Online-Nutzer, Opposition und FDP stoppen Internetsperren

Fast unbeachtet hat der Bundestag mit überwältigender Mehrheit eines der großen Streitthemen der vergangenen beiden Jahre beerdigt. Statt Internetsperren gegen Kinderpornografie zu errichten, werden jetzt entsprechende Seiten, Fotos und Videos gelöscht. Und damit dauerhaft vernichtet.

Mehr als 130 000 Bürger beteiligten sich an einer Online-Petition gegen das Gesetz der schwarz-roten Koalition aus dem Jahr 2009. Zeitweise war der Hashtag #zensursula der am häufigsten verwendete auf Twitter. „Zensursula“ wurde in der Netzgemeinde Ursula von der Leyen (CDU) genannt, auf deren Initiative das sogenannte Zugangserschwerungsgesetz zurückging. Das Kunstwort aus dem Begriff Zensur und dem Vornamen der damaligen Familienministerin brachte das Angriffsziel und den Grund der Aufregung auf den Punkt.

Ziel der Kritik war nie die Bekämpfung der Kinderpornografie an sich, sondern deren Mittel. Wer aufwendige technische Internetsperren aufbaut, kann in Versuchung geraten, diese auch in anderen Bereichen anzuwenden. Ob die Technik gegen Kinderpornos oder politisch unliebsame Webseiten verwendet wird, ist der Technik egal. Angesichts der Erfahrungen mit den Antiterrorgesetzen war diese prinzipielle Furcht berechtigt.

Dass in Zukunft nur noch auf das Löschen von strafrechtlich relevanten Inhalten gesetzt wird, ist ein Erfolg des Online-Protestes, der auch zum Straßenprotest wurde, der Opposition und der FDP. Deren Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger arbeitete beharrlich am Ende der Internetsperren. Erst mit einer Aussetzung des Gesetzes und jetzt mit der endgültigen Beerdigung.

Zum Umdenken von CDU und CSU haben neben den praktischen Erfolgen beim Löschen von Webseiten auch die Erfolge der Piratenpartei beigetragen. Internetthemen werden inzwischen nicht nur als Angst-Themen diskutiert, sondern sachlich. In den Köpfen der Bundestagspolitiker ist angekommen, dass mit falschem oder oberflächlichem Gerede über das Netz Mehrheiten verspielt werden können. Das will seit dem Berliner Triumph keiner mehr riskieren.

Insofern steht die sachlich richtige Entscheidung des Bundestags vom Donnerstagabend hoffentlich auch für eine generell neue Kultur im Umgang mit dem Netz. Es lauern Gefahren in ihm. Aber auch enorme Chancen. Diese zu erkennen und zu fördern ist die vornehme Aufgabe der Politik. Dazu ist technisches Wissen nötig. Vor allem aber auch reflektierte Erfahrung in der täglichen Nutzung.

Dieser Kommentar ist am 3. Dezember 2011 in der Märkischen Oderzeitung erschienen…