Kurt Tucholsky lobt Mehrings frühe Gedichte

DAS NEUE LIED

Wir sind kein liedersingendes Volk, und aus dem schauerlichen Gemisch von gestorbenen Wandervogelliedern und künstlich gemachten Operettenschlagern ragt nichts hervor, was dieses Volkes Seele erfüllte. Wenn dem Deutschen so recht wohl ums Herz ist, dann singt er nicht. Dann spielt er Skat.

Eine ganze Industrie befaßt sich mit der Herstellung von Amüsierungs-Erzeugnissen – aber wie tot ist das alles!

Der ganze Brief steht unter walter-mehring.info:

 

Dialekt macht Spaß

Kark-Heinz Göttert: Alles außer Hochdeutsch
Kark-Heinz Göttert: Alles außer Hochdeutsch

Wenn Menschen dieses angebliche Hochdeutsch sprechen, dann klingt das meist gekünstelt. Viel schöner ist es, wenn sich an der Sprache erkennen lässt, wo jemand herkommt. Karl-Heinz Göttert versucht in seinem Buch „Alles außer Hochdeutsch“ Lust auf Dialekt zu machen. Doch so ganz gelingt es dem Kölner Germanisten nicht.

Von den gut 350 Seiten werden die wenigsten Leser alle in sich aufsaugen. Die Einführung ist gut und überzeugend. Auch jeder Komplexe über die großen neun deutschen Dialekte ist für sich lesenswert. Aber alle zusammen sind dann doch ermüdend. Und das gilt für den interessierten Laien wie für den linguistischen Experten. Letzteren dürfte das Bauch nicht tief genug gehen, weil es das auch gar nicht will. Für die anderen wird neben der Einführung vor allem das Kapitel über die eigene Heimat und die Wohngegend von Bedeutung sein.

Verdienstvoll ist Götterts klare Ansage, dass es kein Hochdeutsch gibt. Denn weder spreche man in Hannover besseres Hochdeutsch als in Frankfurt am Main oder in Nürnberg. Im Norden wird ein von Resten der überwundenen niederdeutschen Dialektformen geprägtes Deutsch gesprochen, im Süden eines, das von den noch gesprochenen geprägt ist. Göttert zu Folge ist keines besser oder schlechter. Und da hat er ja auch recht. All die fruchtlosen Diskussionen, on „zu“ oder „an“ Weihnachten richtig ist, haben nichts mit Hochdeutsch zu tun, sondern allenfalls mit einer an der eigenen regionalen Dialektkultur geschulten Sprachwahrnehmung.

„Ein Streifzug durch unsere Dialekte“ ist der Untertitel des Buches. Diesem wird er durch die Kapitel über die neun Dialektregionen gerecht. Leider fehlt Göttert dabei der rote Faden, der sich durch alle Kapitel zieht. Der Suche nach griffigen und witzigen Beispielen wird manchmal die Systematik geopfert. Allerdings sind viele Beispiele dann doch amüsant. Und sie machen sämtlich Lust auf die sprachliche Vielfalt, die Deutschland prägt – und das wieder verstärkt.

Insofern lohnt sich ein Blick in das Buch. Jeder Leser wird Dinge finden, die ihn verblüffen. Wer sich allerdings intensiv mit dem Thema befassen will, sollte besser nach echter Fachliteratur greifen. Aber das wird sicherlich nur eine kleine Minderheit sein.

Karl-Heinz Göttert: Alles außer Hochdeutsch – Ein Streifzug durch unsere Dialekte. Ullstein, 384 Seiten, 19,90 Euro.

Fundstück im Datenmüll: Ein Interview mit Josef Hader

Hader spielt Hader. Fotos: © Udo Leitner
Hader spielt Hader. Fotos: © Udo Leitner

Dieses Interview mit Josef Hader ist zwischen Weihnachten und Silvester 2006 geführt worden. Seine Antworten sind auch fünf Jahre später noch gut. Und sie passen als Vorbereitung für alle, die sich seine Auftritte im Berliner Babylon in der kommenden Woche anschauen wollen:

Hatten Sie schöne Feiertage?

Sie waren dringend nötig. Ich hatte eine sehr anstrengende Tournee.

Wie lange spielen Sie das Programm Hader muss weg schon?

Seit zwei Jahren.

Warum kommt es so spät als DVD und CD auf den Markt?

Es gibt da zwei Kräfte. Die Produzenten wollen die Veröffentlichung möglichst sofort. Sie sagen, dass der beste Zeitpunkt am Anfang ist. Der Künstler dagegen will es möglichst spät aufnehmen, weil er das Programm dann einfach besser kann. Eigentlich sollte man das den Zuschauern ja nicht sagen, aber ich tue es trotzdem: In ein Kabarett-Programm sollte man eigentlich erst nach einem Jahr gehen. Da können es die Künstler dann auch richtig.

Das merkt man auch an den Aufnahmen von DVD und CD. Die CD wirkt noch sicherer.

Ja genau. Ein Programm hat eine Entwicklung, wie sie auch ein Mensch hat. Am Anfang ist es jung. Da wird Können durch Kraft ersetzt. Wenn es etwas älter ist, braucht man nicht mehr so viel Kraft und hat mehr Platz für Zwischentöne.

Worüber haben Sie sich heute schon aufgeregt?

Über gar nichts?

Wirklich nicht?

 Ich rege mich wenig auf.

 In ihrem Programm wirkt das anders.

Auf der Bühne ist das auch anders. Der Hader im Programm ist eine Bühnenfigur, die ich nicht allzu sympathisch erscheinen lassen wollte. In der Geschichte stirbt er bald. Angesichts dessen sollte sich das Publikum nicht allzu sehr nach ihm zurücksehnen.

Wie viel echter Hader steckt in diesem Bühnen-Hader?

Schon viel. Ganz ehrlich: Der Schimpfmonolog am Anfang hat beim Schreiben so viel Spaß gemacht, dass ich gar nicht mehr aufhören wollte. Ursprünglich war er dreimal so lang, wie im Programm. Das Schimpfen macht halt einfach Spaß.

Ihr letztes Programm hieß Privat. Steckte da noch mehr Joseph Hader drin?

Nein. Die Titel sagen so viel nicht über das Stück aus. Aber wenn man selber schreibt und dann nur eine Person spielt, dann muss man so viel aus seinen Erinnerungen, aus seinem Leben nehmen, dass man gar nicht anders kann, als sich persönlich einzubringen. Das ist die einzige Möglichkeit, die Zuschauer zwei Stunden lang zu fesseln.

Im aktuellen Programm spielen Sie sieben Personen. Können Sie sich vorstellen, dass dieses Stück auch von anderen Schauspielern gespielt werden könnte?

Das kann ich sehr schwer beantworten. Ich habe das noch nie ausprobiert. Dann müsste man das Programm an einigen Stellen umschreiben und von persönlichen Dingen befreien. Dann wäre es eher wie eine Partitur, in die der Schauspieler seine Person einbringen kann. Aber die Frage hat sich bisher nie gestellt.

Gibt es eine Höchstgrenze der Aufspaltung von Hader? Sieben sind ja nicht ohne…

Nein. Ich habe mich nie gefragt, wie viele Personen ich alleine spielen kann. Ich habe versucht, diese Geschichte zu erzählen. Mein Ziel ist es auch nicht, das nächste mal ein Programm mit noch mehr von mir allein gespielten Personen zu machen. Es war diesmal einfach der Wunsch, es auszuprobieren. Normal mache ich so etwas ja nicht.

Wie wichtig ist dabei ein Regisseur?

Bei Hader muss weg, war das sehr wichtig.

Wie lebt es sich zurzeit in Österreich?

Tja. Wir haben ja noch keine Regierung. Mit größter Wahrscheinlichkeit wird es eine große Koalition. Und zumindest für Österreich heißt das nichts Gutes, denn dadurch werden die rechtspopulistischen Protestparteien gestärkt.

Es ist doch absurd, dass der abgewählte Kanzler die Koalitionsverhandlungen so lange hinauszögert, bis jeder die Wahl vergessen hat.

Man muss grundsätzlich akzeptieren, dass Politiker Menschen sind, die genauso gekränkte Eitelkeiten haben, wie zum Beispiel Künstler (er lacht). Das ist aber nicht das Hauptproblem. Es gibt immer die Kräfte, die miteinander etwas bewirken wollen. Und es gibt die, die eigentlich nur gegeneinander arbeiten wollen. Das merkt man ja auch in Deutschland. Das ist das Hauptproblem bei einer Koalition gleichstarker Parteien. Das muss man abwarten. In den 90er Jahren gab es ganz lange eine große Koalition, an deren Schluss der Haider auf 27 Prozent gekommen ist.

Wenn Sie als Österreicher in Deutschland auftreten, merken Sie dann Unterschiede im Publikum?

Es gibt ja Deutschland gar nicht. Wenn man als Kabarettist sein Programm in Deutschland spielt, merkt man, dass es den deutschen Zuschauer nicht gibt. In Bayern, in Baden-Württemberg, in Hessen oder noch weiter oben, ist der Humor ganz anders. Der Humorzustand ist noch wie vor 1871.

Ihre CD ist mit dem Hinweis Dialekt light inklusive deutscher Flagge erschienen?

Es gibt zwei Varianten. Wer den Dialekt nicht so gut versteht, für den ist das ein Angebot. Wenn mir der Dialekt so wichtig wäre, dann würde ich doch in Deutschland ohnehin nicht spielen. Mir ist wichtig, dass die Sprache weich bleibt.

Wie lange wollen Sie dieses Programm spielen?

Ich arbeite mich vom Süden langsam zur Nordsee rauf. Und vom Osten in den Westen. In Deutschland bin ich mittlerweile bis Köln.

Wann kommen Sie dann nach Berlin?

Das kann ich noch nicht sagen. Ich hatte vor, im, Herbst 2007 dort zu sein. Aber jetzt sind noch etliche Auftritte in Bayern und Baden-Württemberg dazwischengekommen. Es wird also bestimmt erst 2008.

Was wünscht sich der Mensch Joseph Hader für 2007?

Viele Dinge gleichzeitig. Da müsste ich erst wissen, wie viele ich habe – und was ich Ihnen dann sagen würde. Aber auf jeden Fall, dass möglichst wenig Katastrophen passieren; auf der Welt und bei mir.