Schunkeln und Polka auf die robuste finnische Art mit Eläkeläiset

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Fünf Herren mittleren Alters sitzen auf der Bühne im Astra und musizieren. Hunderte Männer und Frauen ebenfalls eher mittleren Alters schwingen im Takt die Arme und tanzen. Sänger, die nicht singen können. Musiker die Songs der Pop- und Rockgeschichte covern. Leute, die sich freuen, wenn sie die Stücke erkennen. Und Humppa ohne Humpa, Humpa Tätärää, weil jedes Blasinstrument fehlt. Das ist das bizarre Geschehen im Astra Kulturhaus am Freitagabend.

Eläkeläiset haben eine treue Fangemeinde. Die fünf Finnen nehmen jedes Musikstück in ihre Mangel – und heraus kommt Musik, die in die Beine geht. Musik, die irgendwo zwischen Polka und Punk ankommt und dabei alles parodiert, was auf den Bühnen der Popkultur zelebriert wurde. Eläkeläiset ist wie einer dieser Filter, die man bei Instagram nutzen kann, um eine ganz bestimmt Ästhetik aus egal welchem Originalfoto zu erzeugen. Die akustische Ästhetik von Eläkeläiset ist die der wunderbar dilettierenden Freizeitmusiker, die alles und jeden mit ihrer Spielfreude mitreisen können. Und genau das tun sie im Astra.

AUf den T-Shirts der Fans sind stilisierte Elche. „Humppa“ steht auf ihnen oder „Old is not dead“. Humppa ist quasi der Filter, der jeden Song zu einem tanzbaren, fröhlichen und mitreisenden Polkagroove macht. Humppa ist der Schlachtruf, der der der Band entgegenschallt, wenn sie die Bühne verlässt. Nicht „Zugabe“, sondern „Humppa“ ertönt es. Und Humppa ist der Rhythmus, den der Saal tanzt und stampft. Fast schon wie Schunkeln. Nur schneller, schweißtreibender, stehend und stampfend. Und immer voller Witz und Parodie – und damit eben doch ganz anders als das Schunkeln der Volksmusikfreunde. Wobei Eläkeläiset ja quasi aus der Popkultur der Welt eine Form von finnischer Welt-Tanz-Musik macht, der sich nur humorfreie Menschen entziehen können. Im Astra gibt es die nicht. Überhumppt nicht. Humppa!

Ringsgwandls Geschichten sind nichts für leise Leser

Georg Ringsgwandl: Das Leben und Schlimmeres
Georg Ringsgwandl: Das Leben und Schlimmeres

Jetzt sind es bald schon 25 Jahre, dass Georg Ringsgwandl den Salzburger Stier verliehen bekam. Solange gehört er zumindest in Bayern zu den Stimmen, die mit ihrem schrägen Blick die Wirklichkeit graderücken. Bei ihm gilt zudem das Wort von der „Stimme“ nicht im übertragenen Sinn. Aber als Autor ist er bislang nicht in Erscheinung getreten.

Leider. Denn sein erstes Buch „Das Leben und Schlimmeres – Hilfreiche Geschichten“ verursacht eine Art Phantomschmerz, weil man diese wunderbaren Texte erst jetzt lesen darf. Warum hat uns der Ringsgwandl so lange warten lassen? Weil die CDs nicht die Verkaufszahlen erreichen, die sie verdient hätten? Oder weil ihm das Leben – früher auch als Arzt – als Familienvater und Rampensau keine Zeit ließ?  Zumindest auf die Frage nach den CD-Verkäufen gibt es in dem Buch eine Antwort.

Ganz nah an den Menschen sind seine Beobachtungen. Ganz lakonisch ist sein Ton. Und ganz großartig ist der Witz, der in diesem Spannungsfeld entsteht. „Das Leben und Schlimmeres“ ist eines dieser Bücher, die in der Bahn die Mitreisenden belästigen können, weil man lauthals lachen muss. Ringsgwandl ist ein Meister in der Offenlegung des Absurden im Alltag. Etwa wenn er den ehemaligen Schulfreund beschreibt, der fest davon überzeigt ist, dass seine Songs besser in großen Stadien funktionieren würden als die der großen Bands. Aber da er sich lieber in Gram vergräbt, bleibt er unentdeckt und leidet als kleines Licht an seinem Größenwahn.

Wunderbar sind auch die Beobachtungen über Liebe im Niedrigenergiehaus, „das Knie“ als biomechanischem Drama in drei Akten oder den „Tiroler Rundfunk“. Jeder Text für sich ist ein feines Meisterstück. Da in dem rororo-Band 32 Texte sind, wächst dieser zu einem großen Buch.

Ringsgwandl: Das Leben und Schlimmeres – Hilfreiche Geschichten. rororo, 9,99 Euro.

 

Fundstück im Datenmüll: Ein Interview mit Josef Hader

Hader spielt Hader. Fotos: © Udo Leitner
Hader spielt Hader. Fotos: © Udo Leitner

Dieses Interview mit Josef Hader ist zwischen Weihnachten und Silvester 2006 geführt worden. Seine Antworten sind auch fünf Jahre später noch gut. Und sie passen als Vorbereitung für alle, die sich seine Auftritte im Berliner Babylon in der kommenden Woche anschauen wollen:

Hatten Sie schöne Feiertage?

Sie waren dringend nötig. Ich hatte eine sehr anstrengende Tournee.

Wie lange spielen Sie das Programm Hader muss weg schon?

Seit zwei Jahren.

Warum kommt es so spät als DVD und CD auf den Markt?

Es gibt da zwei Kräfte. Die Produzenten wollen die Veröffentlichung möglichst sofort. Sie sagen, dass der beste Zeitpunkt am Anfang ist. Der Künstler dagegen will es möglichst spät aufnehmen, weil er das Programm dann einfach besser kann. Eigentlich sollte man das den Zuschauern ja nicht sagen, aber ich tue es trotzdem: In ein Kabarett-Programm sollte man eigentlich erst nach einem Jahr gehen. Da können es die Künstler dann auch richtig.

Das merkt man auch an den Aufnahmen von DVD und CD. Die CD wirkt noch sicherer.

Ja genau. Ein Programm hat eine Entwicklung, wie sie auch ein Mensch hat. Am Anfang ist es jung. Da wird Können durch Kraft ersetzt. Wenn es etwas älter ist, braucht man nicht mehr so viel Kraft und hat mehr Platz für Zwischentöne.

Worüber haben Sie sich heute schon aufgeregt?

Über gar nichts?

Wirklich nicht?

 Ich rege mich wenig auf.

 In ihrem Programm wirkt das anders.

Auf der Bühne ist das auch anders. Der Hader im Programm ist eine Bühnenfigur, die ich nicht allzu sympathisch erscheinen lassen wollte. In der Geschichte stirbt er bald. Angesichts dessen sollte sich das Publikum nicht allzu sehr nach ihm zurücksehnen.

Wie viel echter Hader steckt in diesem Bühnen-Hader?

Schon viel. Ganz ehrlich: Der Schimpfmonolog am Anfang hat beim Schreiben so viel Spaß gemacht, dass ich gar nicht mehr aufhören wollte. Ursprünglich war er dreimal so lang, wie im Programm. Das Schimpfen macht halt einfach Spaß.

Ihr letztes Programm hieß Privat. Steckte da noch mehr Joseph Hader drin?

Nein. Die Titel sagen so viel nicht über das Stück aus. Aber wenn man selber schreibt und dann nur eine Person spielt, dann muss man so viel aus seinen Erinnerungen, aus seinem Leben nehmen, dass man gar nicht anders kann, als sich persönlich einzubringen. Das ist die einzige Möglichkeit, die Zuschauer zwei Stunden lang zu fesseln.

Im aktuellen Programm spielen Sie sieben Personen. Können Sie sich vorstellen, dass dieses Stück auch von anderen Schauspielern gespielt werden könnte?

Das kann ich sehr schwer beantworten. Ich habe das noch nie ausprobiert. Dann müsste man das Programm an einigen Stellen umschreiben und von persönlichen Dingen befreien. Dann wäre es eher wie eine Partitur, in die der Schauspieler seine Person einbringen kann. Aber die Frage hat sich bisher nie gestellt.

Gibt es eine Höchstgrenze der Aufspaltung von Hader? Sieben sind ja nicht ohne…

Nein. Ich habe mich nie gefragt, wie viele Personen ich alleine spielen kann. Ich habe versucht, diese Geschichte zu erzählen. Mein Ziel ist es auch nicht, das nächste mal ein Programm mit noch mehr von mir allein gespielten Personen zu machen. Es war diesmal einfach der Wunsch, es auszuprobieren. Normal mache ich so etwas ja nicht.

Wie wichtig ist dabei ein Regisseur?

Bei Hader muss weg, war das sehr wichtig.

Wie lebt es sich zurzeit in Österreich?

Tja. Wir haben ja noch keine Regierung. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird es eine große Koalition. Und zumindest für Österreich heißt das nichts Gutes, denn dadurch werden die rechtspopulistischen Protestparteien gestärkt.

Es ist doch absurd, dass der abgewählte Kanzler die Koalitionsverhandlungen so lange hinauszögert, bis jeder die Wahl vergessen hat.

Man muss grundsätzlich akzeptieren, dass Politiker Menschen sind, die genauso gekränkte Eitelkeiten haben, wie zum Beispiel Künstler (er lacht). Das ist aber nicht das Hauptproblem. Es gibt immer die Kräfte, die miteinander etwas bewirken wollen. Und es gibt die, die eigentlich nur gegeneinander arbeiten wollen. Das merkt man ja auch in Deutschland. Das ist das Hauptproblem bei einer Koalition gleichstarker Parteien. Das muss man abwarten. In den 90er Jahren gab es ganz lange eine große Koalition, an deren Schluss der Haider auf 27 Prozent gekommen ist.

Wenn Sie als Österreicher in Deutschland auftreten, merken Sie dann Unterschiede im Publikum?

Es gibt ja Deutschland gar nicht. Wenn man als Kabarettist sein Programm in Deutschland spielt, merkt man, dass es den deutschen Zuschauer nicht gibt. In Bayern, in Baden-Württemberg, in Hessen oder noch weiter oben, ist der Humor ganz anders. Der Humorzustand ist noch wie vor 1871.

Ihre CD ist mit dem Hinweis Dialekt light inklusive deutscher Flagge erschienen?

Es gibt zwei Varianten. Wer den Dialekt nicht so gut versteht, für den ist das ein Angebot. Wenn mir der Dialekt so wichtig wäre, dann würde ich doch in Deutschland ohnehin nicht spielen. Mir ist wichtig, dass die Sprache weich bleibt.

Wie lange wollen Sie dieses Programm spielen?

Ich arbeite mich vom Süden langsam zur Nordsee rauf. Und vom Osten in den Westen. In Deutschland bin ich mittlerweile bis Köln.

Wann kommen Sie dann nach Berlin?

Das kann ich noch nicht sagen. Ich hatte vor, im, Herbst 2007 dort zu sein. Aber jetzt sind noch etliche Auftritte in Bayern und Baden-Württemberg dazwischengekommen. Es wird also bestimmt erst 2008.

Was wünscht sich der Mensch Joseph Hader für 2007?

Viele Dinge gleichzeitig. Da müsste ich erst wissen, wie viele ich habe – und was ich Ihnen dann sagen würde. Aber auf jeden Fall, dass möglichst wenig Katastrophen passieren; auf der Welt und bei mir.

Fuck off Bad Fucking

Bad Fucking
Bad Fucking

Die ersten Seiten dieses Krimis machen Lust. Kein Wunder. Bei diesem Titel. Aber je länger die Erregung anhält, umso schlechter fühlt sie sich in diesem Fall an. Sie wird schal. Und hinterlässt ein Gefühl von Plastik im Mund. Kurt Palm spielt in seinem Krimi „Bad Fucking“ mit allen Elementen der Erregung.

Das beginnt beim plakativen Titel, geht weiter mit einer ganzen Truppe von Cheerleadern, deren knappe Bekleidung die Herren des trostlosen Kaffs in Wallung bringt und macht auch nicht vor der Lust des Voyeurs am Schmerz anderer halt. Insofern könnte das Buch packend und fesselnd sein. Doch der Trieb Palms, aus jeder Situation noch einen Witz zu ziehen, verhindert das. Was am Anfang noch nach gutem, bösen, schwarzem und überzogenem Humor aus Österreich wie bei Alfred Dorfer oder Josef Hader wirkt, wird von Seite zu Seite immer öder. Selbst die sich aufbauende Spannung mag man nicht mehr lesen.

Erschütternd ist, dass dieses Buch den „Glauser-Preis“ für den besten deutschsprachigen Krimi bekommen hat. Entweder die Jury ist von allen guten Geistern verlassen oder sie hat Sehnsucht nach etwas Humor in solchen Romanan. Wahrscheinlich haben sich die Juroren aber gedacht: Fuck off. Warum sollen wir Bücher von Anfang bis Ende lesen, die solch geile Titel haben. Da der Leser die ohnehin kauft, pappen wir noch unser Logo drauf und machen so den Preis bekannter! Dass der Leser im Buchladen wirklich zuschlägt, bleibt zu befürchten. Deshalb warne ich hier ausdrücklich davor. Dann doch lieber die zehn Euro aufheben und sich ein gutes Buch kaufen.

Kurt Palm: Bad Fucking – Kein Alpenkrimi. rororo

Heinz Erhard begleitet den Bahnreisenden

Heinz Erhard im DB-Reclamheft
Heinz Erhard im DB-Reclamheft

Die Bahn verwöhnt ihre Kunden. Zumindest in der 1. Klasse auf Fernreisen. Es werden nicht nur Zeitungen gereicht und Getränke am reservierten Platz serviert. Jetzt verteilt die Bahn auch Bücher.

In der DB-Sonderedition gibt es Reclam-Heftchen für den (be-)gierigen Reisenden, der bei Geschenken nicht Nein sagen kann. Für mich lag Heinz Erhard obenauf. Und siehe da, die Abwechslung ist gelungen. Wer bereit ist, in die Enge der 50er- und 60er-Jahre einzutauchen, kommt in den Genuss witziger Weisen.

Nette Verse, deftige Dialoge und treffende Sentenzen erheiterten auch mich. Da waren Texte über das Wetter, Worte über das Dichten, Sätze wider den Irrsinn des Lebens zu finden. Nur das Reisen, vor allem das mit der Bahn, kam in dem Büchlein nicht vor…