Phrasen-Bela zieht all seine Register

Bela Rethy. Foto: ZDF
Bela Rethy. Foto: ZDF

Soll Deutschland tatsächlich ins Finale kommen? Eigentlich wäre das ja schön. Eigentlich! Wenn da nicht Bela Rethy wäre. Denn unser aller Freude würde massiv durch ihn getrübt. Der alte ZDF-Kämpe darf nämlich das Finale kommentieren. Wir alle sind seine Opfer. Bei einer Partie, die uns nur halb interessiert, wäre das zu ertragen. Aber bei einem Finale mit deutscher Beteiligung? Während das DFB-Team souverän und leicht spielte, qäulte sich Bela Rethy wieder einmal über die 90 Miniuten. Während bei Schweinsteiger und Co. die meisten Kombinationen klappten, verhedderte sich Rethy in seinen Phrasen. Erhellendes ist von ihm nicht zu erwarten.

Doch manchmal blitzt sein Witz, den er auch bei Live-Veranstaltungen hat, auf. Dann kann er gegen Ende des Spiels sogar Scherze machen, die in der nun entspannten Freude des Zuschauers auf Wohlgefallen stoßen. Aber solche Scherze haben nichts mit Bela Rethys Wissen zu tun. Denn das ist unterirdisch. Rethy weiß zum Beispiel nicht, dass Trochowski gegen Bosnien in der DFB-Startelf war. Und nicht Müller. Aber wahrscheinlich ist das für das ZDF auch nicht so wichtig. Wer nur Senioren als Publikum hat, geht offenbar davon aus, dass alle Zuschauer senil sind. Und sich über den einen gelungen Scherz mehr freuen als über 90 Minuten Peinlichkeiten.

Gerd Gottlob nervt beim Eröffnungsspiel

Das Auftaktspiel der WM 2010 bleibt nur wegen des neuen Sounds in Erinnerung. Spielerisch war Südafrika gegen Mexiko keine Offenbarung. Genauso wenig wie die Moderation von Gerd Gottlob. Der hat sich den monotonen Vuvuzela-Sound als Vorbild genommen.

Auf dem viel zu fetten Bassteppich sorgt er für keinerlei stimmliche Variation, sondern nur für Monotonie. In der ersten Halbzeit herrscht reine Sachlichkeit. Fast so, als wäre Gottlobs Moderation eine Lage Fliesen auf dem Teppich. In der zweiten Halbzeit dann entdeckt der ARD-Mann die Gefühle. Doch selbst erregt, kann Gottlob nicht differenzieren. Jetzt ist alles gleich aufregend. Über dem Vuvuzela-Bass tönt ein schriller Gottlob.

Ansonsten beschränkte sich der Moderator auf die Beschreibung des Geschehens auf dem Platz. Informationen über die Spieler, ihre Karriere oder Herkunft streute er so gut wie gar nicht ein. Schade eigentlich. Vielleicht wäre dann etwas Abwechslung zu hören gewesen.

Information: 5 Abwechslung: 5 Zurückhaltung: 2 Gesamtnote: 4

Florian König und Jürgen Klinsmann: Es schwäbelt nur selten

Wenn er was sagt, dann hat es Hand und Fuß. Jürgen Klinsmanns Expertise beim WM-Spiel Uruguay – Frankreich ist schon beeindruckend. Er bringt seine Gedanken schnell auf den Punkt. Das muss er auch. Denn Florian König scheint sich von Klinsmanns Anwesenheit gestört zu fühlen. Zu Wort kommen lässt er den ehemaligen Teamchef der deutschen Nationalmannschaft nämlich nicht. Da König das Spiel souverän kommentiert, ist das nicht ganz so schlimm. König kann mehr, als nur das Geschehen wiederzugeben. Er interpretiert die Entwicklung des Spiels, weiß die entscheidenden Momente sofort zu bennen – und nicht erst im Rückblick. Es stellt sich aber die Frage, weshalb so ein hochkarätiger Fachmann wie Klinsmann nur als Statist zu erleben ist. Nervt König, dass RTL einen weiteren Mann neben ihn setzt? Hat Klinsmann nicht mehr zu sagen, als die gefühlten fünf Sätze pro Halbzeit? Oder wartet Klinsmann auf die erste Königsche Panne, um sich dann richtig in Szene setzen zu können? Es bleibt spannend, wie das Team mit der Situation in den nächsten Partien umgeht.

Teamplay: 5 Knowhow: 1 Unterhaltungswert: 2 Gesamtwertung: 3

Willmann und Hauswald beobachten Ultras, Kutten und Hooligans

Harald Hauswald und Frank Willmann: Ultras Kutten Hooligans - Fußballfans in Ost-Berlin
Harald Hauswald und Frank Willmann: Ultras Kutten Hooligans – Fußballfans in Ost-Berlin

Die Fußballfans im Osten Deutschlands gelten als gewaltbereit. Harald Hauswald und  Frank Willmann haben ein verstörendes Buch über Fans in Ost-Berlin vorgelegt. Es ist eine Mischung aus Fotos und kurzen Texten. Und es ist ein Buch über Fans im Allgemeinen, ganz ohne Ostalgie.

Harald Hauswald hat 20 Jahre lang Fans von Union Berlin und vom BFC Dynamo mit der Kamera begleitet. Er hat die Triumphe aber auch die bitteren Momente eingefangen. Aber immer nur mit dem Objektiv auf die Fans, nie auf die Spieler. Zu sehen sind Auswärtsfahrten und die Aktionen in der heimischen Kurve. Zu sehen ist aber auch immer wieder der Moment, in dem Gewalt wirkt. Entweder als Aktion der Fans oder durch die begleitende Polizei.

Frank Willmann liefert die Texte dazu. Er schreibt seit etlichen Jahren über Fußball in Ostberlin. In dem großformatigen Buch folgen sehr subjektive Spielberichte auf die Fotostrecken. Die subjektive Sicht auf den Fußball, das Gefühl, in der Menge der Gleichgesinnten aufgehen zu können, der Druck, der sich in Aggression auslebt und
die Rolle des Alkohols werden geschildert. So entsteht ein schillerndes Gefühl von dem, was für Ultras wichtig ist, was sie ausmacht.

Das ist nicht immer schön zu lesen. Vor allem der Text „Spiele der Gewalt“ von Jochen Elis
Schramm hat es in sich. Er schilderteine Reise von Fans des BFC Dynamo zum Auswärtsspiel nach Erfurt. Schramm ist ein Hooligan. Für ihn ist es ein Vergnügen zu
schlagen. Es geht ihm um den Kampf, darum, anderen Fans den Schal zu entreißen, sich mit ihnen zu prügeln. Da wird im Zug gesoffen und zugeschlagen, da wird auf dem Umsteigebahnhof Leipzig die Gewalt gesucht. Das ist alles richtig abstoßend. Aber es ist auch ergreifend. Nicht nur, weil diese Gewaltorgie in der DDR geschieht, unter den Augen der Volkspolizei.

In dem Text schwingt eine Kraft mit, die fasziniert – und ekelt. Willmann und Hauswald schildern die Fans, das Fan-Dasein. Das ist ihnen hervorragend gelungen. Auf den wenigen Seiten kann man mehr über die Probleme in den Stadien lernen als in vielen theoretischen
Büchern. Die Ultras werden nicht diffamiert, aber auch nicht gefeiert. Sie kommen einfach
zu Wort und wirken für sich selbst.

Harald Hauswald und Frank Willmann: Ultras Kutten Hooligans – Fußballfans in Ost-Berlin, Jaron Verlag, 14,90 Euro.

Dietrich Schulze-Marmeling weiß alles über die DFB-Elf

Vor 100 Jahren bestritt die deutsche Nationalmannschaft ihr erstes offizielles Länderspiel. Und in diesem Jahr soll wieder ein EM-Titel her. Dietrich Schulze-Marmeling (Hg.) hat das Jahrhundert der DFB-Auswahl in einem umfangreichen und lesenswerten Buch zusammengefasst.

Dabei geht es nicht nur um die sportlichen Aspekte. Der Fußball wird immer auch als gesellschaftliches Phänomen begriffen. Deshalb ist das Buch mehr als eine Aneinanderreihung von Anekdoten und Heldengeschichten. Das ausführliche Lexikon am Ende macht das Buch zu einem Muss für all jene, die im deutschen Fußball mehr sehen als eine TV-Unterhaltung zur besten Sendezeit.

D.Schulze-Marmeling: GESCHICHTE DER DEUTSCHEN FUSSBALL-NATIONALMANNSCHAFT , WERKSTATT, 29,80 EURO.

Die Geschichte vom einzigen „Club“

Die Legende vom Club
Die Legende vom Club

Der Club war ewig Rekordmeister. Bis zu seinem Abstieg direkt nach der  gewonnen Meisterschaft 1968. Die Nürnberger gehören wie nur wenige Vereine zu denen, um die sich Legenden und Geschichten aus nun fast 100 Jahren ranken.

Einst stellten die Clubberer zusammen mit Fürth alleine die  Nationalmannschaft. Davon und von der Gegenwart erzählt Christoph Bausenwein in seinem fantastischen Buch, das nicht nur für Club-Fans ein Lesefest ist. Bausenwein nimmt auch die Zeit des  Nationalsozialismus kritisch unter die Lupe und schafft es, ein umfassendes Porträt eines Vereins zu schreiben, das sich sehr gut liest und dennoch sehr faktenreich ist. Die  Neuauflage kann jetzt auch aktuelle Erfolge melden.

Bernd Siegler, Christoph Bausenwein, Harald Kaiser: DIE LEGENDE VOM CLUB –
GESCHICHTE DES 1. FC NÜRNBERG. WERKSTATT. 26,90 EURO

Diese Rezension ist am 2. Januar 2007 in 20cent erschienen.

Klappe halten und ab gegen den Strom

Günther Koch. Quelle: Wikipedia
Günther Koch. Quelle: Wikipedia

Eine Radio-Legende der Sportberichterstattung tritt ab. Am heutigen 34. Spieltag  moderiert Günther Koch (64, Foto) zum letzten Mal die Bundesliga im Hörfunk. Der bekennende  Nürnberg-Fan hört auf, weil er für die ARD nicht von der WM berichten
darf. Im Interview mit 20cent spricht er über Radio-Sternstunden,
Gegen-den-Strom-Schwimmer und seine TV-Zukunft.

Wissen Sie schon, wie Sie Ihre letzte Reportage beginnen?

Ganz normal. Ich bin richtig befreit.  Es ist eine Mischung aus Trauer und Freude. Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Das Spiel ist ein schöner Anlass: Der Club (1. FC Nürnberg) ist gerettet. Ich bin ein Kind des Radios. Trotzdem freue ich mich auf meine Aufgabe bei Arena (Inhaber der TV-Bundesligarechte).

Mit wem haben Sie am liebsten Pässe in der Schlusskonferenz geschlagen?

Mit Manni Breuckmann. Und früher mit Werner Hansch, Armin Haufe.

Gibt es für Sie eine persönliche Sternstunde in den 30 Jahren Fußball-Reportage?

Ja, das war das UEFA-Cup-Halbfinale in Barcelona 1996, als Bayern München gegen Barcelona trotz eines 2:2 im Hinspiel auswärts gewann. Die Begegnung war das erste Europacup-Spiel, das nicht im Free-TV gezeigt wurde. Im ZDF wurde es als Renaissance der Fußball-Reportage im Radio gefeiert. Aus Protest und Überzeugung haben die Leute Radio gehört.

Sie haben viele Generationen deutscher Fußballer erlebt und kennen gelernt. Wen fanden Sie auch menschlich überzeugend?

Markus Babbel (33), weil er wohl erzogen, charakterstark, mannschaftsdienlich und bescheiden ist. Norbert Eder (50) vom Club, weil er die Kapitäns-Binde aus Protest
gegen die Entlassung seines Trainers hinschmiss. Und dann Jürgen Klinsmann (41), weil der immer gegen den Strom geschwommen ist. So etwas gefällt mir.

Hatten Sie Angst um die Schlusskonferenz, als Premiere damit im Fernsehen begonnen  hat?

Angst und Wut. Als wir deshalb im Radio nur ganz wenig sagen durften, habe ich das auch mal im Stil eines Berichterstatters verfremdet: „Hier ist Dortmund. Es steht 1:0. Wir haben 38.000 Zuschauer und zwei Freistöße gesehen. Das Wetter ist gut. Ich gebe zurück ins Funkhaus.“

Jetzt machen Sie das bald selber.

Aber anders. Es war ja nicht mein Wunsch und meine Absicht, mit dem Radio aufzuhören.

Das ist die Herausforderung?

Die Klappe zu halten. Und nicht das Bild tot zu quatschen. Daran messe ich mich.

Glauben Sie, dass Cottbus den Aufstieg schafft?

Ja.

Weil Sie als Clubberer den Fürthern nichts gönnen.

Nein, ich würde mich auch für (Greuther) Fürth freuen. Aber es ist wirklich nicht so, dass ich den Aufstieg von Cottbus befürchten würde. Im Gegenteil. Ich halte es für richtig, dass der Osten wieder mit einer Mannschaft in der 1. Liga vertreten ist.

Dieses Interview ist am 13. Mai 2006 in 20cent erschienen.

Sogar die Kohle stimmt – Ein Fußball-Traum wird wahr: Energie Cottbus steht im Halbfinale des DFB-Pokals

Wenn Graf Arnim an den Stehplätzen vorbeischnauft, dann zieht über das Stadion der Freundschaft in Cottbus wieder ein Hauch von Kohlenfeuer. Für einen Moment wenden sich die Fans auf den oberen Rängen vom Spiel ihrer Mannschaft ab, um der alten Dampflok der Cottbuser Parkeisenbahn nachzublicken. Der leicht beißende Geruch, einst so typisch für die Lausitzer Luft, verflüchtigt sich schnell wieder.

In der Vergangenheit lebten die Stadt und die Region von der Braunkohle

Doch der größte Teil der Kumpel in den riesigen Tagebauen und der Arbeiter in den Kraftwerken hat seine Arbeit verloren. Unter den treuen Anhängern von Energie Cottbus sind viele ehemalige Bergarbeiter. Der Klub des DDR-Energiekombinats Cottbus ist für sie eine Konstante, die Wende und Zusammenbruch der ostdeutschen Energiewirtschaft überstanden hat.

Trotz mancher Rückschläge geht es mit dem Klub aufwärts. Von den Jahren, als die Mannschaft meist um den Aufstieg in die DDR-Oberliga oder um den Klassenerhalt kämpfte, spricht kaum noch jemand.

Am 15. April empfängt der Spitzenreiter der Regionalliga Nordost den Karlsruher SC zum Halbfinale des DFB-Pokals. Aller guten Dinge sind drei, hoffen nicht nur die eingefleischten Energie-Fans: Nach dem MSV Duisburg und dem FC St. Pauli soll der KSC als dritter westdeutscher Bundesligist das Stadion der Freundschaft als Verlierer verlassen. Dem Finale im Berliner Olympiastadion stünde dann nichts mehr im Wege.

„Ich will zum Endspiel nach Berlin fahren“, wünscht sich auch Waldemar Kleinschmidt, der Cottbuser Oberbürgermeister. Um das Finale im 120 Kilometer entfernten Berlin zu einem Heimspiel zu machen, denkt er bereits über Sonderzüge nach: „Ich glaube schon, daß da 6000 oder 10 000 Cottbuser nach Berlin fahren würden.“

Die alte Dampflok Graf Arnim jedenfalls schafft diese Distanz nicht mehr. Sie verbindet das Stadion der Freundschaft mit dem Bundesgartenschau-Gelände und dem Branitzer Park des Fürsten Pückler.

Der letzte große deutsche Landschaftspark mit seinen beiden künstlichen Pyramiden ist nach wie vor der größte Besuchermagnet. Die Bundesgartenschau lockte weit über zwei Millionen Besucher an die Spree. Doch am meisten für die Bekanntheit der Stadt hat in jüngster Zeit Energie Cottbus mit seiner Serie von fünfzig Pflichtspielen ohne Niederlage getan.

Am Dienstag werden über 20 000 Zuschauer im Stadion der Freundschaft dem Team des letzten DDR-Nationaltrainers Eduard Geyer die Daumen drücken. Da das Spiel live im Fernsehen übertragen wird, werden die Straßen im Süden Brandenburgs leer gefegt sein. Das Angebot der Hauptstadt, bereits das Halbfinale ins wesentlich größere Olympiastadion zu verlegen, lehnten Geyer und das Präsidium einhellig ab: Das sei den Fans nicht zuzumuten. Obwohl Energie auf diese Weise bis zu dreimal so viele Eintrittskarten an die Fußballfreunde Berlins und Brandenburgs hätte verkaufen können. Die Cottbuser verschmähten die Einnahmen.

Was mit den Fernsehübertragungsrechten für die Pokalspiele gegen die Bundesligisten in die Kassen schwemmte, war bereits mehr als der berühmte warme Regen. Finanzielle Sorgen hat der Klub nicht mehr. Es war sogar eine knappe Million Mark übrig, und so konnte, mit Hilfe der Sponsoren und der Stadt, Mitte März endlich die lange ersehnte Flutlichtanlage installiert werden. Wirtschaftlich sind die Lausitzer fit für den Aufstieg in die zweite Bundesliga.

So fit, daß sogar Bundesligaspieler wie Jens Melzig (ehemals Leverkusen) und Thomas Hoßmang (ehemals Dresden) Cottbuser Offerten annahmen, in die Lausitz zurückzukehren. In dieser Situation könne man die Fans nicht nach Berlin jagen, nur um noch mehr Geld zu verdienen, heißt es in der Vereinsspitze.

Trainer Geyer bremst die Erwartungen, soweit es ihm möglich ist.

Für ihn ist der Pokal eine schöne Möglichkeit, um zu zeigen, daß nicht überall im Osten der Fußball in der Krise steckt. Vor allem aber will er den Aufstieg in die zweite Bundesliga schaffen: „Wenn ich die Wahl zwischen Pokal und zweiter Liga hätte, würde ich mich ganz klar für letzteres entscheiden.“ Zwölf Punkte trennen die Verfolger Erzgebirge Aue und Rotweiß Erfurt von den Lausitzern.

Und dennoch treibt Geyer der geplante Aufstieg um. Denn anders als der Meister der Regionalliga Süd steigen die Sieger aus der Nordost- und Nordliga nicht direkt auf. Selbst wenn Energie Cottbus am Ende mit einem Vorsprung von zwanzig Punkten die Konkurrenz aus dem Osten dominieren sollte, bliebe die Relegation. „Das ist ja dieser Schwindel“, bringt Fleischermeister Hartmut Jende, einer der vielen kleinen Sponsoren des Klubs, den Unmut auf den Punkt, „Nord und Nordost müssen Ausscheidungsspiele machen, und die im Süden steigen einfach so auf.“

In Cottbus hofft man beim Pokalschlager auf den Sieg der heimischen Mannschaft, was sonst: David gegen Goliath. Außerdem ist immer wieder die Rede davon, wie schön es wäre, wenn die Ostdeutschen mit ihren relativ bescheidenen Mitteln den wohlhabenderen Badenern einen Strich durch die Rechnung machen würden. Fleischer Jende kennt die Gefühlslage der Cottbuser aus seinem Laden genau: „Die Mentalität hier ist nicht sonderlich optimistisch. Ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen reicht, um das zu erklären. Es gibt nur Reiche und Arme, aber kaum noch einen Mittelstand. Die Stadt hat ich weiß nicht wie viele Millionen Schulden. Aber Hauptsache, mit Energie läuft es. Damit haben wir eine ganz eigene Wucht.“

Und wie es läuft bei Energie: Vom Präsidenten über den Trainer bis zu den Anhängern ist seit einigen Jahren alles in heimischer Hand. An das kurze Zwischenspiel eines westdeutschen Präsidenten und eines ebenfalls aus dem Westen stammenden Trainers erinnert sich niemand so gern. „Ich glaube, die hatten nicht ernsthaft vor, lange in Cottbus zu bleiben“, bemerkt Kleinschmidt. „Ich habe immer gesagt, wer Leistung bringt und für länger hierbleiben will, ist herzlich willkommen.“ Doch Präsident Ulrich Wagner aus Leonberg schaffte es damals fast nie, auch nur die Heimspiele zu sehen.

Eduard Geyer erinnert sich noch gut: „Als ich hierherkam, waren die Stimmen sehr zurückhaltend. Doch jetzt werde ich häufig angesprochen: Na los, das schafft ihr. Ihr steigt in die zweite Bundesliga auf.“

Das Cottbuser Team ist für seine Kampfstärke bekannt. Mit dem Willen, sich durchzubeißen, schafften es Geyers Schützlinge bei den Pokalspielen, bis zum Ende der Verlängerung durchzuhalten.

Im Elfmeterschießen hatten sie dann die besseren Nerven. Das Publikum honoriert diesen Willen. „Ich denke, daß sich viele mit der Leistung der Mannschaft identifizieren“, sagt Geyer. „Wir wissen, daß diese Gegend ein Kohlerevier war. Die Menschen mußten alle schwer arbeiten. Da erwarten sie auch von der Mannschaft, daß sie arbeitet, daß sie kämpft.“

Wenn der Karlsruher SC im Cottbuser Stadion der Freundschaft einmarschiert, wird erstmals die Flutlichtanlage bei einem großen Spiel eingeschaltet, ein kleines Symbol dafür, daß es an der Spree aufwärts geht. Das Fernsehen kann live aus Cottbus senden, und Geyers Spieler werden ihr Bestes geben: „Wenn wir am Schluß durch Elfmeterschießen ins Finale kämen, das wäre sensationell. Da spielt das Ergebnis keine Rolle.“

Dieser Text ist am 11. April 1997 in der ZEIT erschienen