Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen

Veränderte Rolle der Tageszeitungen

Wer sich mit der politischen Kommunikation in Deutschland beschäftigt, darf nicht nur auf die Art und Weise schauen, wie die Politik in Richtung Bevölkerung kommuniziert. Ganz wesentlich ist ein Blick auf die Medien, die die politische Kommunikation maßgeblich prägen. Sie sind es, die über Verantwortlichkeiten aufklären und Sachverhalte erklären. Sie stellen die Fragen, die zum Verständnis komplexer Sachverhalte für die Bürger unerlässlich sind. Demokratie lebt von der Beteiligung der Bürger. Diese aktive Form der Teilhabe setzt Wissen um Zuständigkeiten und Verfahren voraus. In einer demokratischen Gesellschaft, in der es eine Vielzahl von Entscheidungsebenen gibt, muss der mündige Bürger in der Lage sein, sich immer neues Wissen selbst aktiv anzueignen. Um sich ein Bild von den Entscheidungsstrukturen, den politischen Akteuren und ihren Netzwerken machen zu können, muss er zudem seine kommunalen Mandatsträger, Abgeordneten, kommunalen Wahlbeamten, Minister und Kommissionsmitglieder kennen. Wobei kennen hier nicht meint, mit ihnen persönlich bekannt zu sein.

Um das Funktionieren der repräsentativen Demokratie sicherzustellen, geht es vielmehr um die Möglichkeit, politische Positionen und ihre jeweiligen Konsequenzen eigenständig und unabhängig in der Kommune, im Land, im Bund und in Europa beurteilen zu können. Eine bürgerliche Öffentlichkeit bedarf funktionierender Medien. In der Vergangenheit übernahmen für bundes- und landespolitische Themen vor allem die überregionalen Tageszeitungen, die Nachrichtenmagazine und das Öffentlich-Rechtliche Fernsehen die Funktion, die Bürger mit Informationen und Hintergründen zu versorgen, die zu einer Teilhabe am politischen Leben notwendig sind. Auf kommunaler und regionaler Ebene oblag diese Funktion bis dato den regionalen und lokalen Tageszeitungen. Auch sie nahmen dabei immer die Landes-, Bundes- und Europapolitik ins Visier, das stark durch eine regionale Optik geprägt war.

Fortsetzung des Vortrags:
Politische Kommunikation (6) – Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation

Politische Kommunikation (9) –  Bürgerengagement im Netz

Politische Kommunikation (6): Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Politische Kommunikation – oder Wie sage ich es den Bürgern?

Zusammenfassung meines Vortrags bei einem Workshop vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz“ und „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“ am 24. September 2011 in Kassel.

Politische Kommunikation (1) – Einführung
Politische Kommunikation (2) – Kommunikations-Versagen: Stuttgart 21
Politische Kommunikation (3) – Kommunikations-Versagen: Flughafen Schönefeld
Politische Kommunikation (4) – Kommunikations-Versagen bei den Stromtrassen
Politische Kommunikation (5) – Veränderte Rolle der Tageszeitungen

Gefährdete Öffentlichkeit in Mecklenburg-Vorpommern

Diese Beschreibung wurde im Präteritum verfasst. Denn eine funktionierende bürgerliche Öffentlichkeit ist in Deutschland keine Selbstverständlichkeit mehr. Mehrere Faktoren tragen dazu bei. Wesentlich ist die Verknüpfung des wirtschaftlichen Bedeutungsrückgangs der regionalen Tageszeitungen und des steigenden Desinteresses an ihnen. Ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern zeigt, dass die klassische Medienlandschaft dort nicht mehr flächendeckend in der Lage ist, qualitativ guten Journalismus auf lokaler, regionaler und überregionaler Ebene aus einer Redaktion anzubieten.

Mecklenburg-Vorpommern hat schon heute keine Redaktion mehr, die Lokales und Mantel vollständig aus einer Hand liefert. Dadurch sinkt die journalistische Qualität und in Folge auch das Interesse der lokalen Öffentlichkeit an den Medien. Die Ostsee Zeitung erhält ihren Mantel von der Mutter aus Kiel. Die Schweriner Volkszeitung hat die Mantelredaktionen in eine eigene Tochtergesellschaft ausgegliedert, die wiederum Inhalte von der Mutter in Flensburg übernimmt. Der Nordkurier schließlich kauft seinen Mantel bei dieser Tochter der Schweriner Volkszeitung komplett ein. Dieser Befund ist für das Bundesland besonders gravierend, weil dort die anhaltende Bevölkerungsabwanderung und das sinkende Engagement der Verlage Hand in Hand gehen. Aber auch in anderen Regionen Deutschlands sind Verlage nicht mehr willens oder in der Lage, quantitativ und qualitativ gut besetzte Redaktionen vorzuhalten. Ein Blick über die Grenzen Deutschlands bestätigt diese Analyse auch für das europäische Ausland. Diese Prozesse lassen sich in den Niederlanden und in Frankreich ebenso wie in Polen beobachten.

Einige Zahlen verdeutlichen das. In den vergangenen zehn Jahren haben etliche ostdeutschen Tageszeitungen ca. 30 Prozent der Auflage verloren. Heute ist eine Haushaltsabdeckung von mehr als 30 Prozent eine Seltenheit. Das heißt, dass in mehr als zwei Drittel der Haushalte keine Zeitung mehr gelesen wird. Gleichzeitig sind die Anzeigenerlöse in diesem Zeitraum um bis zu 50 Prozent gesunken. Als Kompensation wird an den Vertriebserlösen gedreht. Das wiederum bedeutet, dass Tageszeitungen jährliche Erhöhungen der Abonnementspreise von deutlich über der normalen Preissteigerung durchsetzen und damit bewusst eine weiter sinkende Auflage in Kauf nehmen. Hauptsache die Erlössteigerung ist größer als der Verlust durch den Abgang an Abonnenten.

Es handelt sich um einen Teufelskreis, weil anderweitige Erlöse, etwa aus dem Briefgeschäft oder aus Online-Aktivitäten, nicht in der Lage sind, die Lücke zu schließen. Sinkende Erlöse schlagen sich in der Folge in sinkenden Mitarbeiterzahlen nieder. Es gibt Redaktionen, in denen mehr als ein Drittel der Redaktionsstellen weggefallen sind. All diese ökonomischen Gründe wirken sich direkt auf die Rolle der Tageszeitungen in den betroffenen Regionen aus. Da, wo Lokalredaktionen zusammengelegt und ausgedünnt werden, kann zwangsläufig nur weniger und qualitativ schlechter über die betroffenen Orte berichtet werden. Gleichzeitig schwindet die Fähigkeit der Redaktionen, zu reflektieren, welche Entscheidungsebene für welche Auswirkungen vor Ort verantwortlich ist. All dies verstärkt dann wiederum den Bedeutungsschwund der Tageszeitung als flächendeckendes Medium.

Verstärkt wird dieser Prozess durch die sich ändernde Nutzung von Medien. Ganz vereinfacht lässt sich sagen, dass jüngere Menschen weniger Zeitung lesen. Sie sind stärker im Internet aktiv. Dabei nutzen sie soziale Netzwerke auch zur Informationsbeschaffung. Traditionelle Medienhäuser sind in diesem Bereich in der Regel schlechter aufgestellt als die reine Online-Konkurrenz. Tageszeitungen sind derzeit kaum in der Lage den Reichweitenrückgang durch Online-Aktivitäten vollständig zu kompensieren: weder inhaltlich noch wirtschaftlich. Dies liegt vor allem daran, dass die Zeitung und deren Inhalte gezielt geschützt werden. Sie sollen aus strategischen Erwägungen möglichst nicht kostenfrei in gleicher Qualität ins Netz gestellt werden. Außerdem sind die Portale der Tageszeitungen nicht darauf ausgelegt, die Vernetzung mit der Region zu fördern, da Blogs und andere Webseiten als Konkurrenz gesehen werden.

Lesen Sie weiter:
Politische Kommunikation (7) – Wie lässt sich regionale Öffentlichkeit dennoch herstellen?
Politische Kommunikation (8) – Piraten als Ausdruck veränderter Kommunikation
Politische Kommunikation (9) – Bürgerengagement im Netz