Der Elster Verlag macht weiter! Mit „Stum und Dada – Gedichte, Erinnerungen und Essays das Walter Mehring“ bringt der Zürcher Verleger Bernd Zocher den dritten Band von Walter Mehring in nur vier Jahren heraus. Das ist nicht nur löblich. Es ist vor allem für den Leser ein Fest. Immerhin handelt es sich bei Walter Mehring (1896 – 1981) um einen lesenswertesten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In diesem Band sind seine frühsten und etliche späte Texte versammelt. Die frühen Texte sind in Herward Waldens „Der Sturm“ erschienen. Und in den Dada-Zeitschriften. Sie fehlten im zweiten Band der Mehring-Reihe des Elster-Verlags – „Dass diese Zeit uns wieder singen lehre“. Jetzt wird klar, weshalb. Sie mit den Essays Mehrings herauszubringen, die sich mit seiner eigenen Zeit als Dadaist und mit der Deutung der Arbeit der anderen Dadaisten in den 1950er und 1960er Jahren befassen, ist eine gute Entscheidung gewesen. Herausgeber Martin Dreyfus schafft so einen literarischen Raum, in dem sich alles aufeinander bezieht. Die eigenen Gedichte dienen so als Referenz für die viel später verfassten retrospektiven Gedanken über Dada, den Untergang des Kaiserreichs, den Beginn der Weimarer Republik und der literarischen und künstlerischen Begleitung durch eine wütende, durch den 1. Weltkrieg desillusionierte Jugend.
Die Gedichte aus dem Sturm sind jetztgenau 100 Jahre als. Walter Mehring schrieb sie als Soldat. 1916 haben ihn die Feldjäger abgeholt und in die Armee gepresst. Da musste er in der Etappe dienen. Offenbar hatte er trotz Dienst für Kaiser und Vaterland noch Zeit und Gelegenheit mit Herward Walden in Kontakt zu treten und zu bleiben. Mehring versucht in diesen frühen Texten die Lyrik neu zu erfinden. Die Bilder der Expressionisten, die er in der Galerie Waldens sah, waren dafür Vorbild. So wie die Maler mit dicken Strichen, mit harten Kontratsen, mit gleißenden Farben ihren persönlichen Eindruck von der Wirklichkeit auf die Leinwand zu bringen, so versucht es der damals gerade 20 Jahre alte Mehring der Reduktion der Sprache auf Substantive und Satzfragmente, die in einem aggressivem Sprachrhythmus nicht gesprochen, sondern eher gepresst, gewürgt werden müssen. Das war damals neu und hatte nichts mit der bekannten Lyrik zu tun.
Aber nicht 100 Jahre Sturm-Balladen, sondern 100 Jahre Dad ain Zürich sind der Grund für die Herausgabe dieses Bandes gerade jetzt. Wobei Walter Mehring ja bei Dada-Berlin und nicht bei Dada-Zürich mitmachte. Aber natürlich beshäftigen sich die Essays auch mit den Zürcher Vorläufern der Berliner Dada-Sektion. Die Essays, die auch um einige Texte, die bislang noch nicht in Buchform zu lesen waren, sind ebenso lesenswert wie die Gedichte. Walter Mehring kannte ja nicht nur seine Dada-Kollegen. Er war auch mit der Kunstszene von Berlin und Paris nicht nur bekannt, sondern vertraut. Weil er alle kannte, sind seine Urteile so faszinierend. Und weil er so einzigartig in jedem Satz verdichten konnte. Hoffentlich folgt diesem dritten Band bald ein vierter. Es gibt so viele Texte Mehrings neu zu lesen. So wie es in einem späten Programm mit Mehring Texten für die Bühne einst hieß: Viel mehr Mehring!
Mehr Mehring im Elster Verlag:
Die verlorene Bibliothek
Dass diese Zeit uns wieder singen lehre
Sturm und Dada
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