und Internetprovidern gesammelt werden, um sie auf Wunsch zur Verfügung zu stellen. Diese Datenbanken sind potenzielle Hackerziele.

Zwar ist es richtig, alle Verbraucher darüber aufzuklären, dass sie möglichst wenig persönliche Daten preisgeben. Doch bei den Bewegungsprofilen über die Handynutzung genügt das nicht. Echte Hilfe zur informationellen Selbstbestimmung kann die Politik nur garantieren, wenn sie 
sich selbst – und die Datensammelwut der Firmen – beschränkt.

MOZ-Kommentar…

Die Lösung 
heißt 
Teilen

Ein amerikanisches Gericht hat Google bei seiner Datensammelwut in die Schranken gewiesen. Das Projekt Google Books, bei dem der Internet-Konzern möglichst alle Bücher scannen und online verfügbar machen wollte, ist gestoppt. Denn Google wollte keine Vereinbarungen mit den Autoren oder den einzelnen Rechteinhabern schließen, sondern pauschal mit Verbänden von Verlegern und Autoren. Dieses Urteil wird Geschichte schreiben. Denn es stärkt all jene, die Inhalte produzieren. Ganz vorn kämpften deutsche Verleger gegen die Pläne von Google. Sie hatten die Klage angestrengt und über mehrere Jahre einen Vergleich ausgehandelt, der gerichtlich nur noch bestätigt werden musste. Doch dem Richter geht dieser Vergleich nicht weit genug. Er besteht darauf, dass bei so weitreichenden Entscheidungen die Rechteinhaber selbst mit Google verhandeln müssen.

Dieser Grundsatz ist richtig. Aber er ist auch schwer umzusetzen. In Deutschland nimmt die Verwertungsgemeinschaft Wort die Interessen von Autoren wahr. Sie schüttet die Einnahmen aus pauschalen Vergütungen etwa in Copyshops aus. Im Musikgeschäft macht dies die GEMA.

Zusammen mit den großen Plattenfirmen hat diese dafür gesorgt, dass viele Musikvideos auf Youtube – einer Google-Tochter – in Deutschland nicht mehr gezeigt werden. Auch hierbei geht es um ungeklärte Rechte. Denn GEMA und Labels sagen zu Recht, dass Youtube nicht mit der künstlerischen Leistung Dritter Geld verdienen darf, ohne diese daran zu beteiligen.

Für die Nutzer ist das ärgerlich. Die Idee, in allen Büchern online stöbern zu können, ist großartig. So wird das Wissen der Welt demokratisiert. Und die Musikvideos der Stars jederzeit anschauen zu können, ist auch verlockend. De facto werden wegen dieser Rechtefragen also Schranken im Netz aufgebaut. Sie bewirken also das Gegenteil dessen, was Google eigentlich will.

Aus diesem Dilemma kann nur die Politik helfen. Sie muss Verfahren festlegen, die sowohl den Rechteinhabern als auch den Nutzern entgegenkommen. Das wird nur funktionieren, wenn Google & Co zu einer großzügigen Beteiligung von Autoren und Musikern bereit sind.

MOZ-Kommentar…

Internet contra 
Schutz 
des Privaten

Google steht wie keine andere Firma für den Nutzen des Internets. „Googeln“ ist in unseren Wortschatz eingegangen. Das Wort ist kürzer und knackiger als „im Internet suchen“. Google als Firma steht aber auch wie kein anderes Internet-Unternehmen für die Sammel- und Speicherwut von Daten. Deshalb wird der Konzern auch „Datenkrake“ genannt. Streetview heißt das neue Produkt, das wegen seiner Anschaulichkeit fasziniert. Jetzt ist es möglich, durch 20 Städte Deutschlands virtuell zu wandern. Häuser, Denkmäler, Ampeln oder Gartentore können von zu Hause aus betrachtet werden. So kann sich jeder mit Googles Bildern sein Bild von Orten machen, die er nie besuchte.

Das ist wieder einmal sehr praktisch. Und dennoch ist das Projekt wie kein anderes bisher umstritten. Hunderttausende haben das Haus, in dem sie leben, ver-pixeln lassen. Sie wollen nicht, dass sich die Daten aus 
Google-Streetview mit den Daten einer Kreditauskunftei kombinieren lassen. Oder sie wollen vermeiden, dass sie beim nächsten Vorstellungsgespräch auf die Graffiti neben der Eingangstür angesprochen werden.

Erschwerend kommt hinzu, dass Streetview nur einen Augenblick dokumentiert. Da es nicht möglich ist, ständig neue Bilder von allen Straßen Deutschlands zu machen, ist der zufällige Zustand des Aufnahmetages wirkungsmächtiger als die Realität.

Solche Beispiele ließen sich etliche weitere anführen. In der Kombination unterschiedlichster Daten liegt eine ernstzunehmende Gefahr. Denn dadurch kann ein sehr aussagefähiges Profil über einzelne Menschen entstehen. Der nützlichen Transparenz steht der Schutz der Privatsphäre gegenüber.

Für Google ist Streetview ein Produkt, mit dem der Konzern Geld verdienen will. In der Vergangenheit hat die Firma immer wieder gezeigt, dass ihr Datenschutz kein Anliegen ist. Erst als Verbraucherschützer, Politik und Netz-Community die Sammelwut begrenzten, wurde Google einsichtig. Obwohl das auch bei Streetview so war, hat die Firma schon wieder geschlampt. Auch das ist ein Grund, sein Haus lieber ver-pixeln zu lassen.

MOZ-Kommentar…

T.C. Boyle ist in Talk Talk auf Identitätssuche

Datenschutz ist ein großes Thema, das leider kaum jemanden interessiert. T.C. Boyle (57) hat mit seinem neuen Roman ein spannendes Plädoyer für einen sorgsamen Umgang mit den eigenen Daten vorgelegt: einen Thriller um Identitäten.

Dana Halter wird auf dem Weg zum Zahnarzt festgenommen. Die taube Lehrerin versteht die Welt nicht mehr. Denn sie wird übers Wochenende nicht freigelassen. Sie sitzt in einem Bezirksgefängnis mit Nutten und Verbrecherinnen. Ihr Problem: Es gibt eine Reihe von
Haftbefehlen gegen Dana Halter aus den verschiedensten US-amerikanischen Bundesstaaten.

Ihr wird langsam klar, dass sich ein anderer ihrer Identität bedient, um auf ihre Kosten zu leben, in ihrem Namen Geld zu hinterziehen, kurz: in ihren Namen ein süßes Leben zu führen. Dana und ihrem Freund Bridger glaubt zunächst niemand. Zu eindeutig ist die Beweislage auf dem Papier. Doch die beiden machen sich auf die Suche nach dem Menschen, der sich als Dana Halter ausgibt. Und tatsächlich können sie ihn ausfindig machen. Doch der Mann, der den Namen der Frau angenommen hat, begibt sich auf
die Flucht. Dana und Bridger folgen ihm durch die ganze USA.

T.C. Boyle hat schon wieder einen Roman geschrieben, den man nicht aus der Hand legen will. Talk Talk ist das englische Wort für Gebärdensprache. Mit ihr verständigen sich Dana und Bridger. Auf einer anderen Ebene erschließen sie den Talk Talk des Identitätsdiebes
mit den Kreditkartenanstalten, die ihm sein luxuriöses Leben auf Kosten ganz anderer Menschen ermöglichen. Immer abwechselnd lässt Boyle Dana und Bridger und den Dieb
auftreten. Auf einer übergeordneten Ebene kommunizieren sie über den Leser miteinander. Der Leser selbst rutscht in die Rolle eines Mittlers, der immer tiefer ins Geschehen verstrickt wird, weil er sowohl die Sicht der Dinge aus der Perspektive der einen und des anderen kennt.

T.C. Boyle hat ein packendes Buch über ein aktuelles Thema geschrieben. Er hat ein Gespür für Themen – und vor allem die Gabe fürs Erzählen. Auch ohne Mord und
Totschlag erzeugt er mit einfachen, aber effektiven erzählerischen Mitteln Spannung, die angesichts des Umgangs mit Daten im Internet-Zeitalter echte Beklemmung auslöst.

Vom Umgang mit persönlichen Daten im Netz

Datenklau im Internet. Diese Schlagzeile funktioniert immer. Sie arbeitet mit diffusen Ängsten. Und ist dennoch bei weitem nicht immer richtig. SchülerVZ wird mit dem Diebstahl von 1,6 Millionen Datensätzen konfrontiert. Ein Wissenschaftler hat sich die Daten auf einem fragwürdigen Weg besorgt. Er hat sich Unmengen von E-Mail-Adressen beschafft, um mit diesen Profile bei SchülerVZ anzulegen. Über diese Profile konnte er dann öffentlich zugängliche Daten der SchülerVZ-Mitglieder ansehen, auslesen und in einer illegalen Datenbank bündeln

All das machte der anonyme Wissenschaftler automatisch. Er setzte Programme ein, die sowohl E-Mail-Adressen anlegten als auch die Profile. Um an die 1,6 Millionen Datensätze zu kommen, wird er nicht länger als eine Woche benötigt haben. Damit hat er gezeigt, dass Daten aus sozialen Netzwerken ausgelesen werden können. Allerdings im Falle SchülerVZ nur jene Daten, die von den Schülern als öffentlich markiert waren. All das, was nur die realen und virtuellen Freunde erfahren sollen, blieb dem Wissenschaftler versperrt.

Und genau das ist das Entscheidende. Der Datenschutz bei SchülerVZ hat funktioniert. Eine vollständige Sicherheit vor kriminellen Zugriffen allerdings kann nicht garantiert werden. Es stellt sich aber auch die Frage, wie der Zugriff eines anonymen Hackers mit krimineller Energie zu bewerten ist, der Selbstverständlichkeiten publik macht.

Jeder, der im Internet Daten einstellt, die über längere Zeit von bestimmten Gruppen gelesen werden sollen, muss wissen, dass sich diese nicht vollständig sichern lassen. Von Xing oder Facebook finden sich sogar nichtöffentliche Daten im Internet. Das ist bei SchülerVZ nicht passiert, weil der Betreiber aus den Datenpannen der Vergangenheit gelernt hat und sein Netzwerk besser gesichert hat.

Der angebliche Skandal lehrt uns dennoch etwas Wichtiges: Das Wissen um Datensicherheit und -schutz ist in Deutschland so schlecht, dass selbst Lappalien zu Skandalen aufgebauscht werden können. Dagegen hilft nur lernen. Für die Mitglieder von SchülerVZ am besten schon in der Schule.