Mehmet Scholl analysiert mit Liebe zum Spiel

Was der Jogi Löw macht, kann nicht so falsch sein. Das denken sich offenbar die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender. Löw spielt mit einem festen Bayern-Block. Das ZDF bringt Oliver Kahn als Experten vor die Kamera. Und die ARD hat Mehmet Scholl verpflichtet. Wenn schon Experte, dann von den Bayern?

Beim ZDF geht das nicht auf. Oliver Kahn ist ein zielmicher Ausfall, wenn es um eine gute Analyse geht. Aber bei der ARD funktioniert der Trick mit den Bayern schon. Da heißt der Experte Mehmet Scholl. Der war nicht nur ein begnadeter, differenzierter Spieler. Er war auch Trainer der zweiten Mannchaft des FC Bayern. Und er ist einer jener Fußballer, die mehr im Blick haben als den Ball. Genau das merkt der Zuschauer immer wieder.

Natürlich spricht Scholl vor allem über Fußball. Aber seine Vergleiche zeugen von seiner Neugier auf das Leben außerhalb des Stadions. Das unterscheidet ihn wohltuend von Oliver Kahn. Dessen Horizont reicht auch heute noch kaum über das eigene Ich. und wenn, dann allenfalls bis zur Mittellinie.

Scholl war schon in seiner aktiven Zeit einer dieser Spieler, die bei der aktuellen Nationalmannschaft gerade so gelobt werden. Einer dieser Akteure, für die der Ball nie ein Feind, sondern immer ein Freund war, der eher mit dem Fuß gestreichelt als getreten wurde. Seine Analyse ist von der gleichen Empathie für das Spiel geprägt. Er qualifiziert nicht ab, sondern lobt eher. Und da, wo nichts gelobt werden kann, da spricht Scholl dann lieber von etwas anderem. Dadurch erzeugt er ein sicheres, angenehmes Klima, in dem nicht einmal Reinhold Beckmann seltsame Vergleiche machen kann. Mehment Scholl prägt dieses Paar stärker als der Profi-Moderator. Das ist ein Gewinn für das gesamte Team – und nach der Verrentung von Netzer und Delling eine echte Perspektive.

ZDF zeigt Werbung statt Fußball-Expertise

Wenn es 90 Sekunden waren, dann war es viel. Das ZDF hat Oliver Kahn und Kathrin Müller-Hohenstein in der Pause des Spiels Deutschland gegen Serbien kaum zu Wort kommen lassen. Stattdessen bombadierte der öffentlich-rechtliche Sender die Gebührenzahler mit Werbung.

Werbepreise während des WM-Spiels Deutschland – Serbien. © ZDF

Nun ist es ja nicht ganz so schlimm, wenn Oliver Kahn nicht zu Wort kommt. Seine Anmerkungen bereichern einen Fußballnachmittag nicht sonderlich. Doch dass Kahn durch Werbung ersetzt wird, ist schon ein starkes Stück. Immerhin ist das ZDF durch Gebühren finanziert. Der Zuschauer hat eigentlich ein recht darauf, informiert zu werden. Und nicht mit Werbung zugedröhnt.

Natürlich ist es verständlich, dass viele Werbetreibenden genau in der Pause des deutschen Spiels gezeigt werden wollen. Auch klar, dass die Preise dafür recht hoch sind. Aber dennoch muss das ZDF seinen Informationsanspruch gerecht werden. Eine Begrenzung auf höchstens die Hälfte der 15 Minuten Pause muss für Werbung genügen. Wo ist sonst noch der Unterschied zum privaten Fernsehen?

Wenn es aber keinen Unterschied in der Präsentation gibt. Wenn Werbung das Geschehen bestimmt, dann muss das ZDF auch nicht mehr Unsummen an die FIFA überweisen. Das könnten die öffentlich-rechtlichen Sender dann den privaten überlassen. Und so richtig viel Geld sparen.

Phrasen-Bela zieht all seine Register

Bela Rethy. Foto: ZDF
Bela Rethy. Foto: ZDF

Soll Deutschland tatsächlich ins Finale kommen? Eigentlich wäre das ja schön. Eigentlich! Wenn da nicht Bela Rethy wäre. Denn unser aller Freude würde massiv durch ihn getrübt. Der alte ZDF-Kämpe darf nämlich das Finale kommentieren. Wir alle sind seine Opfer. Bei einer Partie, die uns nur halb interessiert, wäre das zu ertragen. Aber bei einem Finale mit deutscher Beteiligung? Während das DFB-Team souverän und leicht spielte, qäulte sich Bela Rethy wieder einmal über die 90 Miniuten. Während bei Schweinsteiger und Co. die meisten Kombinationen klappten, verhedderte sich Rethy in seinen Phrasen. Erhellendes ist von ihm nicht zu erwarten.

Doch manchmal blitzt sein Witz, den er auch bei Live-Veranstaltungen hat, auf. Dann kann er gegen Ende des Spiels sogar Scherze machen, die in der nun entspannten Freude des Zuschauers auf Wohlgefallen stoßen. Aber solche Scherze haben nichts mit Bela Rethys Wissen zu tun. Denn das ist unterirdisch. Rethy weiß zum Beispiel nicht, dass Trochowski gegen Bosnien in der DFB-Startelf war. Und nicht Müller. Aber wahrscheinlich ist das für das ZDF auch nicht so wichtig. Wer nur Senioren als Publikum hat, geht offenbar davon aus, dass alle Zuschauer senil sind. Und sich über den einen gelungen Scherz mehr freuen als über 90 Minuten Peinlichkeiten.

Urban Priol über Quoten, Merkel und wirre Haare

Urban Priol und Georg Schramm. Foto: ZDF/Thomas Schramm
Urban Priol und Georg Schramm. Foto: ZDF/Thomas Schramm

Urban Priol (46) ist der Leiter der ZDF-Kabarett-Sendung „Neues aus der Anstalt“.   20cent sprach mit dem Unterfranken über die Sendung und aktuelle politische
Verwerfungen.

Herr Priol, wie bekommen Sie das immer mit Ihren Haaren hin?

Sie neigen zum Widerspenstigen, schon immer. Irgendwann war ich es leid, sie glatt zu kämmen. Jetzt gehe ich einfach einmal mit dem  Frotteehandtuch durch und nehme dann ein bisschen Haarspray.

Das wirkt, als würden Sie tatsächlich in der Anstalt leben.

Das kann schon sein. Die Haare sollen durchaus auch das Wirre in der Welt transportieren.

Sind Sie erstaunt, dass Sie mit „Neues aus der Anstalt“ mehr Erfolg haben als der etablierte „Scheibenwischer“?

Anfangs dachte ich, das ist die Neugier auf was Neues. Aber der Erfolg hat sich gehalten. Zwar liegen wir nur knapp vorm Scheibenwischer, aber es freut uns. Wir haben – nach langer Zeit ohne Kabarett im ZDF – die Anfangseuphorie mitgenommen und es weiter
stetig nach oben geschafft.

Was ist der Unterschied zwischen Scheibenwischer und Anstalt?

Wir haben Glück, dass wir dieses Bühnenbild haben. Da können wir mit vielem spielen. Mittlerweile fühlen wir uns tatsächlich wie in der Anstalt. Wir haben die Aufzüge, aus denen wir oben und unten rauskommen können, und die Aufgänge. Die Kulisse ist mehr als ein Fernsehstudio, wo man sich zur Abwatscherei des Monats trifft.

Normal haben Sie einen Tisch und ein Weizen dabei. Sie brauchen doch gar keine Kulisse.

Stimmt. Aber dieser Kontrast ist ja das Reizvolle. Man ist man selbst, aber doch in der Anstalts-Rolle, die mit Kollegen interagieren muss. Gerade mit Gerhard Schramm macht es viel Spaß, richtig gute Sachen zu entwickeln.

Auf Ihrer neuen CD kommt Frau Merkel wieder nicht gut weg, obwohl sie jetzt als Miss World gehandelt wird.

Ich beschäftige mich schon lange mit Politik, aber so ein künstliches Hochhypen habe ich noch nie erlebt. Unglaublich. Wenn die Jubelschwaden verraucht sind, erntet sie den nächsten Titel, zumindest innenpolitisch: Miss-Erfolg.

Ist das Auftreten Polens durch die Zwillinge ein Anlass für Satire oder zur Trauer?

Ich neige dazu zu sagen, das ist eine Riesenlachnummer. Sie stehen für eine Geisteshaltung der Mehrheit der Bevölkerung, die sie in diese Ämter gehievt hat. Das ist erschreckend.

Dieses Interview ist am 17. Juli 2007 in 20cent erschienen.