Bürgernähe in Eichwalde zwischen Theorie und Praxis

Wenn die Gemeinde Eichwalde die Hortgebühren um bis zu 400 Prozent erhöht, ist das ihr gutes Recht. Die Verwaltung arbeitet eine neue Gebührensatzung aus und die  Gemeindevertreter stimmen zu. Das ist rechtlich einwandfrei. Aber wenn mit den betroffenen Eltern nicht einmal gesprochen wurde, dann ist das zumindest alles andere als bürgerfreundlich.

Wenn ein Bürgermeisterkandidat im September 2009 – vor der Wahl folgendes sagt: „Wichtig ist es, das Gespräch mit den Bürgern zu führen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen, die zukunftsfähig und für möglichst alle Betroffenen tragbar sind“ (Wahlflyer vom September 2009), dann ist das sehr begrüßenswert. Wenn es der inzwischen gewählte Kandidat zweieinhalb Jahre später aber völlig normal findet, dass weder mit den betroffenen Eltern noch mit deren Vertretung vor dem Beschluss gesprochen wird, dann ist das auf jeden Fall eine bittere Enttäuschung.

Wenn er auch noch solche Sätze wie diesen sagte: „Dies gehört heute zum Einmaleins von Stadtplanern. Auch die Verwaltung kann noch bürgerfreundlicher werden – Stichwort Öffentlichkeitsarbeit, Öffnungszeiten, Transparenz, Beratung“, (Wahlflyer vom September 2009), dann zeugte das von zumindest von guten Vorsätzen. Aber wenn die Verwaltung weder mit den Betroffenen spricht, noch die Gemeindevertreter richtig informiert, dann wird der ehemalige Kandidat seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht („Die Zahlen sind von der ersten Minute an so diskutiert worden“, widerspricht Speer. „Das hätte nachgerechnet werden können.“ (MAZ vom 29. März 2012) .)

Von den Eltern konnte es nicht nachgerechnet werden, weil sie nichts wussten. Und die Gemeindevertreter müssen sich eigentlich darauf verlassen können, dass sie von der Verwaltung richtig informiert werden. Und das schließt Beispielsrechnungen ein, die die gesamte Tragweite der Entscheidungen aufzeigen. Wenn der Chef der Verwaltung, also der Bürgermeister, noch immer sagt, dass die Verwaltung alles richtig gemacht hat („Eichwaldes Bürgermeister Bernd Speer (parteilos) weist abermals den Vorwurf zurück, die Gemeindevertreter nicht ausreichend informiert zu haben. „Die Zahlen waren zugänglich.“ Die Kitasatzung hätte gleich bei der ersten Abstimmung abgelehnt werden können, sagte er.  (MAZ vom 7. April 2012) ), dann ist das eigentlich nur noch ärgerlich.

Aber vielleicht erinnert sich Bernd Speer ja noch an seine Versprechen und arbeitet im Sinne derer, die ihn gewählt haben: „Wir müssen mit unseren Einrichtungen wie Schule, Kindertagesstätten aber auch Spielplätzen ein attraktives Wohnumfeld für Familien bieten. Dies sehe ich als sehr wichtige Aufgabe an.“ (Wahlflyer vom September 2009) Denn dann würde er die Eltern endlich ernst nehmen und mit den Gemeindevertretern nach einer guten Lösung suchen. Und nicht weiter all seine Wahlversprechen ad absurdum führen – und viele seiner Wähler bitter enttäuschen.

Weitere Links zum Thema:
Beitrag auf diesem Blog vom 19. März 2012 
MAZ vom 29. März 2012
Brandenburg Aktuell vom 2. April 2012
Brandenburg Aktuell vom 4. April 2012
MAZ vom 7. April 2012 

Empörung in Eichwalde – Weil ein Lehrer öffentliche Gelder sparen wollte, beschwerte sich ein PDS-Mann beim Schulrat

Weil er sparen wollte, muss sich ein Lehrer in Eichwalde mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde herumschlagen. In der idyllischen Gemeinde am Berliner Stadtrand führte der Streit über diesen ungewöhnlichen Vorgang jetzt auch zur Spaltung des Gemeinderates. Eine Mehrheit aus SPD, CDU und freien Wählern hat alle Mandatsträger der PDS zum Rücktritt aufgefordert. Denn es war der PDS-Fraktionschef Martin Kalkhoff, der die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Jörg Jenoch verfasste.

Jenoch ist Lehrer am Eichwalder Gymnasium und Gemeindevertreter für „Wir in Eichwalde“ (WIE), einer Wählervereinigung engagierter Bürger. 6,5 bis 7 Millionen Euro will sich Eichwalde den Ausbau der Grundschule zur Halbtagsschule kosten lassen.
Für Jenoch und Kollegen Sven Moch ist das jedoch zu viel. Jenoch: „Wir wollen diese Schule. Aber die derzeitige Planung ist überdimensioniert. Die Baukosten lassen sich sehr einfach um zwei Millionen reduzieren ohne das pädagogische Konzept zu gefährden.“ Sven Moch geht noch weiter: „Zurzeit ist Eichwalde schuldenfrei. Gut zwei Millionen liegen auf der hohen Kante. Mit dem geplanten Bau läuft Eichwalde in die Schuldenfalle und setzt die Selbstständigkeit aufs Spiel.“
Mit seiner Dienstaufsichtsbeschwerde beim Wünsdorfer Schulrat wollte Kalkhoff Jenoch offenbar zum Schweigen bringen: „Wir gestatten es nicht, dass ein Lehrer, der als Lehrer argumentiert, andere Meinungen vertritt und so die Gesamtmaßnahme Bildungsstandort Stubenrauchstraße gefährdet“, sagte er dem Tagesspiegel. Der Schulausbau wurde mit großer Mehrheit beschlossen. Für die PDS ist er für die Zukunft Eichwaldes unerlässlich. Da der PDS-Fraktionschef der Meinung war, dass Jenoch dem Lehrerkollektiv der Humboldt-Grundschule unterstelle, dass es die Halbtagsgrundschule gar nicht will, setzte er die Beschwerde auf. Dafür hat Schulrat Werner Weiss kein Verständnis. Weiss: „Wenn jemand in seiner Freizeit politisch tätig ist, dann unterliegt diese politische Tätigkeit nicht der Aufsicht des Dienstherren“, sagt er. Und weiter: „Das wäre ja noch schöner. Das hatten wir in der Russen-Zone.“ Der Lehrer Jenoch selbst hat lange gezögert, mit der Dienstaufsichtsbeschwerde an die Öffentlichkeit zu gehen. Es bleibe ja immer etwas hängen, befürchtete er. Aber der Angriff auf seine berufliche und wirtschaftliche Basis hat ihn doch zu sehr an frühere Zeiten erinnert. Mit Jenoch solidarisierten sich auch CDU und SPD, obwohl sie den großen Schulausbau mittragen.
Die SPD stellte den Antrag, dass alle Mitglieder des Gemeinderates, die von der Dienstaufsichtsbeschwerde wussten, zurücktreten sollen. Bärbel Schmidt (SPD), die Gemeinderatsvorsteherin begründet das so: „Martin Kalkhoff und seine Fraktion wollten disziplinarische Maßnahmen gegen Andersdenkende zu deren Einschüchterung erzielen.“ Darüber ist sie so erschüttert, dass sie sagt: „Wer so denkt, hat keinen Platz in einem demokratisch gewählten Gremium.“ Um zu unterstreichen, wie ernst es ihr ist, kündigte Bärbel Schmidt ihren Rücktritt an. Denn 2003 wurde sie mit den Stimmen von SPD und PDS gewählt. Auf diese Mehrheit will sie sich jetzt nicht mehr stützen. Mit neun zu acht Stimmen forderte der Gemeinderat nun am vergangenen Donnerstag die PDS-Kollegen zum Rücktritt auf. Erzwingen kann er diesen nicht.
Das weiß auch Kalkhoff: „Wir haben mit vielen Genossen beraten und sind weiterhin bestrebt, unsere Mandate auszufüllen“, sagt er. Der Bürgermeister von Eichwalde, Ekkehard Schulz, der ebenfalls PDS-Mitglied ist, hat dafür volles Verständnis. Er glaubt zwar inzwischen auch, dass die Dienstaufsichtsbeschwerde, von der er wusste, ein Fehler war. Persönliche Konsequenzen daraus will aber auch er nicht ziehen. Viele Gemeindevertreter sind jedoch der Ansicht, dass auch der Bürgermeister zum Rücktritt aufgefordert worden ist. Womit die nächste Runde im Streit zwischen PDS und dem Rest von Eichwalde eingeläutet sein dürfte. Mit Ruhe und Beschaulichkeit ist es am Zeuthener See erst einmal vorbei.