Süßes Wien

Apfelstrudel, Palatschinke, Torte, Kuchen, Konfekt – überall. In Wien kann man den Leckereien der Bäckereien, Konditoreien und Cafés nicht entgehen. Es sei denn, man weiß nicht zu genießen. In Schaufenstern, Spezialläden und den allgegenwärtigen Caféhäusern drängt sich all das, was sich mit Zucker Feines anstellen lässt, ins Auge. Und dann natürlich in den Mund, wo sich die Aromen dank des süßen Geschmackträgers herrlich verteilen, wo sich die Cremes und Strudel, die Kuchen und Torten zart auf der Zunge auflösen und gegen den Gaumen gedrückt Momente des Wohlgefühls auslösen. So ist das in Wien. Süß. Und gut. Und immer wieder beglückend.

Von der Würde des Arbeitens in der Wiener Hofburg

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Da geht man ganz unbedarft in die Wiener Hofburg, um Altes zu besichtigen, und dann ist man unversehens Zaungast eines Staatsempfangs. Keine bunten k. u. k. Uniformen marschieren in Reih und Glied durch die Hofburg. Schnödes Feldgrau versucht den gleichen Pomp, den gleichen Ernst, die gleiche Würde auszustrahlen, wie es das alte Zeremoniell erfordert. Denn das ist so alt wie Teile der Mauern, in denen der slowenischen Präsident Borut Pahor heute begrüßt wird.

Staatsempfang des slowenischen Präsidenten in Wien am 6. Februar 2013
Staatsempfang des slowenischen Präsidenten in Wien am 6. Februar 2013

In anderen Hauptstädten gehört das Aufmarschieren von Ehrenkompanien zum folkloristischen Tourismusspektakel. Vor allem Monarchien spielen gern mit bunten Soldaten, die auf- und abmarschieren. Und das vor großer, alter Kulisse. Die österreichische Ehrenkompanie hat noch einige Insignien, die an die große Zeit erinnern, zum Beispiel Offiziere, die blanke Säbel ziehen und präsentieren. Beim Publikum, fast ausschließlich Touristen, kommt gut an. So ein Säbel ist ja auch viel würdevoller, als leere Hände beim Grüßen am Stahlhelm.

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Überhaupt ist es die Würde, die hier zelebriert wird. Auch wenn sie immer wieder schön gebrochen wird. Etwa wenn sich Österreichs Präsident Heinz Fischer und seine Frau Margit auf den Weg zur Begrüßung des Gastes machen. Sie beide strahlen so viel herzliche Bürgerlichkeit aus, dass das Feldgrau doch wieder den richtigen Hintergrund abgibt. Als Sloweniens Staatspräsident Borut Pahor dann kommt, als die Hymne gespielt wird, als nach dem Herzen und Drücken die Ehrenkompanie abgeschritten wird, ist das alles dann doch noch ein würdevolles Spektakel.

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Wenn da diese Frau nicht wäre. Mit ihrem Wägelchen, das sie ungerührt von Bläsern, Blech und Bundespräsidenten, über die Pflastersteine rattert, macht sie einen geradezu ungehörigen Krach. Weder die absperrenden Polizisten noch die neugierigen Touristen können sich das Grinsen verkneifen. So wird sie eingerissen, die würdevolle Fassade in der Ehrfurcht erheischenden Wiener Hofburg. Von einer Frau, die arbeitet – und keine Zeit für alte, höfische, Zeremonien hat.

Mein erster Schnaps

Minidestille zum Schnapsbrennen
Minidestille zum Schnapsbrennen

In dem einen Kolben ist Wein. Nicht irgendein Wein, sondern mein Wein. Im anderen ist Wasser zum Kühlen. Spiritus erhitzt den Wein – und nach der Kühlung tröpfelt Weinbrand in den Behälter mit dem Glastrichter. So einfach ist das. Und doch sehr aufregend. Immerhin ist es das erste Mal, dass ich die kleine Apparatur benutze. Und so bestaune ich jeden einzelnen Tropfen, der in den Glastrichter fällt.

Noch aufregender ist der erste Tropfen auf meiner Zunge. Funktioniert das? Kann man das trinken? Natürlich kenne ich unzählige Geschichten von selbstgebranntem Schnaps aus Russland oder Polen oder aus Erzählungen vom Wehrdienst bei der NVA. Aber das heißt ja noch lange nicht, dass das Brennen bei mir auch klappt. Wie in der Anleitung verlangt, habe ich die allerersten Tropfen weggeschüttet – auch wenn es mir nicht leicht fiel. Aber die rochen auch sehr streng. Ganz anders als der erste auf meiner Zunge.

Der ist fruchtig, schmeckt intensiv nach Muskat und enthält all die Aromen, die mich auch bei meinem ersteren Wein schon so verblüfft haben. Irre! Und das geht so einfach! Schmeckt enorm gut. Und macht auch noch Spaß. Nur die Menge Schnaps, die sich in der Minidestille so destillieren lässt, ist doch arg klein. Der Bundesfinanzminister erlaubt nur wenige Gläschen. So ist ein Abend, bei dem eigener Schnaps gebrannt wird, auch ein langer – und ein zweisamer. Bei dem sich schön genießen lässt, denn betrinken kann man sich mit den wenigen Schnäpschen ganz sicher nicht.

Rotfront feiert in der Geburtstags-Sauna

Rotfront im Café Burger
Rotfront im Café Burger

Das Café Burger dampft. Es bebt. Es dröhnt. Und das alles rhythmisch voller Energie. Zehn Jahre feiert Rotfront im Stammlokal. Drei Nächte, drei Konzerte und jedesmal nur 200 bis 300 Fans, weil mehr beim besten Willen nicht in die Kneipe passen. Die sind aber mehr als genug. Nach dem Konzert ist jeder verschwitzt, egal ob er sich bewegt hat oder nicht. Wie in der Sauna rinnt der eigene und der Fremdschweiß. Denn Yuriy Gurzhy und seine sieben bis zehn Helfer an den Instrumentebn und Mikrophonen heizen in dieser Winternacht richtig ein. Das abgegriffene Sprachbild trifft es in diesen kalten Winternächten ganz genau.

Rotfront mit der Mischung aus Raggae, Klezmer, HipHop, Ska und Balkan Brass macht die schönste und kraftvollste Berliner Heimatmusik. Weil sie so international ist, weil sie die Stadt feiert und weil sie das mit einer Leidenschaft und Spielfreude macht, die ohne jede Aggression auskommt. Danke Rotfront für dieses Konzert. Danke das feine, das ich schon vor einigen Jahren im Café Burger erleben durfte. Und danke für alle weiteren!

 

Gutschein-Gier bei Nordsee

Gutscheine bei der Nordsee
Gutscheine bei der Nordsee

Den ganz großen Fang bietet die Nordsee an. Zwei Mal Fisch und Kartoffeln für nur zehn statt 13 oder 14 Euro. Und auch all die anderen Schollen und Seelachse, ob gegrillt oder frittiert, gibt es jetzt viel günstiger. Da muss man hin. Denkt sich vor allem der Frankfurter Rentner. Und flutet mit den Gutschein-Ködern in den Flossen die Nordsee im Oderturm.

Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappt so manches Maul, wenn der Teller nicht schnell genug gefüllt wird. Da kann die Crew noch so fix die tiefgekühlten Kutterprodukte im heißen Fett versenken, dem Gutschein-Sparer fehlt das Verständnis. Er ist zum Sparen da, nicht zum Warten. Er wird nervös, wenn die ins Auge gefasste Scholle vom Vordermann weggeschnappt wird. Jetzt hat er nur noch die Möglichkeit zu warten oder einen anderen Fang zu machen. Doch der Gutschein war ja schon aus dem Bogen gelöst! Wie soll er denn jetzt den nächsten lösen? Das geht doch nicht! Das ist doch eine Unverschämtheit! Und auch noch den für die Getränke in der Mitte des Bogens! Wie soll er das machen? Fragt er. Und schnappt nach Luft!

Ach wären sie doch alle Fische. Dann könnten sie nur schnappen, aber hören würde man sie nicht. Diese Fischvertilger mit der Gutschein-Gier.

Frieren mit dem Schienenersatzverkehr

Schienenersatzverkehr, Bus zwei erreicht Jacobsdorf.
Schienenersatzverkehr, Bus zwei erreicht Jacobsdorf.

Endlich wieder Schnee. Endlich wieder Temperaturen unter null Grad. Ein richtiger Winterabend begrüßt das Wochenende. Einzig die Ankündigung des Schienenersatzverkehrs trübt den Beginn des Wochenendes. Bus fahren statt in den Zug zu steigen nervt immer. Der Bus ist voll. Die Pendler und die Fans der Berliner Eisbären haben alle Sitzplätze belegt, etliche stehen im Gang, bis der Bus vollständig gefüllt ist. Aber die Stimmung ist in Ordnung. Dem Genervt-Sein folgt schnell das unausweichliche Sich-die-in-die-Situation-ergeben.

Auch ich kletter in den Bus, quetsche mich mit einem anderen ganz vorne auf den Beifahrersitz, schwitze in zu dicker Winterjacke, kann sie aber vor lauter Enge nicht ausziehen. Auch ich verfolge verwundert die Fahrtroute quer durch Frankfurt, hinauf nach Rosengarten und dann in weniger als Schrittgeschwindigkeit über aufgerissene Baustellenstraßen weiter Richtung Pillgram. Die Zeit verrinnt, die Anspannung steigt. Und die verstärkt die Transpiration. Wo sind wir? Wie viel Zeit haben wir noch? Wartet der Zug in Jacobsdorf?

Da fährt er ein. Von Pillgram aus können wir ihn schon sehen. Der Busfahrer gibt Gas. Die Stehenden müssen sich gut festhalten. Sie schwanken in den Kurven von rechts nach links. Aber sie haben das Ziel vor Augen. Jetzt noch eine Abbiegung nach links zum Bahnhof, dann haben wir alle wieder Platz im Zug. Der Busfahrer bremst, bringt den Bus zum Stehen. Aber was ist das? Der Zug fährt los! Er wartet nicht! Er fährt einfach fast leer los!Ein Blick auf die Uhr. Der Busfahrer schaut auf die Zeit, ich schaue auf die Uhr. Drei Minuten zu früh! Der Zug fährt drei Minuten zu früh weg – und lässt uns in der Winterkälte zurück. Denn aussteigen müssen wir. Der Bus muss ja zurück nach Frankfurt und weitere Bahnkunden nach Jacobsdorf bringen.

Auf dem Bahnsteig stürmen alle zur Fahrplantafel. Wut macht sich breit. Böse Bemerkungen über die Bahn. Fast eine Stunde warten ist angesagt. Eine Stunde in der Kälte. Und das nach diesem überhitzten Bus. Eine zweite Busladung ist genauso fassungslos und verärgert. Aber es bleibt ruhig. Vielleicht zu ruhig?

Die Kälte breitet sich von unten aus. Klettert von Füßen die Beine hoch. Aber es hilft alles nichts. Warten. Wir können nur warten. Und fluchen wie die Eisbären-Fans, die jetzt sicher nicht zu Spielbeginn in der Halle sein werden. Uns bleibt warten und frieren. Und die Hoffnung, dass die Bahn sich irgendwie bemerkbar macht. Tut sie aber nicht. Die Lautsprecher sagen nichts an, auch nicht nachdem mit ihr telefoniert wurde. Sie schweigt. Und wir bedauern uns und frieren. Und verfluchen den Winter. Auf den wir uns doch so gefreut hatten.

40 Jahre später ist die Welt wieder in Ordnung

Mercedes-Benz Krankenwagen aus den 1970er Jahren
Mercedes-Benz Krankenwagen aus den 1970er Jahren
Mercedes-Benz Krankenwagen aus den 1970er Jahren
Mercedes-Benz Krankenwagen aus den 1970er Jahren

Das schönste Weihnachtsgeschenk ist auf den ersten Blick das unscheinbarste. Ein altes Modellauto stand da unter dem Christbaum. Ein Krankenwagen von Mercedes. Voller Schrammen und Lackabsplitterungen, mit Lenkrad und ramponierter Inneneinrichtung für die Trage. Also insgesamt eher eine Marginalie, die sich niemand trauen würde, seinem Patenkind zu schenken oder auch nur als Mitbringsel für die Kinder des Hauses einzupacken.

Aber ich habe mich gefreut. Denn so einen Krankenwagen habe ich vor knapp 40 Jahren verloren. Oder besser: Ich habe ihn stehengelassen. Auf der Burg über Salzburg. Mit Eltern und Schwestern und Großtante war ich damals auf der Burg. Ein Ausflug führte uns im Sommerurlaub dorthin. In meiner Erinnerung ist davon aber nichts hängenbegblieben. Nur der Verlust des Spielzeugautos. Den habe ich nie vergessen! Auch weil die Eltern nicht umkehrten, als ich merkte, dass ich den Krankenwagen auf der Mauer der Festung vergessen hatte.

Und jetzt habe ich ihn wieder! Und freue mich darüber mehr, als über all die schönen Bücher und anderen Geschenke. Eine 40 Jahre währende Geschichte, die immer wieder einmal erzählt wurde – von mir, von den Eltern – nimmt ein gutes Ende. Und tröstet auch über Geschenke und Grüße, die nicht kamen, hinweg. Rundet das Fest und die freien Tage ab. Weil diese Aufmerksamkeit so toll war und ist!

Mercedes-Benz Krankenwagen aus den 1970er Jahren
Mercedes-Benz Krankenwagen aus den 1970er Jahren

Eine neue Brille hilft beim Erkenntnisgewinn

Die alte Brille
Die alte Brille

Irgendwann muss eine Brille ausgetauscht werden. Sie sitzt nicht mehr richtig. Die Bügel lassen sich nicht vollständig festschrauben. Oder die Gläser werden matt. Manchmal sind es auch rein optische Gründe. So wie man sich einst für viel Brille entschied, soll es nun deutlich weniger im Gesicht sein. Oder es wird Zeit, sich ein klein wenig neu zu erfinden, weil Altes überwunden ist und Neues schon gelebt wird.

Gründe gibt es also viele. Auch den ganz banalen, dass die Brille den Blick nicht mehr so schärft, wie sie soll. Müdigkeit ist die Folge, weil das Sehen schwerer fällt. Als ich jetzt meinen langjährigen Sehbegleiter auswechselte, kam zu all den Gründen noch eine Erkenntnis dazu.

Die Optikerin fragt, wie alt ich sei? Da fühle ich mich doch gleich geschmeichelt. Offenbar kann man mich jünger finden, als ich bin. Und so sage ich mit einer Mischung aus Stolz und Verschmitztheit: „Bald 45.“
„Hm.“ Die Optikern stockt. Sie blickt auf das neue Gestell und dann mir in die brillenlosen Augen: „Dann sollten sie Gleitsichtgläser nehmen. Spätestens in zwei Jahren benötigen Sie die eh. Und bei dem Preis für die Gläser ist es besser, sie gleich zu bestellen.“

Tja. Ruckzuck war der Stolz verflogen. Gleitsichtgläser. Das ist doch was für alte Leute! So wie zu viel Nostalgie bei 30 Jahre alten Liedern. Oder ständiges Bahnfahren in der 1. Klasse!

Aber ich muss zugeben: Es lässt sich mit diesen Gleitsichtgläsern besser lesen. Viel besser. Auch in alten, eigenen Zeitungstexten oder den Briefen und Aufzeichnungen der eigenen, längst verstorbenen Großeltern. Wirklich sehr viel besser.

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Tränen zum Tauwetter

Eisregen
Eisregen

Gestern Schnee. Heute Eisregen. Und Tauwetter. Aber dennoch Winter. So wie es sich für Weihnachten gehört. Und das, nachdem in der Woche schon fast der ganze Schnee weggeschmolzen war. Auf jeden Fall ist das Wetter weihnachtlich.

Die Kleine hat sich das so gewünscht. Immer wieder spricht sie davon, dass zu Weihnachten Schnee gehört, dass die Häuser und die Bäume und die Wiesen weiß sein müssen.

Aber dann hört sie die Wettervorhersage. Von steigenden Temperaturen tönt es aus dem Fernseher. Und von Tauwetter. Weiße Weihnacht werde es auf keinen Fall geben.

Beim Schlafengehen sind Tautropfen in den Augen der Kleinen. Traurige Tränen, weil der weiße Weihnachtswunsch vom Wetterfrosch im Fernseher zerstört wurde. Es sind aber auch wütende, trotzige Tränen. Denn: „Die können gar nicht in die Zukunft schauen. Das sind ja schließlich keine Hellseher!“

Wie recht sie hat. Ganz prinzipiell. Aber im Detail behält wohl der Metereologe recht. Und dann müssen Christkind und Weihnachtsmann wohl dafür sorgen, dass es keine Tränen mehr gibt.