Eine Erzählung ist es nicht. Eine Novelle auch nicht. „Wiener Flohmarktleben“ von Richard Swartz ist eher ein autobiografisches Feuilleton, das von der sprachlichen Kraft eines großen Reporters lebt. Der Schwede, der seit Mitte der 70er-Jahre in Wien lebt, erzählt von seiner Sammelleidenschaft, von den sozialen Veränderungen bei den Flohmarkthändlern und der Stadt, in der jedes Wochenende die Stände mit Krims, Krams, Kunst und Kitsch stehen. Und er schildert eine wichtige Phase seiner Kindheit, in der in Stockholm von Virus der Sammelleidenschaft infiziert wurde.
All das sind erstmal nur nette Zutaten, bei denen man sich auch fragen könnte, warum man sich damit beschäftigen soll. Richard Swartz hat in seinen Büchern bislang immer nach dem gesucht, was man als das Verbindende Europas bezeichnen könnte. Genau das macht er auch in diesem Buch. Denn er schreibt von Kunst und der kulturellen Kraft des Schaffens, die seinen Stiefgroßvater als Fälscher und Kunstkenner beseelte. Genau die sucht auch der Kunde auf dem Wiener Flohmarkt. Und die Händler aus Russland, vom Balkan und aus Wien bieten genau diese sehr europäische Sehnsucht an, die sich in Gegenständen bündelt, die im gesamten Kontinent früher eine größere Bedeutung hatten als heute.
Richard Swartz schafft es, auf den knapp 190 Seiten eine packende autobiografische Geschichte zu erzählen, der man als Leser gerne folgt. Das liegt vor allem daran, dass man dem Erzähler die eigene Geschichte abnimmt und sich dann darüber wundert, wie sich die Erlebnisse der Kindheit als Gedanken und Gefühle 1700 Kilometer und etliche Jahrzehnte später in einem Bild widerspiegeln. „Wiener Flohmarktgeschichten“ ist ein schönes Buch, das davon lebt, dass man jeden Satz auf mehreren Ebenen liest. Das gelingt auch deshalb so gut, weil Verena Reichel den Band in ein wunderbares Deutsch mit Wiener Anklängen übersetzt hat. Wie immer bei Richard Swartz.