In der Deutschen Oper ist Rienzi durch und durch ein Faschist. Die gesamte Inszenierung ist in schwarz-weiß gehalten, ganz so, wie wir die Bilder vom italienischen und spanischen Faschismus kennen – und natürlich von den deutschen Nationalsozialisten. Regisseur Philipp Stölzl hat Hitlers Lieblingsoper zur Parabel über dessen Aufstieg und Fall gemacht. Ein gewagtes Unterfangen, das Richard Wagner nicht unbedingt gerecht wird. Und dennoch überzeugt das gesamte Stück in Stölzls Interpretation, wenn man es nur für sich anschaut und sich vollkommen darauf einlässt.
Das liegt vor allem am Bühnenbild und der unglaublichen Leistung der Chöre und Statisten. Das Bühnenbild von Ulrike Siegrist und Philipp Stölzl ist konsequent in den 1920er- und 1930er-Jahren angesiedelt. Die große Stadtszene erinnert an die Skizzen zur Erwin Piscator-Inszenierung von Walter Mehrings „Der Kaufmann von Berlin“ in der Volksbühne 1929. Gestaltet wurde es damals von László Moholy-Nagy. Stölzl kennt so etwas und adaptiert, was ihm für seine Faschismus-Revue sinnvoll erscheint. Das gilt auch für die Film-Ästhethik Riefenstahls, die in der Inszenierung Renzis gegenüber seinem Volk römischen Volk von außerordentlicher Bedeutung ist. Alles sieht aus wie die Vorbilder, nur dass aus dem Hakenkreuz ein R wird – allerdings als Rune stilisiert.
Später, wenn Rienzi die Siegerstraße verlassen hat und gegen die Niederlage kämpft, hält er sich unter der Erde, im Führerbunker auf. Dazu wird die Bühne angehoben. Kontakt zu seinem Volk hält er nur noch über die Kamera und die große Leinwandprojektion. Sie ist das stärkste Gestaltungselement. Und Hauptdarsteller Torsten Kerl spielt die Gesten und die Mimik des Führers oder Duces oder Tribunen großartig (oder ist das der im Programm als Rienzi-Double ausgwiesene Uri Burger?).
Stölzl hat sich das alles für die Premiere der Inszenierung im Januar 2010 ausgedacht. An einen Krieg führenden Vladimir Putin war damals noch nicht zu denken. Oder an einen Bürgerkrieg führenden Erdogan. Und an ein Polen, das im Namen des Volkes das Verfassungsgericht de facto abschafft oder ein Ungarn, das im Namen des Nationalismus die Verfassung verbiegt auch noch nicht. Vieles der Rienzi-Inszenierung erinnert an deren Gebaren. Nur eines ganz sicher nicht: Die Faschisten oder faschistoiden Präsidenten und Parteiführer der Gegenwart tragen keine Uniform mehr. Sie agieren im Anzug. Und genau daran schwächelt die Einordnung des Rienzi in die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts. Wir bekommen nicht für die Gegenwart, sondern nur für die Vergangenheit. Und die Liebe des Führers zu genau dieser Oper bekommt eine interessante Interpretation. Aber die Gegenwart fällt hinten runter.
Musikalisch waren der Chor, der sich auch großartig bewegte, und das Orchester eine Offenbarung. Torsten Karl dagegen überzeugte vor allem als Stummfilmdarsteller. Sein Gesang ließ viel zu Wünschen übrig. Wie auch Daniela Sindram als Adriano nicht überzeugen konnte. Bei dieser sehr stark aufs Schauspiel und die Wirkung angelegte Inszenierung ist sie sehr schnell an ihre darstellerischen Grenzen gestoßen. Und gegen das Orchester hatte ihre Stimme fast nie eine Chance. Dennoch lohnt sich der Besuch. Die Bilder und Effekte packen den Zuschauer, genauso wie die Musik als Ganzes.
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