Ein Sicherheitsdilemma

Schutz vor Angriffen im Internet ist ein wichtiges Thema. Datensicherheit und die Verlässlichkeit bei Vertragsbeziehungen sind ebenso bedeutsam wie die Abwehr von Angriffen Krimineller oder von Geheimdiensten. Insofern ist es richtig, dass die Bundesregierung das Thema endlich so ernst nimmt.

Der Staat ist dazu da, Bürger vor Angriffen aller Art zu schützen. Selbstverständlich bezieht sich das im Zeitalter des Internets auch auf den „Cyber-Raum“, wie ihn die Regierung jetzt nennt. Und dennoch schwingt bei den Plänen von Thomas de Maizière ein gerütteltes Maß Heuchelei mit.

Angriffe auf Computer oder Computersysteme funktionieren in der Regel über Sicherheitslücken in der Software. Das Beste wäre also, diese möglichst umfassend zu schließen, etwa durch ein Bundesamt zur IT-Qualitätssicherung. Doch dann würden auch die Lücken geschlossen, die Polizei und Geheimdienste benötigen, um Rechner von Kriminellen oder Terroristen ausspähen zu können. Insofern soll das neue Abwehrzentrum bekämpfen, was man selbst benötigt.

MOZ-Kommentar…

Stasi-Akten verunsichern ganz Osteuropa

Sieben ost- und mitteleuropäische Staaten haben sich zum „Europäischen Netzwerk der für die Geheimpolizei zuständigen Behörden“ zusammengeschlossen. In den ehemaligen Ostblock-Staaten wird sehr unterschiedlich mit den Akten der kommunistischen Diktaturen umgegangen.

Es hat fast 20 Jahre gedauert, bis sich die staatlichen Stellen zur Aufarbeitung der Stasiakten in einem Netzwerk organisierten. Erst im Dezember 2008 schlossen sie sich zusammen. Die ehemaligen Staatsparteien, in deren Auftrag die Geheimpolizeien die Bevölkerung bespitzelten, waren schneller. In vielen Ländern bestimmten ihre Nachfolger die Debatte um den Umgang mit den Akten. Am nachhaltigsten verhinderten sie in Bulgarien und der Ukraine die Archiv-Öffnung. Kein Wunder, wie der bulgarische Journalist Hristo Hristov findet: „Selbst unser aktueller Präsident war Mitarbeiter des Geheimdienstes.“ Sein ukrainischer Kollege Juri Durkot kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Erst nach der Orangenen Revolution 2004 hat man angefangen, Akten zugänglich zu machen.“ Wobei sich das „Institut für das nationale Gedenken“ vor allem mit Themen befasst, die lange zurückliegen, etwa der großen Hungersnot 1932/33. Einem Thema, das der Abgrenzung zu Moskau dient. Der Unterdrückung von Dissidenten nähert sich das Institut dagegen erst langsam – mit fraglichem Ausgang. Juri Durkot: „Bis zur Trennung 1991 sind viele Akten nach Russland gegangen.“

Solche Probleme kennen alle Behörden. Vor allem der Versuch, die Akten politisch zu instrumentalisieren ärgert sie und auch die Bürger. Die polnische Journalistin Patrycja Bukalska zeigt die Auswirkungen: „In Polen hat sich der Anteil der Gegner der Aktenöffnung von 2007 bis 2009 auf 40 Prozent verdoppelt.“ Die Akten gälten nur noch als Mittel im politischen Kampf, nicht als Teil der Aufarbeitung.

Doch genau dazu wurden sie Wissenschaftlern, Journalisten und Opfern zugänglich gemacht. Ungarn war 1991 der erste Staat des ehemaligen Warschauer Paktes, der ein Lustrationsgesetz erlassen hatte. Lustration war im alten Rom die feierliche Befreiung von Sünden. Die postkommunistischen Staaten nannten jene Gesetze so, die es ermöglichten, sich von Geheimpolizei-Mitarbeitern dank der Akten zu befreien – also von den Sündern der Vergangenheit. Ludek Navara von der tscheschichen Zeitung „Mladá Fronta DNES“ findet das nach wie vor richtig. 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur interessiert ihn: „Wer wurde gezwungen und wer arbeitete aus Überzeugung mit der Staatssicherheit zusammen?“

Die Frage nach der Motivation und der Wirkungsweise der Unterdrückung bewegt alle nationalen Institute. Axel Janowitz, Referent für Bildungsarbeit der Birthler-Behörde mahnt: „Wir verlieren 2,3 Millionen SED-Mitglieder aus dem Blick. Und damit die Verantwortung der SED.“ Die Konzentration auf die Stasi, den „Schäferhund der SED“, gefährde die Aufarbeitung. Das sieht auch Dragos Petrescu vom „Nationalrat für das Studium der Securitate-Archive“ in Rumänien so. Dabei hat er die Jugend im Blick, für die die Diktatur Geschichte ist. Petrescu: „Wir müssen der Jugend sagen, dass auch der verantwortlich ist, der mitgemacht hat, ohne für die Securitate gearbeitet zu haben.“

Dieser Ansatz bei der Aufarbeitung wird oft als politische Instrumentalisierung verstanden, da sie zwangsläufig heute aktive Politiker und andere öffentliche Personen mit der Vergangenheit konfrontiert.

Eigentlich wollen die Behörden die europäische Dimension der Diktaturen beleuchten. Und wie kulturelle Fragen der einzelnen Nationen das Funktionieren der Diktatur bestimmt haben. Etwa, weshalb die Stasi in ihren Berichten von „häufig wechselndem Geschlechtsverkehr“ schreibt, der ungarische Geheimdienst aber von einem „aktiven Liebhaber“. Doch noch sind die Behörden nicht so weit. Das gilt auch für die Frage, nach dem Zusammenspiel von KGB und den einzelnen Geheimpolizeien.

Marianne Birthler, Chefin der deutschen Stasi-Behörde, will zudem, dass ein weiterer Aspekt nicht vergessen wird: „Wir finden in den Akten auch viele Menschen, die sich dem System widersetzt haben. Menschen, die einfach anständig geblieben sind.“