Der Roman ist 800 Seiten dick – und das auch noch in einer kleinen Schrift. Wer sich auf „Die Erfindung der RAF durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ einlässt, muss also viel Zeit investieren. Da stellt sich schnell die Frage, ob sich das lohnt? Für all jene, die sich auf barocke Vielfalt bei Inhalt und Form einlassen können unbedingt. Und für all jene, denen Lesen mehr als ein netter Zeitvertreib ist, wird dieses Buch eine schier unglaubliche Fülle an Entdeckungen bereithalten.
Schlagwort: Pop
Das Pop-Requiem des Ex-Punks Rocko Schamoni
Ein Mann wird alt. Und wir dürfen dabei sein! In unsere Gehörgänge rotzt er seinen Zorn über die Jugend, zu der er doch selber einst gehörte. Rocko Schamoni (40) hat ein Alter erreicht, in dem Auf-Jung-Machen nur noch peinlich ist.
Dessen ist sich der einstige Dorfpunk (so der Titel seines Romandebüts vor zwei Jahren) bewusst. Und deshalb blöckt er jetzt: „Ihr seid Jugendliche / Ihr seid fertig drauf / Ihr seid stolz und hässlich“ und weiter „Ihr seid dumm und glatt / Ihr seid reich und sportlich / Ihr
tragt Army-Klamotten“. Dieser Jugend könne man das Schicksal der Welt nicht anvertrauen!
Rockos Blick ist unerbittlich. Natürlich spielt er in diesem Song wie in den anderen mit der Erwartungshaltung und den Klischees vom Alt-Werden und Jung-Sein. Das macht er auf seine einmalige Art. In Deutschland gibt es keinen vergleichbaren Ex-Punk, der mit den Mitteln der Popmusik seine Wahrheiten so unters Volk bringt.
Seine Botschaften dieser letzten CD, die seit gestern in den Regalen steht, erinnern an die Tiger Lillies. Seine Musik und seine Stimme sind allerdings gegenwärtiger. Seine Präsenz schreit danach, sich nicht aufs Altenteil zurückzuziehen. Es wäre zu schade, wenn er verstummt.
Huss singt für alle Dauer-Praktikanten
Wenn nach einem harten Arbeitstag keine Zerstreuung möglich ist, weil die Theaterkarten zu teuer sind, dann bleibt nur eines: Sex. „Was uns bleibt, ist Sex. Was uns bleibt, das sind die einfachen Freuden, ohne Gott und ohne Geld – ohne Glauben an die Welt“, lautet der Refrain der melancholischen Hymne für die Generation Praktikum von Daniel Huss.
Auf seiner Debüt-CD stimmt der Wahl-Hamburger aus Mainz ein erstaunlich breites Themen-Spektrum an. Der oben zitierte Song „Was und bleibt“ ist dafür ganz exemplarisch. Denn Huss hat einen eigenen Blick auf die globalisierte und individualisierte Welt, der sich in präzisen, oft ironischen Texten niederschlägt.
Musikalisch zieht Huss alle Register. Und das allein. Er hat sämtliche Instrumente selbst eingespielt. Dazu gehören neben der normalen Band-Ausstattung auch Laute und Orgel.
Huss bewegt sich allein durch seine 14 Songs auf HUSS – irgendwo zwischen Pop, Liedermacher und Rock. Auf jeden Fall aber bewegt er seine Hörer durch viele Überraschungen – in Text und Musik. Hoffentlich kann er seinen Job als Gemüseverkäufer bald an den Nagel hängen und eine zweite CD nachlegen.