Trikont Schwarze Musik hinter Gittern

In Prison
In Prison

Die Musik der Schwarzen aus den USA hat die populäre Musik in der gesamten Welt geprägt. Ob Blues, Soul, Funk oder HipHop – der Einfluss auf die aktuelle Musikszene
ist gewaltig. Dass der Blues von den Sklaven auf den Baumwollfeldern der Südstaaten gesungen wurde, ist hinlänglich bekannt. Wie groß die musikalische Schaffenskraft in den Gefängnissen war, allerdings nicht. „In Prison“ dokumentiert genau das.

Die Zahl der Schwarzen in den US-Gefängnissen ist exorbitant hoch. Das ist ein Ausdruck der nach wie vor herrschenden sozialen  Ungerechtigkeit. Dieses Leid, das Unrecht, Opfer eines Justizirrtums geworden zu sein, weil man sich keinen Anwalt leisten kann, oder auch die Läuterung im Knast, sind die Themen der Songs auf dem Sampler. Der 1996 ermordete Rapper „2 Pac“ findet sich ebenso wie die „Temptations“ oder Bobby Womack und Brand Nubian – und ganz viele unbekannte Schwarze.

Die Musik ist ungeheuer reichhaltig und produktiv. Es ist ein Hörgenuss, den Gefängnis- Songs zu lauschen, weil sie sich nicht im Jammern ergehen, sondern das Leid in mitreißende Kunst umwandeln. „Trikont“ hat mit der Auswahl der 19 Lieder wieder  Maßstäbe gesetzt.

Shtetl Superstars – das klingt nach Culcha Candela

Stehtl Superstars
Stehtl Superstars

Mit Russendisko wurde Yuriy Gurzhy bekannt. Er ist der musikalische Kopf hinter Wladimir Kaminers Berliner Tanzprojekt im Café Burger. Zusammen mit Lemez Lovas,
einem Londoner Musiker und DJ hat Gurzhy einen wunderbaren Sampler kompiliert: „Shtetl Superstars – Funky Jewish Sounds from around the World“.

Gurzhy und Lovas stammen aus der Ukraine. Hier haben sie auch die Reste einer jüdischen Musikkultur kennengelernt, die inzwischen über die gesamte Welt verbreitet ist. Die beiden haben danach gesucht, was aus dieser alten Musik in Funk, Ragga oder Rock zu finden ist. Das klingt dann nicht nach Klezmer. Das klingt vor allem nach richtig guter aktueller Musik, die mehr mit Culcha Candela zu tun hat als mit Giora Feidman.

Der musikalische Kosmos ist universell, auch wenn er sich auf traditionelle Wurzeln   bezieht. Für westliche Ohren gibt es noch viel zu entdecken. Gurzhy weiß das aus der Russendisko und Lovas aus seinem Projekt Radio Gagarin, das eine englische Hommage an das deutsche Projekt ist. Wie immer bei Trikont-Samplern ist auch diese CD mit einem super Booklet ausgestattet. Das ist informativ und macht Spaß auf viel mehr Shtetl.

Mauri Antero Numminen singt Heinrich Heine

Das skurrilste Hörbuch des Jahres ist von Mauri Antero Numminen. Der verschrobene Held des finnischen Underground hat sich nach Wittgenstein diesmal Heinrich Heine
vorgenommen. Als Jazzmusiker hat er seinen Zugang über den Rhythmus von Heines Texten.

Numminen begnügt sich aber nicht damit, Heine zu singen – oder doch eher zu jazzigen Tönen zu rezitieren. Numminen hat auch keine Hemmungen, Heine mit eigenen Texten zu ergänzen. Sein Akzent sorgt neben seiner Stimme zu einer verschrobenen Verfremdung,
die einen ganz neuen, im Wortsinne modernen Zugang zu den 150 Jahre alten Texten ermöglicht.

Wer Spaß am Experiment hat, hat dabei viel Vergnügen.

Mauri Antero Numminen singt Heinrich Heine, CD von Trikont, 15 EURO

Trikont geht auf Zeitreise mit kreativen Outlaws

Heute ist es kaum noch vorstellbar, wie radikal sich die Musik in den 1960er-Jahren veränderte. Die Explosion der Kreativität in den USA hat das Münchner Label Trikont
auf einem faszinierenden Sampler eingefangen.

„Creative Outlaws – US Underground 1962-1970“ ist der Titel der CD. Auf ihr versammelt sind Jimi Hendrix und der von seinem Freund Frank Zappa produzierte Captain Beefheart. MC5, die ersten echten Punks überhaupt, sind ebenso zu hören wie die großartige Grace Slick. Ihr Song ist ein echtes Fundstück. Denn sie ist nicht mit Jefferson Airplane, sondern mit einem Vorläufer-Projekt zu hören.

Alle 22 Songs der bekannten und auch der weniger bekannten Interpreten lassen den Sound der Revolte, des Abstreifens ermüdender Traditionen und den Wunsch nach der selbständigen Erkundung des Lebens erklingen. Wer sich in das Album einhört, begibt sich an die Wurzeln einer inzwischen 40 Jahre alten Rock-Tradition, die junge Bands mit neuen Songs oft richtig alt aussehen läßt. Die Musik des Samplers ist noch echt. Sie ist noch nicht zur gut abgemixten Pose verkommen, mit der zurzeit vor allem langweilige Brit-Popper
als neue Entdeckung angepriesen werden.

John Peels kuriose Schellack-Legenden

John Peels Sampler
John Peels Sampler

Für viele Radiohörer war er der Mann, der den eigenen Musikgeschmack prägte. John Peel († 65). Bei der BBC legte er auf und hatte es in der Hand, ob aus Newcomern Stars (Sex Pistols, White Stripes, Laibach, The Cure) oder enttäuschte Hoffnungen wurden.

In seinen Sendungen legte er auch stets ein Stück aus seiner Schellack-Sammlung auf. Die kuriosesten davon sind jetzt als Sampler bei „Trikont“ erschienen. „The Pig’s Big 78s“ enthält Aufnahmen von 1908 bis 1955. Da erklingt frühe Musik-Comedy, da werden Hits der frühen Radiozeit vor dem Vergessen gerettet, da macht ein Geräusch-Imitator ein anfahrendes Auto nach. Kurz: Hier hat der Klang, der Ton in all seinen Farben seine Chance.

Das ist faszinierend und oft auch sehr amüsant. Vor allem ist es aber sehr lehrreich. Denn vieles von dem, was heute neu klingt, haben kreative Musiker schon vor 60 oder gar 80 Jahren aufgenommen! Das schöne Booklet von Sheila Ravenscroft, John Peels Frau, die
auch fürs Radio die Schellacks mitausgewählt hatte, rundet diese feine CD ab. Damit es auch jeder versteht, gibt es das informative Booklet gleich zweimal – in Deutsch und in Englisch!

Diese Rezension ist am 6. Mai 2006 in 20cent erschienen.

Rocket/Freudental liedern starke Töne aus dem Ländle

Nicht nur die White Stripes können zu zweit so richtig einen los machen. Das Österreicher Duo Attwenger kann das auch. Und auf dessen Label Trikont ist jetzt eine Zweierkombo aus Stuttgart mit einem neuen Album vertreten: Rocket/Freudental „Wir leben wie Gespenster“ heißt das überraschende Album, das vor Kreativität und Kraft nur so
strotzt.

Musikalisch schaffen sich  die beiden einen immer tanzbaren Klangraum zwischen Punk, Techno und Krautrock. Und textlich schaffen sie es, den Alltag des arbeitenden  Individuums auf der Suche nach dem permanenten Ausbruch als Endlos-Loop in vielen originellen Formulierungen immer neu zu erfinden.

Damit grenzen sie sich von den netten Jungs der Hamburger Schule deutlich ab. Denn Rocket/Freudental sind erfrischend direkt, ohne jemals platt zu sein. Die Poesie ihrer Texte ist Bestandteil ihrer Rhythmen. Und die treiben den Hörer immer weiter und weiter
in die nächste Tanzschleife. Rocket/Freudental sind ein Lichtblick. Sie leben zwar angeblich
wie Gespenster. Tatsächlich aber nehmen sie den von ihnen gefüllten Klangraum voll in Besitz – und damit auch den verblüfften Hörer.

Trikont feiert mit Mestizo Music die Rebellion Lateinamerikas

Mestizo Music
Mestizo Music

Lateinamerika ist einer der Brennpunkte der Anti-Globalisierungsbewegung. Der Weltsozialgipfel in Porto Alegro ist Ausdruck der Auflehnung vieler Menschen gegen
die vollständige Ökonomisierung des Lebens. Trikont hat sich die aktuelle Musik Mittel- und Südamerikas ganz genau vor diesem Hintergrund angehört. Entstanden ist so der Sampler Mestizo Music, der 17 Bands mit sozialkritischen Songs vereinigt.

Musikalisch ist das ein Fest: Raggae, Salsa, Ska und HipHop zeugen von der Vielfalt der Musikszenen. Das hat nichts mit folkloristischer Weltmusik zu tun, sondern mit richtig gutem Rock und Pop, den man bei uns nie im Radio präsentiert bekommt. Natürlich sind trotzdem die musikalischen Traditionen zu hören.

Sie werden von den Künstlern aus Argentinien, Mexiko oder Brasilien nicht verleugnet. Aber sie sind auch nicht bestimmend. Die Fusion dieser Musik ist teilweise auch schon nach Deutschland übergeschwappt. Manches Stück erinnert an die Berliner von Culcha Candela
oder Seeed. Wie immer glänzt Trikont auch bei diesem Sampler mit einem sehr guten und informativen Booklet – inklusive der Übersetzung aller Songs.

Mestizo Music – Rebelión en Amerérica Latina; Trikont.

Funny van Dannen textet uns lustig

Funny van Dannen: Authentic Trip
Funny van Dannen: Authentic Trip

Irgendwie klingt diese Live-CD wie früher die Musik am Lagerfeuer. Da singt ein Mann zu seinem Gitarrenspiel. Aber das, was er da singt, macht viel mehr Spaß als das Zeug damals. Funny van Dannen (47) hat 23 Songs im September live in München aufgenommen.

Er singt von der Zumutung, wenn die Freundin ständig von George Clooney träumt. Er zeigt sich selbst an: Ich habe einen Arbeitsplatz vernichtet. Und er blickt auf die Stringtanga-Queen von Berlin. Es ist ein subtil-böser Kommentar auf den Zustand der Republik und ihrer Insassen. Manchmal erinnert van Dannen dabei an den großen Bob Dylan.

FUNNY VAN DANNEN: AUTHENTIC TRIP, LIVE. TRIKONT