Dieses Buch ist ein Segen. ChristianRickens argumentiert geistvoll gegen die Armada der neokonservativen Plappermäuler dieser Republik an. Ob Eva Herrmann (48, Das Eva-Prinzip), Matthias Matussek (56, Wir Deutschen) oder Björn Lomborg (42, Apocalypse No), sie alle werden inhaltlich sachlich, aber im Ton auch etwas böse widerlegt.
Rickens schafft es, der schwülstigen Sehnsucht nach Gebärfreudigkeit im Namen der Nation, Patriotismus ohne historische Verwurzelung und Freude am deutschen, aber reaktionären Papst Klarheit und Aufklärung entgegenzusetzen. Rickens Buch ist ein Muss für alle, die sich als mündige Bürger verstehen.
Christian Rickens: DIE NEUEN SPIESSER – VON DER FATALEN SEHNSUCHT NACH EINER ÜBERHOLTEN GESELLSCHAFT. ULLSTEIN. 14 EURO
Was unterscheidet uns Deutsche vom Rest der Welt? Diese Frage beschäftigt die Deutschen schon immer. Nicht erst seitdem Matthias Matussek vom Spiegel sein Hurra auf einen neuen Patriotismus schrieb. Der Amerikaner Eric T. Hansen hat jetzt ein köstliches Buch über uns geschrieben: „Planet Germany“.
Mit dem Blick des Ausländers, der schon mehr als 20 Jahre in Deutschland lebt, deckt Eric T. Hansen alle die kleinen und großen Fehleinschätzungen der Deutschen auf. Da er diese Diagnose mit ganz viel liebevoller Ironie würzt, wird aus dem Text nie eine Anklage. Im Gegenteil. Das Buch ist ein regelrechtes Plädoyer für alle die liebevollen Macken, die wir uns so angewöhnt haben.
Da ist zum Beispiel der deutsche Hang, an den USA alles gut oder aber alles schlecht zu finden. Eine abgeklärt abwägende Haltung zum wichtigsten Verbündeten der Deutschen kann der Amerikaner Hansen nicht ausmachen. Und dabei stört uns auch nicht, dass viele der so typischen amerikanischen Dinge, die irgendwie schlecht sind, eigentlich aus Deutschland kommen.
So zum Beispiel das Fließband. Diesen Inbegriff von amerikanischem Kapitalismus hat die
Keksfabrik Bahlsen in Hannover schon Jahre vor Henry Ford in seinen Autofabriken eingeführt. Mit einem typischen Unterschied: Die Amis reden darüber, die Deutschen
aber merken gar nicht, wie wichtig Marketing in eigener Sache ist.
Hansen hat in seinem köstlichen Buch ganz viele solcher Beispiele versammelt. Wer „Planet Germany“ liest, dem könnte glatt die Brust vor Stolz schwellen. Doch da Hansen
all seine Beobachtungen über die deutschen Eigenarten mit einer Mischung aus Satire und Ironie schildert, sorgt er stets auch für die richtige Distanz.
Eine Eigenschaft, die Hansen an den Deutschen schätzt. Im Kapitel Die Deutschen lassen sich unheimlich viel einfallen, um nicht aufzufallen bringt er diese Haltung auf den Punkt. Überhaupt sind sämtliche Kapitel vermeintliche Gegensätze, die Hansen immer amüsant
auflöst. Sein Blick von außen öffnet dem Leser die Augen, dass er ein Teil einer recht sympathischen, gut organisierten und zutiefst demokratischen Nation ist, die ihren Scheffel gern unters Licht stellt.
ERIC T. HANSEN: PLANET GERMANY – EINE EXPEDITION IN DIE HEIMAT DES HAWAII-TOSTS. FISCHER. 12,95 EURO.
Diese Rezension ist am 2. Januar 2007 in 20cent erschienen.
15 Jahre war Matthias Matussek als Spiegel-Korrespondent im Ausland. Dann kehrte er zurück und hat „Wir Deutschen“ geschrieben. Ach wäre er doch nur weggeblieben, dann gäbe es dieses abstruse Traktat nicht.
Inzwischen ist Matussek Kulturchef beim Spiegel. Er hat eine lupenreine Karriere als Konvertit hinter sich. In den 70er Jahren war er Mitglied abstruser K-Gruppen (also westdeutscher kommunistischer Sektierer). Und jetzt ist er glühender Nationalist.
Matussek feiert Selbstverständlichkeiten als Argument für einen neuen deutschen
Nationalismus. Er freut, sich, dass die Landschaft so schön ist, dass das Brot gut
schmeckt, die Infrastruktur gut ist und das Land sicher ist. Und Rockmusik mit intelligenten deutschen Texten hat er auch gehört. Das ist doch allerhand.
Man muss schon sein gesamtes bisheriges Leben blind durch Deutschland gegangen
sein, um all diese Schönheiten erstaunlich zu finden. Wer daraus einen neuen deutschen Nationalismus ableitet, der sollte dringend mal kalt duschen. Denn die Infrastruktur ist auch ohne Nationalismus so fein aufgebaut worden. Matusseks Buch ist besonders ärgerlich, weil es so viel Unsinn so verdammt gut erzählt. Denn der Kerl kann schreiben. Ob das all die Nationalisten zu würdigen wissen, denen Matussek mit seinem Text dient, ist aber fraglich.
Matthias Matussek : Wir Deutschen. S. Fischer; Gebunden. 352 Seiten.18,90 Euro.