Tilman Röhrig haucht Tillman Riemenschneider Leben ein

Historische Romane sind ganz oft oberflächlich und von unserer Sicht der Dinge geprägt. Tilman Röhrig (62) schafft es in Riemenschneider, sowohl die Zeit sehr gewissenhaft aufleben zu lassen, als auch einen schönen Roman zu schreiben. Tilman Riemenschneider
(1460 bis 1531) lebte als Holzschnitzer und Bildhauer in Würzburg, als die Reformation und die Bauernkriege das Land erschütterten.

Seine Werke sind noch heute beeindruckend. Röhrigs Roman schafft es, dass auch das Leben Riemenschneiders fesselt. Röhrig entwirft ein Panorama der Zeit, in der auch Luther, Bauernführer Joss Fritz und Ritter Götz von Berlichingen ihren Platz haben.
Das ist gut gemacht und eine feine Geschichtslektion.

Tilman Röhrig: Riemenschneider. Piper, 19,90 EURO.

Ben Schott sammelt die Welt des Jahres 2007

Ben Schott (33) hat vor einigen Jahren eine alte Art Buch zu neuer Blüte belebt: das Sammelsurium. Diese Sammlungen aller möglichen und unmöglichen Tabellen, Informationen und lexikalischen Stichwörter haben inzwischen viele Nachahmer gefunden. Aber Ben Schott bleibt der Maßstab. Das beweist auch „Schotts Sammelsurium 2008“.

Diese Bücher sind die idealen Geschenke. Denn sie bieten für jeden etwas. Wer beginnt, auf den 280 Seiten zu stöbern, der findet bestimmt viele Sachen, die ihn interessieren. Das beginnt mit einer munteren Chronik. Erster Punkt: Jahresauszeichnungen 2007. Von der Blume des Jahres (Bach-Nelkenwurz) bis hin zum Weißen Hotot (Kanninchen des Jahres) sind alle Brillenträger, Klavierspieler und Bio-Kartoffelsorten aufgeführt.

Angesichts dieses sichtbaren Wahns, alles und jeden alle Jahre auszuzeichnen, verwundert der kurze Überblick über diverse Liste 2007 nicht mehr wirklich. „Men’s Health“ beispielsweise wusste, dass Bananen, Beeren, Curry, Eier, Fisch, Kaffee, Nüsse, Rotwein, Schokolade und Wasser (in dieser Reihenfolge!) intelligent machen. Wenn man bedenkt, dass laut ZDF Loriot, Heinz Erhart, Otto Waalkes, Hape Kerkeling, Dieter Hallervorden, Rudi Carrell (!), Karl Valentin, Michael Mittermeier, Anke Engelke und Dieter Hildebrandt (auch in dieser Reihenfolge!) die komischsten Deutschen sind, dann wird einiges klar.

Denn wenn unter den zehn komischsten Deutschen nur neun Deutsche sind und tatsächlich nur drei davon auch wirklich witzig sind, dann liegt auf der Hand, dass ein Eisbär namens Knut ein ganzes Volk wuschig machen kann (siehe Tier des Jahres). „Schotts Sammelsurium 2008“ zwingt den Leser geradezu, solche Vergleiche zu ziehen. All die überflüssigen Fakten – und dazwischen wirklich bedeutende Themen – zeigen, mit welchem Müll wir uns beschäftigen.

Da steht auf einer Seite alles zum Klimawandel und auf der nächsten, dass Britney Spears die am schlechtesten angezogene Person des Jahres 2007 war. Oder dass der Marlboro-Mann der einflussreichste Mann ist, der nie gelebt hat. Angesichts der Antiraucher-Hysterie des Jahres 2007 könnte aber auch darin eine tiefere Wahrheit liegen. Schön, dass uns Ben Schott darüber grübeln lässt.

Ben Schott: Schotts Sammelsurium 2008. Berlin Verlag, 18 EURO.

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Bücher

Serrats Texte zu Son bis Hip-Hop

Cuba la cant a Serrat
Cuba la cant a Serrat

Ein spezielles Experiment mit bekannten kubanischen Musikern ist auf der Doppel-CD  „Cuba le canta a Serrat“ gebannt. Alte und junge Kubaner, die musikalisch die Bandbreite zwischen Son und Hip-Hip haben, machten sich an das Werk von Joan Manuel Serrat (63).

Der kommt aus Barcelona und hat sich während der Diktatur Francos geweigert, spanisch zu singen. Serrat bestand auf seiner Muttersprache Katalanisch – und war dafür sogar bereit, ins Exil zu gehen. Ein Jahr lebte der originelle Dickkopf in Mexiko, dann starb der senile Faschist Franco und Serra wagte es wieder, heimzukehren.

Wenn jetzt kubanische Künstler einen solchen widerständigen Sänger, Texter und Komponisten intonieren, dann weckt das natürlich Gedanken an die Diktatur des senilen
Dauerkranken Fidel Castro. Insofern ist das Projekt nicht nur musikalisch, sondern auch
politiisch spannend. Ibrahim Ferrer († 77, Buena Vista Social Club) ist für die traditionelle Interpretation, David Calzado ein Beispiel für eine moderne. Alle 21 vereint der durchaus gelungene Versuch, den katalanischen Liedermacher zu kubanischer Musik zu machen. Das gelingt fast ausnahmslos. Und macht somit neugierig auf die eigenen Musikprojekte wie auf jene Serras.

Thomas Weiss zu seinem Buch „Tod eines Trüffelschweins“

Der Fall Grohe machte Schlagzeilen. Die Übernahme des Traditions-Unternehmens durch
eine „Heuschrecke“ und die anschließende Schließung vor zwei Jahren erregte weit über Herzberg hinaus die Gemüter. Der Berliner Autor Thomas Weiss hat sich den Fall als Vorlage für einen irritierenden Text gewählt. Weiss beschreibt darin, wie der Kampf gegen
Ungerechtigkeiten der Globalisierung in Terror münden könnte.

Wie sind Sie auf den Fall Grohe gekommen?

Ich habe im WDR eine Dokumentation darüber gesehen. Als ich das sah, dachte ich mir, dass ich das unbedingt machen will. Das hat mich dann schon gereizt.

Waren Sie mal in Herzberg?

Nein.

Sie sind da noch nicht hingefahren und haben sich das angeschaut?

Nein. Das Buch sollte nicht konkret den Fall Grohe darstellen. Natürlich ist es – daran angelehnt, aber ich wollte einen allgemeineren Text schreiben. Der konkrete Fall Grohe interessierte mich, um einen besonders krassen Fall einer Firmenübernahme durch Finanzinvestoren zu schildern. Darüber habe ich viel recherchiert.

Aber Grothe und Nierenberg im Buch sind doch Grohe und Herzberg?

Das drängt sich auf, sicherlich, trotzdem bilde ich den Fall Grohe nicht eins zu eins ab, sondern überziehe ihn mit einer fiktiven Handlung.

Dieses Thema mit der RAF zu kombinieren, ist schon ein waghalsiges Unterfangen.

Angetrieben hat mich die Bekanntschaft mit einem Mann, der zu dieser Zeit bei der GSG 9 war. Bei einem Gespräch kamen wir auch auf den Fall Grohe. Er fand das auch sehr negativ, zutiefst ungerecht. Da kam mir die Idee, dass man das Leben eines GSG-9ers mit der Globalisierung verknüpfen könnte. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die Umstände der Befreiung von Mogadischu auch spannend sind. Mein Bekannter hat mir viel über den Heldenstatus der GSG-9-Mitglieder erzählt. Und davon, dass sich im Laufe der Zeit etliche
umgebracht haben. Das weiß kaum jemand. Und da dachte ich mir, diese Vermischung des
Denkens . . .

. . . des Gerechtigkeitsempfindens und der Sympathie zwischen den RAF-Terroristen und GSG-9-ern ist beim Lesen sehr verwirrend.

Genau darum ging es mir. Ich wollte keine wissenschaftliche Abhandlung über Firmen-Übernahmen schreiben. Die konkreten Auswirkungen an einem tatsächlichen Beispiel waren deshalb wichtig.

Aber das hat ja nichts mit Terrorismus zu tun.

Die Tat Heusers – der Hauptfigur – schon. Sie ist ja im Grunde eine terroristische Tat. Den Zusammenhang mit der RAF herzustellen, war dennoch schwierig. Das ist natürlich sehr gewagt. Aber das Vorgehen solch eines Finanzinvestors wie im Fall Grohe ist ja auch gewagt. Es ist doch das Allerletzte, wenn man aus persönlicher Profitgier Leute rausschmeißt und einen profitablen Betrieb schließt. Ich finde das unfassbar: Der Betrieb
produzierte mit Gewinn. Doch weil anderswo mehr Profit möglich war, werden einfach die Leute rausgeschmissen und der Betrieb geschlossen.

Auch das hat noch nichts mit Terror zu tun.

Wie gesagt, Heuser ist ja eigentlich der Terrorist. Ich konnte mir einfach vorstellen, dass in solch einer Situation – jemand sagt: Jetzt ist mir auch – alles egal! Für ein Buch ist das eine reizvolle Konstellation. Wenn auf der einen Seite ein Investor sagt, ihm ist alles egal  und auf der anderen ein Mitarbeiter das gleiche sagt.

Das kann als Rechtfertigung verstanden werden.

Mit dieser Verknüpfung rechtfertige ich keine terroristischen Anschläge. Aber bei der  Diskussion über die Begnadigung von Christian Klar ging es auch um Reue, um die Frage, wie steht ein Mensch zu seinen Taten. Eine ähnliche Frage stelle ich auch.

Vor 20 Jahren wäre ein Text wie Ihrer kaum denkbar gewesen.

Ich stelle nur einen Standpunkt dar, ich sympathisiere aber nicht mit der RAF. Das würde ich nie machen. Natürlich habe ich auch über sie recherchiert. Ihre Vorstellungen waren völlig absurd. Erstaunlicherweise gibt es Parallelen zwischen der GSG 9 und der RAF auch in der Sicht auf die Welt. Bei beiden ist sie eher schwarz-weiß. Das hat radikale Konsequenzen. Dieser Radikalität wollte ich mit meinem Buch entsprechen. Das Denken der GSG 9 und der RAF war knallhart, so wie das Buch. Diese Gemeinsamkeiten zwischen den total gegensätzlichen Polen sind vorhanden. Und genau die stelle ich dar.

Globalisierungskritik ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und Sie schreiben einen Text, der sagt: Globalisierung ist so brutal und menschenverachtend, dass selbst die Ermordung von Menschen im Namen einer Gerechtigkeit nachvollziehbar ist.

Der Täter Heuser behauptet das. Ich kann mir lediglich vorstellen, dass der Täter Heuser das behauptet.

Sie spielen aber damit, dass der Leser in diesen Sog mit reingezogen wird.

In meinem Buch steht auch, dass die RAF furchtbare Morde mit schrecklicher Brutalität
verübte. Dennoch können diese Taten nicht aus reiner Mordlust erklärt werden. Es steckte eine politische Idee dahinter, die völlig fatal umgesetzt wurde. Betrachtet man den Vietnam-Krieg, wird nachvollziehbar, woraus die RAF entstanden ist. Dass sie dann mit ihren Bomben dieselben Mittel anwandte – übrigens genauso die Genickschussmentalität
der Nazis – zeigt auch, wie irrsinnig dieser Weg war.

Es geht also um die Schwelle, die Gewalt legitimiert?

Genau. Irgendwann gibt es dieses Maß, das übertroffen wird. Meine Figur Klaus Heuser, der ehemalige GSG-9-Beamte, begründet mit dem Namen „Kommando Georg Elser“, dass er tötet. Heuser sagt, dass es einen Moment gibt, in dem man töten darf. Georg Elser durfte
ja auch, aus unserer Sicht, 1939 versuchen, Hitler zu töten. Das ist natürlich ein Extremfall. Aber wenn man diese Hierarchie nach unten geht, dann kommt man ein ganzes Stück weit. Irgendwann gelangt man dann an den Punkt, an dem das Töten nicht mehr zu  rechtfertigen ist. Aber wo ist dieser Punkt? Das ist sehr schwer zu fassen.

Damit wird der mörderische Widerstand gegen die Globalisierung mit dem Widerstand gegen Hitler auf eine Stufe gestellt.

Die Problematik war und ist mir bewusst. Wenn man sich mehr mit dem Fall Grohe beschäftigt, entsteht ein Wutempfinden. Genau das stelle ich überspitzt dar und frage, was noch passieren könnte. Aber der Mord nützte ja nichts.Hinterher ist alles so, dass die Tat
sinnlos war. So wie die Morde der RAF sinnlos waren. Aber damit zu spielen, dass jemand sagt, er sei immer noch für Gerechtigkeit im radikalen Sinn, war für mich reizvoll. Dabei schwingt auch die Mogadischu-Geschichte mit. In diesem Fall sagt auch jeder: „Völlig klar, dass die GSG 9 die Maschine stürmen und die Terroristen erschießen musste.“ Für die Passagiere war die Entführung eine unglaubliche Quälerei. Das ist ganz furchtbar, was  diesen Leuten angetan wurde. Trotzdem hatten – auch die palästinensischen Entführer irgendwo politische Motive, die sich aus ihrer ganz persönlichen Geschichte ergaben.

Würden Sie selbst als Privatmensch politische Forderungen ableiten aus der Beschäftigung im Fall Grohe?

Ich finde, dass Praktiken wie im Fall Grohe nicht legal bleiben dürfen, vor allem, was die Überschuldung des übernommenen Unternehmens durch den eigenen Kaufpreis betrifft. Das kann man bestimmt irgendwie lösen, ohne dass dadurch Deutschland gleich wirtschaftlich untergeht.

Hätten Sie Lust, aus Ihrem Buch in Herzberg oder der Region zu lesen?

Ja, auf jeden Fall. Ich rechne eigentlich damit, dass das so kommt.

Thomas Weiss: „Tod eines Trüffelschweins“, Steidl Verlag, gebunden, 130 Seiten, 14 Euro.

Rock’n’Roll bringt Dynamik in die Nächte am Polarkreis

Das Buch ist Kult. Und der Film erst recht: „Populärmusik aus Vittula“ hat alles, was einen Klassiker ausmacht. Witz, Tragik, ein Blick fürs Wesentliche aus einem überraschenden
Blickwinkel. Matti und Niila sind richtig gute Freunde. Seit sie sich mit sieben Jahren kennengelernt haben, teilen sie so ziemlich alles miteinander. Bis auf die Schläge, die Niila
ständig von seinem Vater einstecken muss. Sie kann Matti nur still mitfühlen.

Die Jungs wachsen in Vittula auf. Das ist ein Ort im Norden Schwedens nahe an der finnischen Grenze. In den 60er-Jahren ist Vittula noch fast von der Außenwelt
abgeschnitten. Die erste Rock’n’Roll-Platte, die Mattis Schwester hört, löst ein Beben
aus. Reza Bagher hat nach dem wunderbaren Roman von Mikael Niemi einen einfühlsamen Film gedreht, den man immer wieder sehen will.

Die DVD ist dafür die beste Lösung. Nicht nur, weil sie auch noch ein langes Interview mit dem Regisseur enthält. Es ist vor allem die bestechende Qualität des Films und seiner für uns unverbrauchten Darsteller, die es verhindern, dass mehrmaliges Sehen zur sofortigen
Ermüdung führt. Die Geschichte einer Freundschaft, die am Rande der Welt zwei Jungen einen Sinn und vor allem Halt gibt, ist witzig, traurig, heiter und vor allem hoffnungsfroh. Ein Traum aus Landschaft, Seele und Rock’n’Roll.

Veröffentlicht am
Kategorisiert in Medien

Von der Gewalt im US-Mittelstand

Nur 24 Stunden beobachtet der deutsche Regisseur Holger Ernst (35) den Alltag in einer typischen US-Kleinstadt. Es ist genau der Tag, den der Mike (Joe Petrilla) noch daheim ist. Dann rückt er bei der Army ein – mit dem wahrscheinlichen Ziel, im Irak eingesetzt zu werden.

Die Trennung von Mike ist für Valerie (Nicole Vicius) zu viel. Noch vor seiner Abschiedsfete geht sie mit dem Dealer Phil (Robin Taylor) ins Bett. Der träumt davon, in genau diesen 24 Stunden einen großen Deal abzuschließen. Doch dafür benötigt er noch 2000 Dollar. Dafür ist er am Ende auch bereit zu töten. Nicht der zukünftige Soldat, sondern der daheimbleibende Phil wird also zum Killer.

Ernst entwickelt mit seinem Film The House Is Burning einen unangenehmen Sog. Die Katastrophe ist unausweichlich. Und doch sind alle Charaktere vielschichtig gespielt. Der Film verstört mit seiner Mischung aus Sex, Drogen und Gewalt.

Terror zerstört zwei Brüder

Wie die Revolution ihre Kinderfrisst,  hat Ken Loach (71) in Irland inszeniert. Vor dem Hintergrund des Befreiungskampfes der IRA gegen die britischen Besatzer in den 1920er-Jahren entwickelt er ein packendes Drama um zwei unterschiedliche Brüder.

The Wind that shakes the Barley ist einer dieser Filme, die den Zuschauer nicht loslassen – auch lange nach seinem Ende. Er ist zu Recht mit der Goldenen Palme des Filmfestivals in Cannes 2006 und für die Kamera mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet worden.

Damien und Teddy wachsen in Irland auf, als die ganze Insel noch von den Briten besetzt ist. Teddy schließt sich bald der IRA, der irisch-republikanischen Befreiungsarmee, an. Der junge Arzt Damien zögert. Doch als er sieht, wie britische Soldaten streikende Eisenbahner brutal zusammenschlagen, entscheidet er sich für den Widerstand. Ken Loach erzählt mit detailgenauem Blick von der Veränderung der Menschen. Während sich Teddy  nach dem erfolgreichen Kampf und dem zweifelhaften, nur halben Unabhängigkeitsabkommen an die
Macht gewöhnt, erinnert sich Damien stets an die Opfer. Er ist ein Idealist, der weder seine Ideale noch seine Opfer verraten will.

Deshalb kämpft er weiter in der IRA gegen die neue Staatsmacht, der auch Teddy angehört. Cilian Murphy (31), Pádraic Delaney, Liam Cunningham und Orla
Fitzgerald überzeugen mit ihrer Darstellung der jungen Iren, die sich entscheiden, zur Waffe zu greifen. Die erschütternd genaue Szenerie, die perfekten Kostüme und das konsequente Zuschreiben des Films auf die finale Auseinandersetzung der Brüder lässt den
Zuschauern keine Chance, sich entspannt zurückzulehnen.

The Wind that shakes the Barley ist nicht nur ein packender Film über die frühe IRA und deren Kampf. Vor allem ist der Film eine Tragödie, die über den historischen Stoff hinausreicht. Wie verändert der gewaltsame Kampf Menschen? Welchen Einfluss hat
Macht auf Familien? Und: Gibt es eine Grenze, in der Realpolitik Utopie oder Idealismus verrät? Von alldem erzählt Ken Loach.

Funny van Dannen dankt trotzdem

Unglaublich, dieser Funny van Dannen (49). Das letzte Album ist erst ein Jahr her und schon legt er wieder eins vor. Mit 24 neuen Songs! Die Produktivität des melancholischen
Satirikers an der Gitarre ist eine Wucht. Und das gilt für das gesamte Album „Trotzdem Danke“.

Während er auf „Authentic Trip“ mit den weiblichen Träumen von „George Clooney“ (45) das Album eröffnete, hat er nun mit „Sandra Bullock“ die Träume des Mannes im Visier. Richtig großartig ist „Moderne Liebe“. Der Song erzählt von den Momenten, in denen Männer oder Frauen einen Seitensprung wagen könnten. Doch die in diesem Song lehnen ab. Denn die moderne Liebe in Zeiten der Rückbesinnung auf Werte setzt die Beziehung nicht einmal für Lust aufs Spiel.

Funny van Dannen spielt dabei mit Ironie, aber nicht so stark, dass nur eine Interpretation des Textes möglich bleibt. Die Verse gehen ihm ganz leicht von der Hand. Egal zu welchem Thema, Funny van Dannen fällt zu allem ein Lied ein. Leider geht das etwas zu Lasten
der Musik. Seine Gitarre klingt oft gleich. Und etliche Melodien begleiteten auch schon Songs auf älteren Scheiben. Und dennoch bleibt uns nur zu sagen: Trotzdem Danke.

Urban Priol über Quoten, Merkel und wirre Haare

Urban Priol und Georg Schramm. Foto: ZDF/Thomas Schramm
Urban Priol und Georg Schramm. Foto: ZDF/Thomas Schramm

Urban Priol (46) ist der Leiter der ZDF-Kabarett-Sendung „Neues aus der Anstalt“.   20cent sprach mit dem Unterfranken über die Sendung und aktuelle politische
Verwerfungen.

Herr Priol, wie bekommen Sie das immer mit Ihren Haaren hin?

Sie neigen zum Widerspenstigen, schon immer. Irgendwann war ich es leid, sie glatt zu kämmen. Jetzt gehe ich einfach einmal mit dem  Frotteehandtuch durch und nehme dann ein bisschen Haarspray.

Das wirkt, als würden Sie tatsächlich in der Anstalt leben.

Das kann schon sein. Die Haare sollen durchaus auch das Wirre in der Welt transportieren.

Sind Sie erstaunt, dass Sie mit „Neues aus der Anstalt“ mehr Erfolg haben als der etablierte „Scheibenwischer“?

Anfangs dachte ich, das ist die Neugier auf was Neues. Aber der Erfolg hat sich gehalten. Zwar liegen wir nur knapp vorm Scheibenwischer, aber es freut uns. Wir haben – nach langer Zeit ohne Kabarett im ZDF – die Anfangseuphorie mitgenommen und es weiter
stetig nach oben geschafft.

Was ist der Unterschied zwischen Scheibenwischer und Anstalt?

Wir haben Glück, dass wir dieses Bühnenbild haben. Da können wir mit vielem spielen. Mittlerweile fühlen wir uns tatsächlich wie in der Anstalt. Wir haben die Aufzüge, aus denen wir oben und unten rauskommen können, und die Aufgänge. Die Kulisse ist mehr als ein Fernsehstudio, wo man sich zur Abwatscherei des Monats trifft.

Normal haben Sie einen Tisch und ein Weizen dabei. Sie brauchen doch gar keine Kulisse.

Stimmt. Aber dieser Kontrast ist ja das Reizvolle. Man ist man selbst, aber doch in der Anstalts-Rolle, die mit Kollegen interagieren muss. Gerade mit Gerhard Schramm macht es viel Spaß, richtig gute Sachen zu entwickeln.

Auf Ihrer neuen CD kommt Frau Merkel wieder nicht gut weg, obwohl sie jetzt als Miss World gehandelt wird.

Ich beschäftige mich schon lange mit Politik, aber so ein künstliches Hochhypen habe ich noch nie erlebt. Unglaublich. Wenn die Jubelschwaden verraucht sind, erntet sie den nächsten Titel, zumindest innenpolitisch: Miss-Erfolg.

Ist das Auftreten Polens durch die Zwillinge ein Anlass für Satire oder zur Trauer?

Ich neige dazu zu sagen, das ist eine Riesenlachnummer. Sie stehen für eine Geisteshaltung der Mehrheit der Bevölkerung, die sie in diese Ämter gehievt hat. Das ist erschreckend.

Dieses Interview ist am 17. Juli 2007 in 20cent erschienen.

Die Ohrbooten kommen nach Babylon bei Boot

Ohrbooten: Babylon bei Boot
Ohrbooten: Babylon bei Boot

Dieses Album kommt zwei Wochen zu spät. Der G8-Gipfel ist vorbei. Die Ohrbooten hätten den optimalen Soundtrack bieten können. Songs wie Keine Panik, der vom kranken Planeten Erde mit dem Parasit Mensch erzählt, oder Bild Dir eine Meinung, der eine wunderbare konsumkritische Anklage ist, hätten bei den Kritikern der Politiker bestimmt Gehör gefunden.

Das spätere Erscheinen des feinen Raggae-Albums Babylon bei Boot schadet nicht. Dafür sind die Gesangspartien mit mehrstimmigen Wechseln zwischen Bass und Falsett, die groovigen Beats und die intelligenten Texte zu gut. Die Ohrbooten finden ihr Publikum: Der Titelsong ruft dazu auf, sich bei den vier Musikern zu melden. Sie wollen sich zum Gig auf Augenhöhe mit Fans treffen – auf der Straße.