Weil kein Zitronensaft im Kühlschrank war, kam dieses Geschenk hier zum ersten Mal zum Einsatz. Mit solchen Geschenken ist es ja oft so, dass man sich mehr darüber wundert als freut. Auch wenn eine Hauptstadtkorrespondentin die freudige Schenkerin war.
Doch wenn beim Abschmecken der Spargelsoße eindeutig die Säure fehlt, bekommt das Ganze doch noch einen Sinn. Und mit Gebrauchsspuren wird aus dem vermeintlich seltsamen Geschenk ruckzuck eines, das für große Heiterkeit im ganzen Haus sorgt.
Und die Soße wurde natürlich dadurch auch erst das, was der geneigte Gaumen zu feinem Spargel und guten Kartoffeln erwartet.
Urban Priol (46) ist der Leiter der ZDF-Kabarett-Sendung „Neues aus der Anstalt“. 20cent sprach mit dem Unterfranken über die Sendung und aktuelle politische
Verwerfungen.
Herr Priol, wie bekommen Sie das immer mit Ihren Haaren hin?
Sie neigen zum Widerspenstigen, schon immer. Irgendwann war ich es leid, sie glatt zu kämmen. Jetzt gehe ich einfach einmal mit dem Frotteehandtuch durch und nehme dann ein bisschen Haarspray.
Das wirkt, als würden Sie tatsächlich in der Anstalt leben.
Das kann schon sein. Die Haare sollen durchaus auch das Wirre in der Welt transportieren.
Sind Sie erstaunt, dass Sie mit „Neues aus der Anstalt“ mehr Erfolg haben als der etablierte „Scheibenwischer“?
Anfangs dachte ich, das ist die Neugier auf was Neues. Aber der Erfolg hat sich gehalten. Zwar liegen wir nur knapp vorm Scheibenwischer, aber es freut uns. Wir haben – nach langer Zeit ohne Kabarett im ZDF – die Anfangseuphorie mitgenommen und es weiter
stetig nach oben geschafft.
Was ist der Unterschied zwischen Scheibenwischer und Anstalt?
Wir haben Glück, dass wir dieses Bühnenbild haben. Da können wir mit vielem spielen. Mittlerweile fühlen wir uns tatsächlich wie in der Anstalt. Wir haben die Aufzüge, aus denen wir oben und unten rauskommen können, und die Aufgänge. Die Kulisse ist mehr als ein Fernsehstudio, wo man sich zur Abwatscherei des Monats trifft.
Normal haben Sie einen Tisch und ein Weizen dabei. Sie brauchen doch gar keine Kulisse.
Stimmt. Aber dieser Kontrast ist ja das Reizvolle. Man ist man selbst, aber doch in der Anstalts-Rolle, die mit Kollegen interagieren muss. Gerade mit Gerhard Schramm macht es viel Spaß, richtig gute Sachen zu entwickeln.
Auf Ihrer neuen CD kommt Frau Merkel wieder nicht gut weg, obwohl sie jetzt als Miss World gehandelt wird.
Ich beschäftige mich schon lange mit Politik, aber so ein künstliches Hochhypen habe ich noch nie erlebt. Unglaublich. Wenn die Jubelschwaden verraucht sind, erntet sie den nächsten Titel, zumindest innenpolitisch: Miss-Erfolg.
Ist das Auftreten Polens durch die Zwillinge ein Anlass für Satire oder zur Trauer?
Ich neige dazu zu sagen, das ist eine Riesenlachnummer. Sie stehen für eine Geisteshaltung der Mehrheit der Bevölkerung, die sie in diese Ämter gehievt hat. Das ist erschreckend.
Dieses Interview ist am 17. Juli 2007 in 20cent erschienen.
Ganz ruhig spricht Helmut Kohl. Ganz gelassen blickt er auf seine ganze Bedeutung als Bundeskanzler zurück. Und ganz sicher ist er sich, dass er weder von seinem Noch-Nachfolger Gerhard Schröder noch von der eventuell künftigen Kanzlerin Angela Merkel etwas zu befürchten hat. Helmut Kohl überstrahlt sie alle – und daran wird sich auf absehbare Zeit auch nichts ändern.
Damit das auch ganz sicher so bleibt, orientiert er sich an dem einzigen deutschen Kanzler,
den er neben sich gelten lässt: an Otto von Bismarck. Der hat seine „Gedanken und Erinnerungen“ auch in drei Bänden herausgebracht. Genau so, wie es auch Helmut
Kohl vorschwebt. Im Berliner Hotel Hilton stellte er gestern den zweiten Band seiner Memoiren vor. Die Gedanken schenkt er sich.
Passender hätte der Zeitpunkt nicht sein können. Der Saal ist voll. Die internationale und die nationale Presse will sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen. Alle wollen hören, wie er die Gegenwart sieht. Doch das Buch handelt von der Vergangenheit. Die ersten acht Jahre seiner Kanzlerschaft hat Helmut Kohl auf 1000 Seiten beschrieben. Und doch steckt in diesem zweiten Band mehr Regierungserfahrung, als sie der noch amtierende Kanzler Gerhard Schröder vorweisen kann. Der schaffte es nur auf sieben – Helmut Kohl auf 16 Jahre an der Spitze der Bundesrepublik.
Aber Schröder hat Kohl offensichtlich schwer getroffen. Nicht nur, dass er es schaffte, ihn
1998 abzulösen. Nein, Schröder kritisierte Kohl noch im letzten Wahlkampf. „Wer die Reden des Bundeskanzlers Schröder im Wahlkampf gehört hat, wird sich schon wundern“, hebt der Altkanzler an. Von wegen 16 Jahre Stillstand, empört er sich über die Aussagen des Sozialdemokraten. Die anwesenden Journalisten bekommen eine kurze Misserfolgsbilanz von Rot-Grün präsentiert. Ob Arbeitslosenzahlen, Verschuldung oder Bruttoinlandsprodukt – seine Zahlen klingen besser. Obwohl sie gar nicht Thema des Buches sind, das er vorstellt, kann er es sich nicht verkneifen, mit diesem aktuellen Abschweifer seine Größe zu betonen.
Ansonsten ist Helmut Kohl ganz der souveräne Beobachter. Alles, was nichts mit ihm
und seiner Regierungsbilanz zu tun hat, lässt sich locker kommentieren. Natürlich erst nach ein bisschen Koketterie: „Ich bin hierher gekommen, um über mein Buch zu sprechen
und nicht über mein Verhältnis zu Frau Merkel.“ Grinsend antwortet er auf die Frage nach
seinem Umgang mit der CDUVorsitzenden. Da rutscht sogar die Zunge ganz spitz an die
Oberlippe. Ein echter Genießer, dieser Dr. Helmut Kohl. Vor allem dann, wenn er die
Akteure der Gegenwart noch immer überstrahlt.
Die Frage nach seiner Sicht auf Edmund Stoiber ist ihm ein besonderes Vergnügen. Auf
den 1000 Seiten wird der damalige CSU-Generalsekretär gerade ein einziges Mal erwähnt.
„Edmund Stoiber war immer ein gewaltiger bayerischer Politiker“, sagt Kohl über den Mann, den es statt nach Berlin nun doch wieder in die bayerische Landeshauptstadt zieht. „Aber nicht so gewaltig, dass ich mich in den Memoiren mit ihm beschäftigen müsste.“ Und weil es ihm so viel Spaß macht, legt er noch nach: „Er war immer so eng an Strauß, dass man gar nicht an ihn herankommt.“
Die Probleme bei der derzeitigen Regierungsbildung kann Kohl verstehen. In seinem Buch würden sich Parallelen zu seiner ersten Koalition 1982 finden. Und außerdem seien Politiker doch auch nur Menschen. „Versuchen sie mal die Fusion von zwei Fußballvereinen.
Das ist schon hundertfach gescheitert. Oder die Fusion von zwei Firmen. Da heißt es dann, dass die Unternehmenskultur das Problem ist. Aber das ist nur ein Spruch.“ Egal, ob Fußballvereine, Firmen oder Koalitionen: „In dem einen Fall besiegt die eine Mannschaft
die andere. Im anderen Fall ist es umgekehrt.“
Im Hilton ist klar, wer früher immer der Sieger war. Helmut Kohl hatte die Akteure im
Griff. Sein wichtigstes Mittel dazu: Vertrauen und Freundschaft. Die pflegte er mit dem
Franzosen François Mitterand, dem Spanier Felipe Gonzalez, dem Russen Michail Gorbatschow und dem Amerikaner George Bush. Für die Regierungsbildung heißt das, dass
sich die Akteure erst einmal vertrauen müssen. „Der deutsche Wähler hat so entschieden.
Jetzt muss der deutsche Wähler hinnehmen, dass es schwierig ist.“ Wenn Parteien gegeneinander gekämpft haben, dauert es eben, bis diese „gewaltigen Organisationen“
einen neuen Weg gehen.
Echtes Mitgefühl entwickelt Kohl mit Franz Müntefering. Auch wenn er sich erst einmal bremst: „Ich bin kein Freund des SPD-Vorsitzenden. Wie käme ich dazu.“ Aber das, was die SPD mit ihm gemacht habe, rechtfertige seinen Rücktritt. „Er macht die ganz Arbeit, geht dann in seinen Vorstand und der säbelt ihm die Beine ab.“ Das erinnert den einstigen CDU-Vorsitzenden an einen Parteitag im Bremen der späten 80er-Jahre. Da wollten ihn einige auch absäbeln. Natürlich ist es den Geißlers, Blüms und Co. nicht gelungen. Aber für Müntefering hat er Verständnis: „Versetzen sie sich mal in ihn hinein. Es ist richtig, dass er geht. Wer danach behauptet, er habe das nicht gewollt, der lügt.“
In seinem grauen Anzug mit der nett leuchtenden gelben Krawatte sieht Helmut Kohl blendend aus. Er strahlt über das ganze Gesicht. Ganz besonders, als er sich mit seiner
Nach-Nachfolgerin vergleichen kann. Wenn es stimme, dass die CDU sich von Frankreich
und Großbritannien abwenden und viel stärker zu den Osteuropäern hinwenden wolle,
dann verwundere ihn das. Sollte dieser Gedanke aus dem Umfeld Merkels kommen, „dann ist es ein törichtes Umfeld, das nicht erfolgreich sein wird“. Wovon er natürlich ausgeht.
Denn eigentlich ist er noch immer irgendwie der Bundeskanzler. Auch wenn ihn bei seiner Buchpräsentation ausnahmsweise niemand so angesprochen hat.
Helmut Kohl: Erinnerungen – 1982 – 1990. 1000 Seiten, Droemer, 29,90 Euro