An einem Flügel mit vier Händen spielen Martha Argerich und Daniel Barenboim schon beeindruckend harmonisch. Aber als sich Barenboim an seinen eigenen Flügel setzt, verschmelzen die beiden zu einer so ungeheuer kraftvollen Einheit, dass sich das Publikum in der Berliner Philharmonie kaum noch zu Husten wagt. Das Duo-Recital von Argerich und Barenboim im Rahmen der Festtage 2017 wird für beide zu einem Triumph.
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Eine wundervolle Zauberflöte in Zeuthen
Ich dachte an Größenwahn, als ich von der Idee hörte, dass die Musikschule Primus aus Zeuthen die Zauberflöte mit Kindern auf die Bühne bringen will. Oper ist Gesang. Oper ist Orchestermusik. Oper ist Theaterspiel. Und vor allem ist Oper das alles zusammen und auf einander abgestimmt. Alles für sich mag ja gehen, aber zusammen so gut abgestimmt, dass es für die Kinder auf der Bühne nicht peinlich wird? Mit Laien? Mit Kindern von der Grundschule bis zum Gymnasium? Das fand ich doch etwas arg ambitioniert.
Bis gestern Abend. Da war die erste Aufführung der Zauberflöte in der Turnhalle der Grundschule am Wald. Links von der Bühne war das kleine Orchester platziert. Von hier dirigierte der musikalische Leiter Markus Wolff das gesamte Geschehen. Konzentriert und etwas angespannt, aber vor allem fast immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Kein Wunder. Denn er erlebte, dass sein gewagter Plan aufging. Er hörte Kinder, die Opernpartien sangen, eine zehnjährige Königin der Nacht, die den gesamten Saal in ihren Bann sang, er erlebte, wie das Instrumentenspiel und der Gesang auf der Bühne eins wurden. Wunderbar. Zauberhaft.
Natürlich war nicht jeder Ton perfekt. Aber das Niveau war insgesamt erstaunlich hoch. Und wenn der Mann an den Reglern der Headset-Mikrophone genauer und schneller gewesen wäre, wäre der Klang noch besser gewesen. Werner Eggrath, der die Regie führte und das Libretto so geschickt gekürzt und an die Möglichkeiten der Musikschüler und der Chöre der Schmöckwitzer und der Zeuthener Grundschule angepasst, dass auch Kenner der Zauberflöte alles wichtige wiederfanden. Und sich am Gesang und Spiel der Schülerinnen und Schüler erfreuen konnten. Zum Glück hatten die Macher den Mut, das Projekt zu wagen. Der Applaus und die Begeisterung des Publikums haben sie belohnt.
Die Berliner Zauberflöte verzaubert mit bezaubernder Optik
Eigentlich haben wir ja schon alles gesehen. Mit großen Effekten im Kino. Mit kleinen im Theater. Und mit der Macht von großem Chor und vollem Orchester in der Oper. Uns Kulturgängern kann man kaum noch etwas vormachen. Und echtes Staunen haben wir schon verlernt, weil der Kopf gleich alles rationalisiert.
In der Zauberflöte der Komischen Oper in der Berlin ist das anders. Ein Stück, das jeder kennt, dessen Melodien selbst Klassikverächtern geläufig sind und dessen zauberhafter Stoff schon in allen Varianten interpretiert und gedeutet worden ist, bekommt hier eine ganz neue Strahlkraft. Die lebt von Bildern, von einer Art Gesamtkunstwerk, wie es selbst für die Oper außergewöhnlich ist.
Und das liegt vor allem an den visuellen Effekten. Die erzeugen eine Ästhetik, die an den Stummfilm angelehnt ist, aber gleichzeitig Schattenspiel, Comic und frühen Zeichentrickfilm mitdenkt. Und genau daraus entsteht dieses Staunen. Etwa wenn Pamina auf dem Bild unten kurz davor ist, sich eine Klippe hinabzustürzen, die doch nur ein visueller Effekt ist. Aber die Wirkung schluckt diesen Effekt. Er funktioniert, weil die Musik die Gefühle liefert. Und das dank eines wunderbaren Orchesters kraftvoll und präzise.
„1927“ nennt sich das Team, das für die visuellen Effekte zuständig ist. Die Opernsänger müssen sich nur verhalten bewegen. Es gibt einige feste Plätze, auf denen sie wie bei einem Glockenspiel auf unterschiedlichen Höhen der Bühnenwand erscheinen. Die Bewegung erzeugen dann meist die Bilder, die auf die weiße Bühnenwand projiziert werden. Die sind bedrohlich, die sind witzig, die lassen den Zuschauer Staunen. Und zwar so sehr, dass das Publikum im ersten Akt die Einsätze für den wohl verdienten Szenenapplaus ständig verpasst. Umso stärker ist der Applaus dann am Ende, wenn das normale Licht alle Effekte verdrängt. Diese Zauberflöte sollte sich jeder Anschauen – weil sie wunderbar ist. Und weil sie all jenen, die sich nicht in die Oper wagen, die Furcht davor nimmt.
Gianandrea Noseda turnt auf dem DSO
Die Berliner Philharmonie ermöglicht so schöne Blicke auf das Orchester. Wer seitlich zur Bühne sitzt, kann die Arbeit des Dirigenten ganz anders beobachten als in vielen anderen Konzertsälen, in denen nur der Blick auf den Rücken bleibt. Gianandrea Noseda heißt der Dirigent, der am 29. November 2012 das Deutsche Symphonie-Orchester zum Wohlklang führen will.
Noseda steht nicht nur am Pult. Manchmal tänzelt er, trippelt auf seinen knapp zwei Quadratmetern von rechts, wo er die Bratschen und die Kontrabässe zu lautem und schnellen Spiel mit harten Bewegungen auffordert, und dann nach links, wo er mit zupfender Handbewegung die Harfen ins Spiel bringt. Das ist bei der symphonischen Fantasie „Aus Italien“ von Richard Strauss. Bei diesem gewaltigen Stück führt Noseda nicht nur den Taktstock. Er kämpft mit der Musik, indem er dem Orchester nicht nur sanft die Einsätze andeutet, sondern es geradezu anspringt.
Der extreme Körpereinsatz des Dirigenten, die ausufernden Bewegungen sind sichtliche Anstrengung. Nosedas Mimik spiegelt die Dramatik der Strausschen Klänge ebenso. Und manchmal übertönt das „Ba-Ba-Ba“, mit dem der Gastdirigent den Rhythmus (fast) tonlos mitsingt, die zarten, leisen Partien der Flöten und Fagotte. Das sind Momente der Komik. Da wirkt der Einsatz Gianandrea Nosedas trotz des strengen, hoch geschlossenen Rocks, wie eine Atemübung des Turners, mit der er sich auf die Übung am Reck konzentriert. Und wenn Noseda dann auch noch in die Knie geht, um sich sofort wieder Durchzustrecken, dann rettet ihn nur noch das Geländer am Pult vor dem Sprung auf die Streicher in der zweiten Reihe.
Dann ist es besser, die eigenen Augen zu schließen und sich nur noch auf die Ohren zu verlassen. Auch dann haben die pathetischen Passagen von Strauss etwas Komisches, schrammen sie doch an der Kitschgrenze entlang. Aber ohne den Anblick des auf dem Orchester turnenden Noseda muss ich nur fröhlich schmunzeln – und nicht laut lachen.
Mozarts Leben zum Anhören auf zwei Hörbüchern
250 Jahre Wolfgang Amadeus Mozart werden nicht erst am Freitag gefeiert. Verlage, Labels und alle Arten von Kulturanbietern zelebrieren das Musikgenie schon seit Wochen. 20cent hat sich zwei Hörbücher über den Komponisten angehört.
Hörbücher sind für Biografien von Komponisten das optimale Medium. Sie ermöglichen auch die musikalische Umrahmung mit den wichtigsten Werken des Musikers. Bei Martin Gecks „Mozart – Eine Biografie“ wird davon auch Gebrauch gemacht. Allerdings etwas spärlich. Das ist schade, da der Text, den in diesem Fall Senta Berger sehr einfühlsam und konzentriert liest, tatsächlich neue Blicke auf das Salzburger Wunderkind eröffnet. Gerade die Passagen, in denen es um das musikalische Genie Mozart geht, wären mit mehr Musik ein echter Gewinn.
Die alte Aufnahme von Gerd Westphal (1920 – 2002) „Lieber Herr Kapellmeister und Hofkompositeur“ – Ein Mozart-Portät setzt die Musik offensiver ein. Allerdings nicht organisch, sondern getrennt. Beide CDs enthalten eine Reihe von biografischen Texten und Briefen von und an Mozart. Westphal, der bekannteste Rezitator Deutschlands, hat die Texte sehr unterschiedlich im September 1996 vorgetragen. Er wechselt die Stimme je nach Anlass und erzeugt so aus der losen Aneinanderreihung eine organische Biografie. Das hat eine sehr große Faszination.
Den musikalischen Rahmen liefern die St. Petersburg Virtuosen. Das Quartett spielt akurat. Doch die Anordnung der Stücke und der Texte lässt es leider nicht zu, dass sich Mozart-Einsteiger ein eigenständiges Hörbild erarbeiten können. Das schafft auf Gecks Mozart Senta Berger. Wohl auch, weil sie den richtigen Akzent hat. Ihr österreichischer
Tonfall überzeugt vor allem bei den frühen Briefen des jungen Mozart an seinen Vater. Berger moduliert den Grundkonflikt zwischen dem ehrgeizigen Vater und dem Genie, das neben der Musik doch auch nur Kind sein wollte, wunderbar heraus.
Beide Hörbücher sind trotz des Mangels bei der Musikpräsenz ein guter Einstieg in die Welt Mozarts. Wer sich mit ihm noch nicht (oder nicht so richtig) auskennt, erfährt viel interessantes. Für Mozart-Profis bieten die CDs dagegen kaum etwas.
MARTIN GECK: MOZART. GELESEN VON SENTA BERGER, DEUTSCHE GRAMMOPHON, 24 EURO
GERT WESTPHAL: LIEBER HERR KAPELLMEISTER …, DEUTSCHE
GRAMMOPHON, 12,90 EURO