Boris Pahor schreibt über die Unterdrückung der Slowenen in Italien

Boris Pahor: Piazza Oberdan
Boris Pahor: Piazza Oberdan

Boris Pahor ist einer von den Schriftstellern, von denen ich bis vor kurzem nichts wusste. Ein Mann aus der Mitte Europas, der ein wichtiges literarisches Werk geschrieben hat. Aber ein Slowene und damit ein Angehöriger eines Volkes, das in Deutschland kaum zur Kenntnis genommen wird. Noch immer orientieren wir uns ja viel stärker in Richtung Westen als nach Osten.

Karl-Markus Gauß ist da anders. Der Österreicher hat schon immer einen offenen Blick in die slawische Welt, nach Zentraleuropa, wo einst die Österreichische Doppelmonarchie vom Vorarlberg bis in die heutige Ukraine herrschte. Das heute italienische Triest war 1913 auch Teil dieses Vielvölkerstaates. Damals wurde Boris Pahor dort geboren. Damals gab es auch ein slowenisches Kulturhaus in der Stadt. Denn die slowenische Minderheit wurde von den Österreichern zumindest respektiert.

Nach dem 1. Weltkrieg hat sich das geändert. Unter italienischer Herrschaft hatten es die Minderheiten sehr viel schwerer. Und spätestens als Mussolini mit seinen Faschisten die Macht in Italien übernahm, war es erklärtes Ziel des Staates, die Minderheiten zu italienisieren. Und damit auch die Familie Pahor. In seinem Buch „Piazza Oberdan“ beschreibt er das alles sehr intensiv. Denn in der Nähe des Platzes ist er aufgewachsen. An diesem Platz stand der „Narodny Dom“, das Kulturhaus der Slowenien in Triest, in dem der kleine Boris seine ersten Kulturveranstaltungen erlebte. Und an diesem Platz war später die Zentralen der Gestapo, in deren Keller Boris Pahor inhaftiert war.

Pahor wählt für dieses Buch, das er erst in sehr hohem Alter schrieb, eine Mischung aus Essai, Autobiografie, Erzählungen und historischen Beschreibungen. Das erzeugt eine ungeheure Dichte, die manche Zeilen beklemmend macht. Etwa wenn von dem slowenischen Mädchen berichtet wird, das von seinem italienischen Lehrer an seinen Zöpfen aufgehängt wurde, weil es seine Muttersprache benutzte. Oder wenn er von seinem Gewissensbissen berichtet, weil er sich nicht für den bewaffneten Widerstand gegen Faschisten und deutsche Nazis berufen fühlte. Und sprachlos macht auch, wenn Pahor erzählt, dass die Opfer der Minderheiten in Italien bis heute nicht gewürdigt oder ihrer Opfer gedacht wird.

Ich bin froh, dass ich „Ruhm am Nachmittag“ von Karl-Markus Gauß gelesen habe. Nicht nur weil es ein gutes Buch ist, sondern weil ich dort auf seine Empfehlung von Boris Pahor gestoßen bin. „Piazza Oberdan“ wird nicht das einzige Buch von ihm bleiben.

Von der Würde des Arbeitens in der Wiener Hofburg

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Da geht man ganz unbedarft in die Wiener Hofburg, um Altes zu besichtigen, und dann ist man unversehens Zaungast eines Staatsempfangs. Keine bunten k. u. k. Uniformen marschieren in Reih und Glied durch die Hofburg. Schnödes Feldgrau versucht den gleichen Pomp, den gleichen Ernst, die gleiche Würde auszustrahlen, wie es das alte Zeremoniell erfordert. Denn das ist so alt wie Teile der Mauern, in denen der slowenischen Präsident Borut Pahor heute begrüßt wird.

Staatsempfang des slowenischen Präsidenten in Wien am 6. Februar 2013
Staatsempfang des slowenischen Präsidenten in Wien am 6. Februar 2013

In anderen Hauptstädten gehört das Aufmarschieren von Ehrenkompanien zum folkloristischen Tourismusspektakel. Vor allem Monarchien spielen gern mit bunten Soldaten, die auf- und abmarschieren. Und das vor großer, alter Kulisse. Die österreichische Ehrenkompanie hat noch einige Insignien, die an die große Zeit erinnern, zum Beispiel Offiziere, die blanke Säbel ziehen und präsentieren. Beim Publikum, fast ausschließlich Touristen, kommt gut an. So ein Säbel ist ja auch viel würdevoller, als leere Hände beim Grüßen am Stahlhelm.

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Überhaupt ist es die Würde, die hier zelebriert wird. Auch wenn sie immer wieder schön gebrochen wird. Etwa wenn sich Österreichs Präsident Heinz Fischer und seine Frau Margit auf den Weg zur Begrüßung des Gastes machen. Sie beide strahlen so viel herzliche Bürgerlichkeit aus, dass das Feldgrau doch wieder den richtigen Hintergrund abgibt. Als Sloweniens Staatspräsident Borut Pahor dann kommt, als die Hymne gespielt wird, als nach dem Herzen und Drücken die Ehrenkompanie abgeschritten wird, ist das alles dann doch noch ein würdevolles Spektakel.

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Wenn da diese Frau nicht wäre. Mit ihrem Wägelchen, das sie ungerührt von Bläsern, Blech und Bundespräsidenten, über die Pflastersteine rattert, macht sie einen geradezu ungehörigen Krach. Weder die absperrenden Polizisten noch die neugierigen Touristen können sich das Grinsen verkneifen. So wird sie eingerissen, die würdevolle Fassade in der Ehrfurcht erheischenden Wiener Hofburg. Von einer Frau, die arbeitet – und keine Zeit für alte, höfische, Zeremonien hat.

Martin Prinz erwandert sich die bäuerliche Kultur der Alpen

2500 Kilometer quer durch die Alpen. Auf den Weg von Triest in Italien nach Monaco hat sich der österreichische Journalist Martin Prinz gemacht. Zu Fuß wollte er nicht nur seine körperlichen Grenzen kennenlernen, sondern vor allem auch die unserer Lebensweise. Der Alpenraum ist eine von Menschen belebte und geformte Kulturlandschaft. Das betrifft natürlich nicht die Gipfel und Gletscher.

Aber die Bergwiesen und Almen, die jeder Tourist mit den Alpen in Verbindung bringt, gibt es nur, weil Menschen seit Jahrhunderten Landwirtschaft betreiben. Der Rückgang der bäuerlichen Kultur birgt die Gefahr, dass sich die Alpen insgesamt verändern. Insofern war die Wanderung in 161 Tagen mehr als eine Suche nach dem eigenen ich. Für Prinz war der lange Weg vor allem eine Recherchereise, bei der die Langsamkeit der Fortbewegung erste die Erkenntnis beförderte.

Denn egal ob in Italien, Slowenien, Österreich, Deutschland, der Schweiz oder Frankreich, überall entdeckte Prinz eine ähnliche Struktur der einstigen bäuerlichen Landwirtschaft – und dieselben Folgen deren Rückgangs. Denn da, wo heute Städter die ehemaligen Bauernhöfe als Wochenendhaus nutzen, werden aus ehemaligen Weiden wieder Wälder. Damit verändert sich nicht nur das Landschaftsbild, es verschiebt sich die gesamte ökologische Struktur. Und mit dem Rückgang der bäuerlichen Eingriffe wachsen auch die Gefahren von Lawinen und Muren. Denn die Bauern sichern das Land nicht mehr. Eine Aufgabe, die von den Wochenendpendlern auch nicht übernommen wird. Martin Prinz gelingt es in seinem Buch diese Zusammenhänge sehr anschaulich darzustellen. Wesentliches Stilmittel dabei sind seine Schilderungen des Laufens, Kletterns und Ausruhens.

Er nimmt den Leser auf die Wanderung mit, lässt ihn die Strapazen und Gefahren erleben. Dadurch werden die Eindrücke unmittelbarer und die Schlussfolgerungen zum Thema Natur und Mensch plausibler. Lediglich der dritte Erzählstrang ist mitunter nervig. Die Trennung von der Mutter seines Kindes und das Finden einer neuen Liebe mag für Prinz ein bedeutender Teil der langen reise sein. Für den Leser ist das aber unerheblich. Dieser lange Weg zu ihm selbst nimmt dutzende Seiten ein, die gern hätten gestrichen werden können. Sie blähen das ansonsten gut und informativ geschriebene Buch auf und schmälern gleichzeitig die Leselust.

MOZ-Rezension…